Dieses Rennen geht in die Leichtathletik-Geschichte ein: Das
3000-m-Hindernisfinale bei den Weltmeisterschaften in Paris hätte
spektakulärer nicht sein können. Wahrscheinlich war es das tollste
Hindernisrennen in der Leichtathletikgeschichte. Nach einem unglaublichen
Tempowechsellauf über die komplette Distanz, den man eigentlich nur
glauben kann, wenn man ihn tatsächlich gesehen hat, wurde Saif Saaeed
Shaheen (Katar) in 8:04,39 Minuten neuer Weltmeister über die
Spezialstrecke der Kenianer. Noch vor wenigen Wochen hieß Saif Saaeed
Shaheen allerdings Stephen Cherono und war Kenianer. Doch kurzfristig hat er
die Staatsbürgerschaft getauscht und darf für Katar starten –
es dürften entsprechende Gelder geflossen sein, ansonsten hätten die
Kenianer wohl nicht mitgespielt.
Das Rennen ging schon damit los, dass Shaheens neuer Landsmann Khamis
Abdullah Saifeldin sich als Tempomacher vor das Feld spannte und den Favoriten
führte. In diesem sensationellen Rennen aber reichte die Kraft des Hasen
nur ganze 600 Meter. Immerhin hatte er Shaheen zu rund 20 Metern Vorsprung
gezogen. Shaheen lief auf Weltrekord, so schnell war er unterwegs. Die 1000
Meter passierte er nach 2:36,24 Minuten. Doch noch viel schneller war
plötzlich Ezekiel Kemboi. Der Kenianer war Vierter und hatte rund 35 Meter
Rückstand, als er antrat und fast im Stile eines 800-m-Läufers die
Lücken schloss. Erst schoss er an seinem Landsmann Abraham Cherono vorbei,
dem Bruder von Shaheen, der sich zuvor als einziger an die Verfolgung gemacht
hatte, aber immer noch rund 15 Meter Rückstand hatte. Innerhalb von 200
Metern hatte Kemboi 15 Meter gut gemacht. Weitere 300 Meter später
überspurtete er auch noch Shaheen an der Spitze. Wieder hatte er
mindestens 15 Meter aufgeholt – und das, obwohl Shaheen mitbekommen
hatte, dass Kemboi auf dem Weg war und das Tempo nochmals verschärft
hatte. Das störte Kemboi nicht – er lief eben auch noch etwas
schneller.
Die Aufholjagd hatte Kraft gekostet. Kaum hatte Kemboi Shaheen
überholt, drosselte er das Tempo. Kemboi spekulierte vielleicht auf den
Endspurt, während Shaheen daran interessiert war, mit einem
Weltrekordtempo seine Konkurrenten zu zermürben. Kaum wurde es langsamer,
ging Shaheen aber wieder an Kemboi vorbei. Der aber reagierte auch sofort und
überholte wiederum Shaheen, um dann gleich wieder langsamer zu werden.
Eine gewisse Tempoverschleppung hatte Ezekiel Kemboi tatsächlich
erreicht. Und als es in die letzte Runde ging, waren plötzlich die beiden
Spanier Martin Eliseo, der spätere Dritte (8:09,09 Minuten) und Martin
Luis Miguel (Sechster in 8:13,52) wieder ganz dicht dran am Führungsduo.
Und gleich dahinter kamen auch noch der Franzose Tahri Bouabdallah (Vierter in
8:10,65) und Abraham Cherono (Fünfter in 8:13,37).
Als noch 300 Meter zu laufen waren, schien ein Vorentscheidung zu fallen,
denn Shaheen trat wieder an und löste sich von Kemboi – doch das
Rennen war immer noch nicht gelaufen. Das Stadion tobte, als Kemboi wieder
heran kam. Am letzten Wassergraben lag er fast gleichauf mit Shaheen, am
letzten Hindernis war er vorbei – aber wieder war es nicht die
Entscheidung um Gold. Shaheen kam nochmals zurück und überholte
Kemboi auf den letzten Metern. Vielleicht hätte der Kenianer mit seinem
letzten Angriff noch etwas warten sollen – so aber unterlag er am Ende im
Spurt gegen den von hinten kommenden Shaheen. Kemboi lief nach 8:05,11 ins
Ziel.
Zum dritten Mal 800-m-Weltmeisterin wurde die große Favoritin: Maria
Mutola (Mosambik). Die Titelverteidigerin hatte zuvor auch schon 1993 in
Stuttgart gewonnen. Mutola lief 1:59,89 Minuten und gewann vor der Britin Kelly
Holmes (2:00,18). Noch eingangs der Zielgeraden lag Holmes, die in Johannesburg
gemeinsam mit Mutola trainiert hatte, vorne und schaute sich um, um zu sehen,
wo die Favoritin blieb. Sie kam und setzte sich einmal mehr im Endspurt durch.
Platz drei ging an die Russin Natalja Khruschcheljowa in 2:00,29.
Ein gutes Rennen lief Claudia Gesell (Bayer Leverkusen) in ihrem ersten
großen Finale. Die 25-Jährige belegte Platz fünf in 2:01,84
Minuten. Das Finale erreicht zu haben, ist für sie schon ein Erfolg.
Während des Rennens merkte man, dass Gesell noch Erfahrung fehlt. Auf der
Innenbahn startend, sortierte sie sich ein wenig zu weit hinten ein und lag
zwischen 100 und 400 Metern auf Platz sechs. Dann versuchte sie außen
herum an den anderen vorbei zu kommen, was bedeutete, dass sie beide Kurven
fast durchweg auf dem äußeren Rand von Bahn zwei unterwegs war.
Dabei verlor Claudia Gesell Kraft. Doch eine Medaille wäre an diesem Tag
selbst bei optimalem Rennverlauf nicht möglich gewesen. Zu stark waren die
Medaillengewinnerinnen im Endspurt.
Nur sieben Läuferinnen waren an den Start gegangen, denn kurzfristig
musste die Österreicherin Stephanie Graf aufgrund einer Verletzung passen.
Sie hätte vielleicht eine Chance auf die Bronzemedaille gehabt.
In den Vorläufen über 5000 m verpasste Irina Mikitenko (Eintracht
Frankfurt) das Finale um knapp drei Sekunden. Ihre Zeit als Neunte dieses
Laufes von 15:06,97 Minuten reichte nicht. Man merkte Irina Mikitenko an, dass
sie nach langen Verletzungs- und Gesundheitsproblemen einfach noch nicht wieder
in Topform ist. Andererseits entwickeln sich auch die 5000 Meter der Frauen
immer weiter. Und selbst die zweifache 5000-m-Weltmeisterin Gabriela Szabo
(Rumänien/1997 und 1999) schaffte es nicht, sich als eine der besten
Fünf zu qualifizieren. Kurz vor der Ziellinie wurde sie noch abgefangen.
Doch da Szabo in einem gleichmäßig schnellen Rennen lief, kam sie
über die erzielte Zeit doch ins Finale. Zumindest einen kleinen Schrecken
wird sie aber bekommen haben in einem Rennen, das die Kenianerin Edith Masai in
beeindruckenden 14:45,35 Minuten gewann. Das andere Semi-Finale gewann die
für die Türkei laufende Äthiopierin Elvan Abeylegesse in
14:54,95 Minuten vor einer stark wirkenden Sonia OSullivan. Die Irin war schon
1995 Weltmeisterin über diese Strecke. Im Finale steht auch die
10.000-m-Weltmeisterin Berhane Adere (Äthiopien) und die
Bronzemedaillengewinnerin über diese Strecke, Yingjie Sun (China).