Der Sieg ging an Katar, doch der Athlet, der gewonnen hatte, ist eigentlich ein
Kenianer: Vor zwei Wochen hieß Saif Saaeed Shaheen noch Stephen Cherono.
Kurzfristig hat er die Staatsbürgerschaft und auch gleich den Namen
getauscht. Und die Kenianer haben mit dem 20-Jährigen ihren in dieser
Saison besten Läufer verloren. Cherono führte die
Jahresweltbestenlisten sowohl über 3000 m Hindernis als auch über
5000 m an – und über die Hindernisse wurde Shaheen nun Weltmeister.
Dass der kenianische Verband bei diesem Deal mitspielte, kann nur daran gelegen
haben, dass Katar eine entsprechende Kompensation versprochen hat. Angeblich
geht es um die Finanzierung einer modernen Laufbahn im kenianischen Eldoret.
Bisher gibt es dort wo die meisten Weltklasseläufer des Landes herkommen
nur eine Aschenbahn.
Hätten die Kenainer gegen den Start von Shaheen bei der WM Widerspruch
eingelegt, dann wäre der Läufer erst bei der WM 2005 in Helsinki
startberechtigt gewesen. Weil er laufen durfte, sah man im Stade de France das
wohl spektakulärste Hindernisrennen der Leichtathletikgeschichte. Erst auf
den letzten Metern sicherte sich Shaheen den Titel in 8:04,39 Minuten vor
Ezekiel Kemboi.
“Es ist für mich ein großer Unterschied, ob ich Gold
für Kenia oder für Katar gewinne. Ich habe hier für Katar
gewonnen, das ist sehr wichtig, denn dieses Land hat mir sehr geholfen. Ich
denke nur noch an Katar. Und es ist schon seit mehreren Jahren mein Traum,
für dieses Land starten zu können“, erklärte Shaheen.
Seine neuen Landsleute haben ihm ein lebenslanges Gehalt von 1000 Dollar im
Monat versprochen. Wie die Menschen in Kenia reagiert hätten auf seinen
Wechsel, wurde Shaheen gefragt: “Fünfzig Prozent finden meine
Entscheidung richtig, fünfzig Prozent sind nicht so froh
darüber“, antwortete der neue Weltmeister, der die erste WM-Medaille
überhaupt für Katar gewann und dafür mit Sicherheit auch eine
ordentliche Prämie bekommen wird.
Zu jenen, die nicht so froh über den Wechsel von Saheen sind,
zählt auch der Silbermedaillengewinner von Paris, Ezekiel Kemboi.
“Es wäre nicht gut für Kenia, wenn dieser Mann gewinnt. Das ist
demoralisierend, dass er ausgerechnet kurz vor der WM diesen Wechsel gemacht
hat – darüber ärgere ich mich“, hatte Kemboi vor dem
Rennen gesagt. Sein Ehrgeiz, Shaheen zu schlagen, war nicht zu übersehen.
Doch es reichte nicht ganz. “Ich habe alles gegeben für mein
Land“, sagte Ezekiel Kemboi.
Schnurstracks war Shaheen nach seinem Sieg mit der Fahne Katars auf die
Ehrenrunde. Mit seinen Landsleuten wechselte er kein Wort. Ob er mit seinem
Bruder gesprochen habe, der Fünfter wurde, wurde Shaheen gefragt.
“Nein, das habe ich nicht. Wir sind jetzt zwei verschiedene Menschen. Ich
habe ihm nicht gratuliert“, antwortete Shaheen und warf bei der
Pressekonferenz gleich noch eine Spitze gegen den neben ihm sitzenden Kemboi:
“Ich wusste im Ziel nicht einmal, wer Zweiter war – das hat mich
auch nicht interessiert.“
Das letzte Wort in dieser Pressekonferenz hatte allerdings Ezekiel Kemboi.
Nein, er sei überhaupt nicht böse, dass Shaheen nicht mehr für
Kenia läuft, war die überraschende Aussage. Und dann fügte
Kemboi erklärend hinzu: “Auch wenn er jetzt nach Katar geht –
er hat bei uns gelebt und trainiert. Er ist ein Kenianer, und es ist eine
kenianische Goldmedaille.“ Das wird Saif Saaeed Shaheen nicht so gerne
gehört haben.