,Sei stolz ein Engländer zu sein’ titelte eine Londoner Zeitung
daraufhin
Als Norris McWhirter an jenem 6. Mai 1954 an der Iffley Road von Oxford das
Ergebnis verkündete, hörten die Zuschauer nur die erste Ziffer: 3.
„Ich bin sicher, dass die 59,4 Sekunden kein Mensch mehr verstehen
konnte. Das Publikum wollte nur die drei hören“, erklärte
McWhirter in einem Interview der BBC. Gut 1000 Zuschauer hatten das kleine, zur
Universität Oxford gehörende Stadion in ein Tollhaus verwandelt. Sie
waren Zeitzeuge geworden von einem der denkwürdigsten und markantesten
Leichtathletik-Weltrekorde aller Zeiten – der Traummeile. Der
Engländer Roger Bannister war die genau 1.609,3 Meter lange Distanz als
erster unter vier Minuten gelaufen: 3:59,4 Minuten wurden gestoppt.
Fast 20 Jahre lang hatte man in der Leichtathletik von der Traummeile
gesprochen – es war nur die Frage wann und wer es als erster schafft.
„Die Vier-Minuten-Meile hatte etwas besonderes, etwas magisches. Es war
ihre Symmetrie“, erklärte Norris McWhirter, der auch einer der
Mitbegründer des Guinness-Buches der Rekorde war. Eine Meile sind knapp
über vier Runden auf der Leichtathletik-Laufbahn. Dazu passten die vier
Minuten perfekt. Das 50-jährige Jubiläum der Traummeile am heutigen
Donnerstag erlebt Norris McWhirter nicht mehr. Er starb vor kurzem an einem
Herzinfarkt auf dem Tennisplatz.
Ein anderer wichtiger Begleiter von Roger Bannister lebt seit gut einem Jahr
nicht mehr: Chris Brasher. Der spätere Olympiasieger über 3000 Meter
Hindernis (1956) und Begründer des London-Marathons war an jenem 6. Mai
der erste Tempomacher. Trotz windigem und regnerischem Wetter hatte sich der
damals 25-jährige Roger Bannister dazu entschlossen, den Weltrekordversuch
zu starten. Denn die Zeit drängte. Besonders der Australier John Landy
schien in der Lage, als Erster die Vier-Minuten-Marke zu durchbrechen. Die
Spannung war so groß, dass Brasher zunächst einen Fehlstart
verursachte. Nach dem zweiten Versuch führte er seinen Freund Bannister
genau nach Plan bis zur 1000-Meter-Marke. Dann übernahm Chris Chataway die
Führungsarbeit für weitere 350 Meter, bevor Bannister zur Traumzeit
stürmte.
Der Leichtathletik-Autor Heinz Vogel schrieb in seinem Band
„Bahnbrecher der Leichtathletik“: „Das schlug nach den
jahrelangen Diskussionen für, wider und um die ,Traummeile’ in aller
Welt wie eine Bombe ein. ,Englischer Sieg über die Welt’ oder ,Sei
stolz, ein Engländer zu sein’ lauteten die Schlagzeilen
führender Londoner Zeitungen. Auf der Tagung der ehrwürdigen Oxford
Union Society wurde ein Antrag eingebracht, die Sitzung für 3:59,4 Minuten
zu unterbrechen, um Bannisters Rekord zu ehren. Der berühmte Schwede
Gunder Hägg, in der Periode zwischen 1942 und 1946 selbst ein großer
Meilenläufer und Inhaber des Weltrekordes mit 4:01,3 bis zu jenem 6. Mai
1954, meinte: ,Ich war überzeugt, dass dieser Brite mit Hirn der erste
sein wird, der eine Zeit unter vier Minuten schafft.’“ Roger
Bannister studierte zu diesem Zeitpunkt Medizin in Oxford und arbeitete
später als Neurologe.
„Diese Traumzeit wartete damals förmlich darauf, gelaufen zu
werden. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und in der Lage, das zu
schaffen“, erklärte Roger Bannister gegenüber der
Nachrichtenagentur AP. „Mein Lauf wurde zu einem Symbol dafür, eine
Herausforderung anzunehmen. Ich sehe diesen Weltrekord gerne als eine Metapher
nicht nur für den Sport sondern für das Leben und seine
Herausforderungen.“
Heute findet in Oxford an der Iffley Road anlässlich des Jubiläums
ein Sportfest statt. Roger Bannister wird als Zuschauer im Mittelpunkt stehen.
Um 18 Uhr, genau zur selben Zeit wie vor 50 Jahren, fällt der Startschuss
zu einem international besetzten Meilenrennen. Die vier Minuten werden heute in
Oxford keine Barriere sein.