Zugegeben: Ein wenig suspekt ist es uns auch nach fünf Jahren noch, warum
erwachsene Menschen 42 Kilometer am Stück rennen. Freiwillig. Zumeist auf
geteerten Straßen und in Großstadtluft. Um letztlich puterrot,
schwitzend und häufig am Ende ihrer Kräfte vor aller Augen über
die Ziellinie zu taumeln ...
Aber, da sind ja auch noch die anderen, die Profis und Promis: Die zierliche
Japanerin zum Beispiel, die vor drei Jahren durch Weltbestzeit begeisterte; das
kenianische „Männer-Trio“ ein Jahr später, oder, fast
ebenso interessant, der seinerzeit laufende Außenminister mitsamt seinen
Bodyguards. Und, natürlich, Typen wie Rainer, der „hochgewachsene,
schlanke Mann mit schwarzem Vollbart“.
So hatte seine Freundin ihn beschrieben, eine junge Frau, die wir am
Absperrzaun der Zielgeraden kennen gelernt hatten. Und die immer nervöser
von einem Bein aufs andere hüpfte, stets mit Blick auf die Uhr. Wir
versprachen Unterstützung bei der Ausschau nach Rainer –
erspähten ihn im Feld und brüllten uns mit ihr heiser, bis der
MARATHON-Mann glücklich-erschöpft herüberlachte. Es dürften
auch diese Begegnungen am Rande sein, die dem BERLIN-MARATHON inzwischen zum
festen Platz in unserem Terminkalender sichern.
Begonnen hatte es 1999 allerdings rein zufällig: Ein Kurz-Trip nach
Berlin fiel, völlig ungeplant, auf das Marathon-Wochenende. Die Strecke
führte quasi am Gästebett vorbei, außerdem waren wir noch nie
bei so einem Event „dabei“. Wir konnten also gar nicht anders:
Kurzentschlossen machten wir den MARATHON zum
„außerplanmäßigen touristischen
Programmpunkt“.
Nicht ahnend, welches Volksfest uns erwarten würde.
Stets mittendrin statt „nur dabei“
Sonntag Morgen dann, zu früher Stunde am Straßenrand; verschlafen
– Berliner Nächte sind lang für Touristen -, aber ziemlich
schnell ziemlich wach: Lautstark bearbeite-ten hier, am Fuß des
Prenzlauer Berges, ganze Familien ihre mitgebrachten Topfdeckel, Fan-Trupps
entrollten Transparente („Markus - altes Haus – Du machst
das!“) und ölten die Trillerpfeifen – und das alles, ohne dass
sich irgend etwas getan hätte! Denn auf der Kreuzung vor uns herrschte
gähnende Leere - abgesehen vielleicht von entspannten Polizisten, die
weniger entspannten Autofahrern Sinn und Zweck einer Umleitung
erklärten.
Bis auf einmal die Läuferfront heranwogte, schwarz, weiß, bunt,
durch die Torstraße. Und den Menschen am Straßenrand das Adrenalin
in die Adern trieb – hörbar im wahrsten Sinn des Wortes. Wer hierher
kommt, das lernten wir gleich an diesem ersten Marathon-Morgen, ist stets
mittendrin statt nur dabei.
„Wann kommt der Papi? Ist der schon los? Wie lange
dauert’s noch?“ Uhrenvergleich. „Der Papi kommt um fünf
nach halb!“ Und der Papi kam um fünf nach halb. Winkte, umarmte kurz
seinen Jüngsten und verschwand. Sicher war es auch dieses
„Nah-Dran-Sein“ am Geschehen, das den Grund-stein legte für
unsere „BERLIN-MARATHONia“. Dieser Spaß an der Freude, die
ein Zaungast haben kann, wenn er Augen, Ohren und Herz aufsperrt - auch wenn er
selbst niemals auf die Strecke gehen würde und weder Namen noch Zeiten der
Top-Leute kennt.
Dieses Mit-Freuen, wenn eine Läuferin plötzlich ausschert, in
Richtung Zuschauer trabt, lachend und schwitzend Ehemann und Kinder küsst
und fröhlich winkend wie-der in die Menge eintaucht. Das (ganz wichtig!)
Mit-Swingen, mit den vielen Bands und Spontan-Musikern am Rande der Strecke,
die mal Jazziges lustvoll in den blauen Berliner September-Himmel posaunen, mal
saftige Samba-Rhythmen klopfen.
Und, natürlich, das aktive Mit-Fiebern, wenn auf den drei-, vierhundert
Metern vor dem Ziel viele Läuferinnen und Läufer die letzten
Kräfte mobilisieren: Pfeifen, klatschen, anfeuern („Hey! Komm, Du
packst es! Hast es gleich geschafft! Paar Meter noch! Hopp, hopp, hopp
....“). Und wenn dann ein gequältes Lächeln rüberkommt und
die Frau, der Mann, sich wieder in Bewegung setzen – dann hat es sich
für die Zaungäste einmal mehr gelohnt, zu kommen.
Das harte Los erprobter Fans
Allerdings wird der MARATHON für uns mittlerweile immer anstrengender:
Die ersten drei, vier Jahre durften wir richtig genießen, waren immer in
Bewegung, die Strecke entlang. Die Neugier trieb uns an die
Verpflegungsstationen - Plastikbecher besichtigen, die wie frisch gefallener
Schnee die Straße weiß färben. Mal ging‘s ans Ende des
Feldes, um die wirklich Allerletzten an-zufeuern, mal, nachdem endlich alle
abgezogen waren, in den verlassenen Startbereich, wo für kurze Zeit
massenweise „ab-geworfene“ Sweat-Shirts ein buntes
Asphaltgemälde zaubern.
Für diese Vergnügungstouren wird uns künftig allerdings kaum
mehr Zeit bleiben. Denn mit der unverändert großen Beliebtheit des
real,- BERLIN-MARATHON starten auch immer mehr Läufer aus unserem
Freundeskreis. Und die erwarten, mit Recht, dass wir sie lautstark
unterstützen.
Na - wir werden unser Bestes tun! Letztes Jahr durften wir
uns schon mal einarbeiten – standen mit überdimensionaler
italienischer Flagge am Straßenrand, um den Italo-Bayern Marcello
anzufeuern, den Fotoapparat ständig auf Augen- und das Handy auf
Ohrenhöhe (Hotline für Notfälle!) Und in diesem Jahr?
Da werden es vermutlich noch mehr Bayern sein, die wir „zu
betreuen“ haben.
Machen wir glatt!
Gabi Kannamüller