Sonja Oberem wird am Sonntag beim Wien-Marathon versuchen, die letzte
Qualifikationschance für die Olympischen Spiele zu nutzen. Um das Ticket
nach Athen zu lösen, muss die 31-jährige Läuferin von Bayer
Leverkusen mindestens 2:30 Stunden rennen. Eigentlich ist der
Qualifikationszeitraum für die Marathonläuferinnen bereits seit knapp
zwei Wochen beendet, doch der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat im
Falle der Marathon-Olympiaachten von 1996 eine Ausnahme gemacht. Läufe
über kürzere Distanzen hinzugerechnet, werden am Sonntag in Wien rund
20.000 Läufer an den Start gehen. Mit etwas 7.500 Marathonläufern
rechnen die Organisatoren um Wolfgang Konrad.
Verletzungsbedingt hatte Sonja Oberem beim Hamburg-Marathon im April nicht
starten können. „Seit meiner Absage von Hamburg konnte ich gut
trainieren. Aber die Vorbereitungszeit war knapp. Ich weiß nicht, ob es
reichen wird“, erklärte die EM-Dritte von München 2002. Sonja
Oberem, die eine Bestzeit von 2:26:13 Stunden hat, trifft am Sonntag unter
anderen auf die Marathon-Weltmeisterin von 2001, Lidia Simon. Auch die
Rumänin will sich noch für Olympia qualifizieren. Sie braucht jedoch
lediglich 2:37:00 Stunden zu unterbieten. Und Simon hat nach der Geburt eines
Sohnes andere Ziele: Angepeilt ist eine Zeit unter 2:26 Stunden, mit der sie zu
alter Klasse zurückfinden möchte. Die Olympiazweite von 2000
fühlt sich nach der Geburt im Dezember 2002 physisch stärker. Ihr
erste Marathon nach der Entbindung war jedoch noch kein Erfolg. In Chicago kam
sie im vergangenen Herbst abgeschlagen mit einer 2:40er Zeit ins Ziel.
Einer, der ebenfalls an alte Zeiten anknüpfen möchte, kommt aus
Kenia: Vor knapp zwei Jahren rannte Raymond Kipkoech beim real,-
BERLIN-MARATHON zum größten Triumph seiner Karriere. Er gewann den
hochkarätigen Marathon in der Weltklassezeit von 2:06:47 Stunden. Der
26-jährige Kenianer ist einer der Favoriten beim 21. Vienna-City-Marathon
am Sonntag. “Ich habe gut trainiert. Wenn das Wetter mitspielt,
möchte ich schnell rennen. Eine Halbmarathonzeit zwischen 64 und 64:30
Minuten wäre okay für mich, mit diesem Tempo hätte ich kein
Problem“, erklärte Raymond Kipkoech. Diese Pace würde im
Bereich des Streckenrekordes von Willy Cheruiyot liegen. Der Kenianer gewann
2000 den Vienna-City-Marathon in 2:08:48 Stunden.
Ein Jahr nach seinem Sieg in Berlin hatte Raymond Kipkoech, der verheiratet
ist, aber noch keine Kinder hat, Pech. Als einer der Favoriten beim
New-York-Marathon an den Start gegangen, wurde er kurz vor Kilometer 30 von dem
Fahrzeug mit den Fotografen angefahren. „Der Laster hat mich am Kopf
touchiert. Ich hatte noch längere Zeit nach dem Unfall Schmerzen“,
erzählt Raymond Kipkoech, für den das Rennen nach dem Unfall beendet
war. Ins Krankenhaus musste Kipkoech in New York nicht. „Nach einer
medizinischen Versorgung konnte ich auch wieder nach Kenia
zurückkehren.“
Anfang April ist Raymond Kipkoech bereits beim Paris-Marathon an den Start
gegangen. Dort wurde er in 2:10:08 Stunden Zweiter. Doch damit war der Kenianer
nicht zufrieden. „Ich wollte schneller laufen, aber die wellige Strecke
lag mir nicht. Deswegen möchte ich jetzt in Wien zeigen, was ich
kann“, erklärte Kipkoech, der zur Gruppe des italienischen Managers
Dr. Gabriele Rosa gehört. Zwei Wochen hat er nach dem Paris-Marathon
pausiert, danach hat er rund vier Wochen in seiner Heimat Kapsait
trainiert.
Die Reise nach Wien geriet für Raymond Kipkoech zu einer Odyssee. Acht
Stunden lang war er alleine von Kapsait mit dem Auto unterwegs, um dann in
Nairobi festzustellen, dass er zu spät kam für seinen Flug nach
Europa. Zwölf Stunden später als geplant landete er schließlich
am Freitag morgen in Wien. Gemessen daran machte Raymond Kipkoech einen
munteren Eindruck. „Ich fühle mich in sehr guter Form“, sagte
der Kenianer. Und angesprochen auf Moses Tanui, einen der größten
Läufer Kenias, der am Sonntag sein Konkurrent sein wird, sagte Kipkoech:
„Moses ist ein Symbol in Kenia. Mit ihm muss ich rechnen am Sonntag.
Spätestens bei Kilometer 38 werde ich sehen, ob ich ihn schlagen
kann.“