Die Läufe standen im Zürich in den vergangenen Jahren immer wieder im
Blickpunkt, und nicht viel anders wird es wohl auch dieses Mal bei dem
Leichtathletik-Meeting sein. Die Amerikaner und die Afrikaner konnten sich
schonen, und die Züricher können deswegen hoffen. Vieles spricht
dafür, dass das Golden-League-Meeting in Zürich heute einmal mehr das
beste dieser Saison sein wird. Denn nur alle vier Jahre gibt es die
günstige Konstellation, dass die amerikanischen und etliche afrikanische
Topstars wirklich ausgeruht im Züricher Letzigrund antreten können.
Stehen ansonsten als saisonale Höhepunkte entweder die zweijährig
stattfindenden Weltmeisterschaften oder aber Olympische Spiele auf dem
Programm, waren es dieses Mal nur die Europameisterschaften, die Commonwealth
Games und die Afrika-Meisterschaften. Nichts also, wo die Amerikaner um Gold
kämpfen könnten. Und längst nicht alle afrikanischen
Läuferstars starteten bei den entsprechenden Titelkämpfen. Für
sie ist nun das Meeting in Zürich mit dem Namen Weltklasse das Topereignis
im August.
Wenn Marion Jones vom wichtigsten Meeting der Saison spricht, tut sie das
also nicht, um den Veranstaltern einen Gefallen zu tun. Zürich ist in der
Tat ein Maßstab. Dennoch trifft die amerikanische Sprinterin heute Abend
nicht auf Shanna Pintusewitsch, die auch schon auf einen EM-Start verzichtete.
Gegen die Ukrainerin hatte Jones vor einem Jahr überraschend im
100-m-WM-Finale von Edmonton verloren. Obwohl Pintusewitsch in dieser Saison
auch bei den wichtigsten Meetings nicht startet, hält sie mit 10,83
Sekunden noch die Jahresweltbestzeit. Sie brauche in diesem Jahr eine mentale
Pause vom Meisterschafts-Stress und von den großen Duellen, hatte Shanna
Pintusewitsch erklärt. Wenn Marion Jones die Ukrainerin nicht im direkten
Duell schlagen kann, so möchte sie wenigstens deren Saisonbestzeit
unterbieten. "Wenn das Wetter gut ist und ich einen guten Start habe, dann
ist ein Ergebnis zwischen 10,70 und 10,72 Sekunden möglich", sagte
Marion Jones. Diesen Bereich kennt sie gut, schließlich lief sie schon
ein halbes Dutzend Mal derartige Zeiten. Nicht einmal die Weltrekordlerin
Florence Griffith-Joyner (USA/10,49) war in ihrer Karriere so oft so
schnell.
Marion Jones ist zudem eine von Fünf, die noch im Rennen um den Jackpot
der Golden League ist. Wenn sie ebenso wie Ana Guevara (Mexiko/400 m), Gail
Devers (USA/10 m Hürden), Hicham El Guerrouj (Marokko/1500 m) und Felix
Sanchez (Dominikanische Republik/400 m Hürden) heute in Zürich ihre
Disziplin gewinnt, bleibt sie im Rennen um den mit 50 Kilogram Gold
gefüllten Jackpot. Sieben Siege sind nötig, um am Gold zu
partizipieren. Nach Zürich folgen nur noch die Meetings in Brüssel am
30. August und Berlin am 6. September. Doch an den Jackpot denkt Marion Jones
noch nicht: "Ich laufe hier nicht um den Jackpot, ich laufe, um zu
gewinnen. Und ich werde dieses Mal schnell sein."
Schnell müssen auch andere in Zürich sein. 100-m-Weltrekordler
Maurice Greene (USA) trifft auf den Europameister Dwain Chambers
(Großbritannien), der ihn in dieser Saison bereits zweimal bezwungen hat.
Gleich mit zwei Europameisterinnen muss sich Ana Guevara auseinandersetzen,
für die es um den Verbleib im Jackpot geht. Die Mexikanerin trifft auf die
400-m-Einzel- und die Staffelsiegerin von München, Olesja Sykina
(Russland) und Grit Breuer (Magdeburg).
Eine der zahlreichen EM-Revanchen gibt es über 800 m der Männer
mit Europameister Wilson Kipketer (Dänemark) und dem
Silbermedaillengewinner André Bucher (Schweiz). Der Dritte von
München, Nils Schumann (Großengottern), musste dagegen
krankheitsbedingt absagen. Viel erwarten darf man sicher auch von Hicham El
Guerrouj, der sich in den letzten Wochen konzentriert auf die Meetings im
August vorbereiten konnte. Dem Marokkaner wird sogar eine 1500-m-Zeit im
Bereich seines vier Jahre alten Weltrekordes von 3:26,00 Minuten zugetraut.