„Welcome home“, leuchtet es einem in Athen an allen Ecken und Enden
entgegen, auf Fahnen, Plakaten und Leuchtschriften. Die Spiele sind
zurückgekehrt zu ihrem Ursprung. 108 Jahre, nachdem in Athen 1896 die
ersten Olympischen Spiele der Neuzeit stattfanden. Heute beginnen endlich auch
im Olympiastadion die Wettkämpfe. Es war, abgesehen vom nach Olympia
ausgelagerten Kugelstoßen der Männer und Frauen, das bereits am
Mittwoch stattfand, der erste Tag der olympischen Kernsportart
Leichtathletik.
Für viele beginnen die Spiele erst richtig, wenn die Leichtathleten in den
Mittelpunkt rücken.
Spiridon Louis und der Marathon über 40 km
„Welcome home“, das gilt besonders für die Leichtathleten.
Schon 1896 standen ihre Disziplinen in Athen im Zentrum des Interesses.
Speziell galt dies natürlich für den Marathonlauf, den der Grieche
Spiridon Louis gewann. Damals wie heute wird dieses Rennen in Marathon
gestartet und endet im Panathinaikon-Stadion von Athen. Schon am Sonntag
starten die Frauen, eine Woche später wird der Männer-Marathon die
letzte Entscheidung dieser Olympischen Spiele sein. 40 km betrug die Strecke
1896. Seitdem bei den Spielen 1908 in London das Ziel genau vor der
königlichen Ehrenlose sein musste, misst die Distanz krumme aber
längst klassische 42,195 km.
Paula Radcliffe (Großbritannien), Naoko Sakamoto (Japan),
Margaret Okaya oder Paul Tergat (beide Kenia)
Im Marathon werden die Deutschen keine Rolle spielen. Bei den Männern
wurde angesichts der Misere im deutschen Langstreckenlauf erst gar keiner
nominiert, bei den Frauen ist von Ulrike Maisch (Rostock) und Luminita Zaituc
(Braunschweig) keine Platzierung im Vorderfeld zu erwarten. Einen zweiten
Spiridon Louis wird es in Griechenland allerdings schon gar nicht geben. Die
Favoriten heißen Paula Radcliffe (Großbritannien), Naoko Sakamoto
(Japan), Margaret Okaya oder Paul Tergat (beide Kenia).
Eine Medaille im Jahr 1896 für die Deutschen
Auch wenn man nicht viel erwarten darf: Besser als vor 108 Jahren müsste
das heutige deutsche Leichtathletik-Team eigentlich abschneiden. Damals gab es
für die deutschen Leichtathleten eine einzige Medaille. Allerdings standen
1896 auch nur ein Dutzend Wettbewerbe auf dem Programm, und Frauen durften
damals noch gar nicht teilnehmen. Im Panathinaikon-Stadion gewann Fritz Hofmann
die Silbermedaille über 100 m mit einer Zeit von 12,2 Sekunden. Zu Gold
sprintete damals Tom Burke (USA) in 12,0 Sekunden. Heute werden 46
Olympiasieger in der Leichtathletik ermittelt, so viele wie in keiner anderen
Sportart.
Nadine Kleinert mit Bronze in Olympia
Der Auftakt der deutschen Leichtathleten war so wie ihn sich die Schwimmer
gewünscht hätten: Beim Kugelstoßen gewann am Mittwoch in
Olympia Nadine Kleinert (Magdeburg) die Bronzemedaille. Damit hatte man nicht
rechnen dürfen. Doch für Euphorie besteht trotzdem kein Anlass in der
deutschen Leichtathletik. Noch in frischer Erinnerung ist das Ergebnis bei der
WM in Paris vor einem Jahr, als die Starter des Deutschen
Leichtathletik-Verbandes (DLV) lediglich einmal Silber und dreimal Bronze
gewannen.
Es war das schwächste Abschneiden eines gesamtdeutschen Teams bei dieser
WM. Überraschend war diese Misere im Sommer 2003 eigentlich nicht
gekommen. Das Problem war jedoch, dass die Erwartungshaltung in der
Öffentlichkeit durch die Funktionäre des DLV unrealistisch hoch
geschraubt worden war.
Nickel: Leistungsvermögen voll ausschöpfen
Im Vorfeld von Athen hören sich die Prognosen der DLV-Funktionäre nun
anders an. Der für Leistungssport zuständige Vizepräsident des
Verbandes, Rüdiger Nickel, verzichtet auf eine Medaillenprognose und sagt
statt dessen gegenüber der Zeitschrift „Leichtathletik“:
„Es hat sich bestätigt, dass es sehr schwer sein wird,
Medaillenträume zu realisieren. Für mich sind Olympische Spiele dann
erfolgreich verlaufen, wenn möglichst viele Athleten in Athen ihr
Leistungsvermögen voll ausgeschöpft haben.“
Kein Gold-Favorit bei den Deutschen
Einen echten Gold-Favoriten hat die deutsche Leichtathletik auch in diesem Jahr
nicht. Die beiden deutschen Olympiasieger von Sydney 2000, Nils Schumann (800
m) und Heike Drechsler (Weitsprung), fehlen verletzungsbedingt. Mit
Dreispringer Charles Friedek (Leverkusen), Diskuswerfer Lars Riedel (Chemnitz)
und Speerwerfer Boris Henry (Saarbrücken) kämpfen drei routinierte
und aussichtsreiche Starter noch mit Verletzungsproblemen. Der 50-km-Geher
Andreas Erm (Potsdam), die Speerwerferin Steffi Nerius (Leverkusen) oder die
Stabhochspringer Tim Lobinger (Köln) und Danny Ecker (Leverkusen) sind die
aussichtsreichsten DLV-Athleten.
Wenn es in Athen nicht schlechter läuft als in Paris, wäre
das schon ein Erfolg.