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Silber für Sabrina Mockenhaupt bei den Cross-Europa-Meisterschaften in Tilburg

Zugegeben, es war das Sahnehäubchen für 10 000 Besucher im schmucken Leijpark in Tilburg. Im holländischen Dress jubelte die in Kenia geborene Lornah Kiplagat über die erste Goldmedaille bei Cross-Europameisterschaften. Die 31jährige, vor vier Wochen noch im Marathoneinsatz in New York, hatte allerdings auf dem Weg zum EM-Titel harten Widerstand zu brechen. Und diesen leistete in einem bravourösen Rennen bis eingangs der Schlussrunde vornehmlich Sabrina Mockenhaupt, deren Husarenstück mit der Silbermedaille belohnt wurde, die erste Einzelmedaille übrigens für den Deutschen Leichtathletik-Verbandes in der Geschichte der Cross-Europameisterschaften.

Der Star hingegen bei den 12th SPAR European Cross-Country-Championships war der unumschränkte Cross-König Sergiy Lebid. Der Ukrainer musste auf dem Weg zum sechsten Titel, darunter dem fünften in Folge, allerdings ähnlich harte Arbeit gegen den unentwegt ums Tempo bemühten Spanier Alberto Garcia leisten wie kurz zuvor Lornah Kiplagat gegen Sabrina Mockenhaupt.

Lornah Kiplagat keine Cross-Spezialistin, aber absolute Weltklasseläuferin

„Jedermann weiß, dass ich kein ausgesprochener Cross-Spezialist bin“, gestand die Kenianerin, die seit Juli 2003 die holländische Staatsbürgerschaft besitzt und mit ihrem Manager Pieter Langerhorst verheiratet ist, „aber ich konnte diese Chance nicht auslassen, in meiner Heimat im Nationaltrikot zu starten!“ Vier Wochen nach ihrem letztlich enttäuschenden Abschneiden in New York (Platz 10 in 2:28:28) zeigte die 10.000 m-Olympiafünfte eine starke läuferische Leistung, die vor allem in der Schlussrunde zum Tragen kam, als sie mit einer unwiderstehlichen Tempoverschärfung Meter um Meter zwischen sich und der einzig verbliebenen Konkurrentin Sabrina Mockenhaupt legen konnte.

Die vermeindlichen Medaillenanwärterinnen um die Titelverteidigerin Hayley Yelling, deren Schwägerin Liz Yelling, der vierfachen EM-Bronze-Gewinnerin Olivera Jevtic, der starken Ungarin Anikó Kálovics oder der Russin Lidiya Grigoryeva, sie alle waren mehr oder weniger deutlich abgeschlagen.

Militärübungen in Schlamm und Regen das Geheimnis des Erfolges?

„Unglaublich“, freute sich „Mocki“ im Ziel. „Ich wollte diese Medaille, denn es ist meine erste bei Europameisterschaften!“ Dass die Siegerländerin mit kontrollierter Aggressivität ins Rennen im Leijpark gegangen war, das verhehlte sie keineswegs. Schließlich hatte sie zwei Wochen lang einen Feldwebelanwärter-Lehrgang bei Nienburg im Schlamm und Regen verbracht und Ärger über verpasste Trainingseinheiten aufgestaut. „Schon alleine deshalb durfte ich keine großen Erwartungen haben!“ Und es wurde das beste Rennen ihrer an Erfolgen nicht armen Karriere – bislang. „Ich wollte das Rennen von Beginn an etwas kontrollieren. Das habe ich mir heute morgen schon vorgenommen, als ich aufwachte, mich sehr gut fühlte und zu mir sagte: Mensch, das wird heute ein schöner Tag!“ 

Auch Susanne Ritter schafft Cross-WM-Quali

DLV-Langstreckencoach Detlef Uhlemann empfing seinen Schützling mit breitem Lachen in der Mixzone unweit des Zieleinlaufes: „Ich glaube, das machen wir jetzt immer so!“ und dachte an die vielen aufmunternden Gespräche während der vergangenen zwei Wochen. Und „Mocki“ konterte fröhlich: „Scheinbar brauche ich das wirklich!“ Noch wenige Minuten zuvor bangte Uhlemann um die klasse Ausgangsposition. „Bei den zahlreichen Tempoattacken dachte ich immer wieder: Hoffentlich ist das nicht zu früh. Das kann ins Auge gehen!“ Doch Sabrina Mockenhaupt lief ein cleveres Rennen, stets einen Blick riskierend auf die um Bronze kämpfenden Olivera Jevtic und der überraschend starken 22jährigen Schwedin Johanna Nilsson, die wenige Tage zuvor US-Studentenmeisterin geworden war.

Trotz der Silbermedaille von Sabrina Mockenhaupt reichte es für das DLV-Frauenteam nur zu Rang sieben, da alleine Susanne Ritter als Dreiundzwanzigste im Soll bleiben konnte („Ich wäre gerne besser gelaufen, aber Hauptsache WM-Quali!“).

Absturz im deutschen Männer-Team

Dagegen stürzten die Männer völlig ab. Mit Rang 13 blieben alleine noch die Türkei und Moldawien hinter dem deutschen Quartett. Vor allem der vor zwei Wochen noch überzeugend sein Comeback feiernde Jens Borrmann kam auf Platz 85 und Viertletzter völlig unter die Räder. „Das war mein schlechtestes Rennen bislang! Die Strecke ist selektiv, aber gerade deshalb liegt sie mir. Ich kann mir nur denken, dass ich zwei so harte Rennen nach meiner langen Verletzungspause einfach noch nicht laufen kann!“

Nur neun Sekunden trennten letztlich Sebastian Hallmann, Arne Gabius, Raphael Schäfer und Oliver Mintzlaff, aber die Ränge 47 bis 53 sind schlichtweg zu wenig für eine bessere Teamplatzierung. „Die Leistung ist natürlich völlig unbefriedigend“, gestand Uhlemann sichtlich enttäuscht ein, „aber wen hätte ich nominieren sollen? Andere haben sich in Darmstadt jedenfalls nicht angeboten!“   

Weidlinger einmal mehr an einer Medaille vorbei

Gut eineinhalb Minuten vor den deutschen Vertretern duellierten sich an der Spitze des dicht gestaffelten Männerfeldes Titelverteidiger Sergiy Lebid und der 5000 m-Europameister Alberto Garcia, der diesmal anstelle seines Landsmannes Juan Carlos de la Ossa die Herausforderung übernommen hatte, der sowohl in Edinburgh als auch in Heringsdorf Zweiter geworden war. „Ich wollte Lebid durch ein hohes Tempo im Rennen schlagen, denn er schien müde zu sein. Aber es hat nicht gereicht. Dann muss ich es im nächsten Jahr versuchen!“ gestand der Spanier nach hartem Kampf ein. „Ja, das war eines meiner schwersten Rennen“, gab der sechsfache Europameister Komplimente an die Adresse Garcias. „Aber mein Plan ist letztlich aufgegangen!“

Dagegen muss der Österreicher Günther Weidlinger ein weiteres Jahr auf eine Crossmedaille hoffen, der kampfstarke Hindernismann aus Braunau verpasste als Fünfter einmal mehr die Medaillenränge. Im Vorjahr hatte es Rang vier gegeben, nach einem ähnlich engagiert geführten Rennen. Dagegen gab es für das Austriateam mit Platz zehn ein achtbares Resultat, immerhin 22 Punkte und drei Ränge vor der DLV-Mannschaft.   

Wilfried Raatz