Mit einer Überraschung endete der Marathon der Männer bei der WM in
Paris. Der neue Weltmeister heißt Jaouad Gharib und kommt aus Marokko. Er
gewann in 2:08:31 Stunden. In der Marathonszene war Gharib ein unbekannter,
sieht man davon ab, dass der 31-Jährige in diesem Jahr bei seinem
Marathondebüt in Rotterdam als Sechster 2:09:15 Stunden gelaufen war. Im
letzten Herbst allerdings hatte Jaouad Gharib die Silbermedaille bei den
Halbmarathon-Weltmeisterschaften gewonnen. Damals war ein Kenianer schneller
als der Marokkaner: Paul Kosgei. Beim WM-Marathon nun gewannen weder die
Kenianer noch die Äthiopier eine Medaille, was allerdings bei den
vorhergehenden Rennen bei der WM schon öfter passiert ist. Silber ging an
den Spanier Julio Rey in 2:08:38, Bronze gewann der Italiener Stefano Baldini
in 2:09:14. Deutsche Läufer waren im Marathon nicht am Start.
“Ich möchte mich bei den französischen Zuschauern bedanken,
die mir sehr geholfen haben an diesem Tag“, sagte Jaouad Gharib und
fügte hinzu: “Es ist eine große Ehre für mich, für
Marokko die zweite Goldmedaille nach Hicham El Guerrouj gewonnen zu haben. Ob
ich überrascht bin? Nein, nicht so sehr – ich habe hart dafür
gearbeitet.“ Erst vor zwei Jahren tauchte der Marokkaner in der
internationalen Szene auf und erreichte eine Reihe von erstklassigen Zeiten.
Allerdings konzentrierte er sich in dieser ersten internationalen Saison noch
auf die Bahnrennen. Über 3000 Meter erreichte er dabei 7:39,22 Minuten und
über 10.000 m 27:29,51. Über die lange Bahndistanz stand er auch bei
der WM 2001 in Edmonton im Finale und wurde Elfter. Eine gute
Grundschnelligkeit brachte Jaouad Gharib mit – und die war am Ende auch
entscheidend im Kampf um die Goldmedaille, den er mit einem langen Endspurt
gegen Julio Rey gewann. “Ich bin mehr als zufrieden mit der Medaille,
denn zwischendurch dachte ich, ich komme gar nicht mehr an“, sagte Julio
Rey.
Bei idealen Temperaturen von 14 ° Celsius hatte das Rennen vor dem
Pariser Rathaus begonnen, allerdings gab es zwischendurch mehrere starke
Regenschauer. Für die Franzosen gab es schon vor dem Start eine
Enttäuschung. Denn Benoit Zwierzchiewski, der im April beim Paris-Marathon
als Zweiter in 2:06:36 Stunden den Europarekord eingestellt hatte, stand zwar
noch auf der Startliste, verzichtete jedoch auf dieses Rennen.
In ruhigem Tempo passierte eine große Führungsgruppe mit 41
Läufern die Halbmarathonmarke nach 64:45 Minuten. So richtig begann das
Rennen erst danach. Julio Rey war einer der ersten, der mit einem
plötzlichen Antritt die Führung übernahm. Doch während er
längst wieder eingefangen war, als das Feld die 30-km-Marke erreichte
(1:32:32 Stunden), war ein anderer ausgestiegen. Es ist schwierig in solch
einem Feld ein paar Favoriten auszuwählen – das zeigten auch die
Ergebnisse. Aber einer gehörte bestimmt in diese Gruppe: Der Olympiasieger
und Titelverteidiger Gezahegne Abera. Bis Kilometer 25 (1:17:09) lief der
Sieger des London-Marathons im April noch in der großen
Führungsgruppe, dann stieg der Äthiopier aus.
Es war dann etwa bei Kilometer 33, als Jaouad Gharib antrat und die immer
noch rund 15-köpfige Führungsgruppe auseinander fiel. Lediglich Julio
Rey und der Kenianer Michael Rotich, der im April den Paris-Marathon in der
Jahresweltbestzeit von 2:06:33 gewonnen hatte, konnten folgen. Doch Rotich fiel
bei Kilometer 37 wieder zurück und wurde am Ende nur noch Achter. Als
erstes überholte ihn Stefano Baldini, der am Ende Bronze gewann.
Zweimal war die Äthiopierin Derartu Tulu Olympiasiegerin über
10.000 m. Jetzt kam eine Kusine von ihr und wurde Weltmeisterin über 5000
m: Tirunesh Dibaba. “Derartu hat mir vor dem Rennen sehr geholfen –
ich glaube, jetzt ist sie sehr stolz auf mich“, sagte die 18-jährige
Weltmeisterin, die den Titel im Endspurt in 14:51,72 Minuten vor der Spanierin
Marta Dominguez (14:52,26) und Edith Masai (Kenia/14:52,30) gewann. Noch 200
Meter vor dem Ziel hatte Dibaba etwa an sechster Stelle gelegen, dann kam sie
ausgangs der Zielkurve von außen und ging noch an allen vorbei. Dagegen
spielten zwei frühere Weltmeisterinnen über diese Strecke in Paris
keine Rolle: Gabriela Szabo (Rumänien) wurde Elfte, die Irin Sonia
OSullivan 15.
Keine Rolle spielten auch die beiden Medaillengewinnerinnen über 10.000
m. Weltmeisterin Berhane Adere (Äthiopien) hatte keine Kraft mehr im
Endspurt und wurde Zehnte, die Chinesin Yingjie Sun, Dritte über 10.000 m,
belegte Rang neun. “Ich kann es nicht glauben. Das sind meine ersten
Weltmeisterschaften, und ich gewinne gleich den Titel. Ich hatte vor allen
Dingen mit Berhane Adere gerechnet“, sagte Tirunesh Dibaba. Auch die
Silbermedaillengewinnerin war überrascht über ihren Erfolg:
“Ich hatte eine schwache Saison, deswegen ist ein Platz auf dem
Siegespodest die Erfüllung eines Traumes für mich“, sagte Marta
Dominguez und fügte hinzu: “Ich hatte gedacht, dass Yingjie Sun
gewinnen würde.“
Im Vorlauf ausgeschieden war Irina Mikitenko (Eintracht Frankfurt). Sie
verpasste als Neunte in 15:06,97 Minuten das Finale um knapp drei Sekunden. Man
merkte Irina Mikitenko an, dass sie nach langen Verletzungs- und
Gesundheitsproblemen einfach noch nicht wieder in Topform ist. “Ich hatte
gehofft, dass unser Vorlauf so schnell wird wie der erste, aber leider war das
nicht der Fall. Nach meinen Verletzungsproblemen fehlt mir noch die Kraft
für die Grundschnelligkeit“, sagte Irena Mikitenko, die deswegen
über 10.000 m bessere Perspektiven gehabt hätte. Doch der DLV
ließ sie die längere Distanz nicht laufen, weil hier Sabrina
Mockenhaupt nominiert worden war.