Richthofen: Bei Olympia eine Reihe von sensationellen Ergebnissen, aber
auch Totalausfälle - Grundlegende Gedanken über Zahl der
Stützpunkte und Kadergrößen
Der Präsident des Deutschen Sportbundes, Manfred von Richthofen, zieht
im Gespräch mit der dsb-website ein zufriedenes Fazit der Olympischen
Spiele in Athen.
DSB PRESSE: Wie fällt Ihr allgemeines Fazit der Olympischen Spiele
aus, die am Sonntag in Athen zu Ende gegangen sind?
MANFRED VON RICHTHOFEN: “Wie ich es erlebt habe, war Olympia in Athen von
der Atmosphäre her ein wirkliches Erlebnis. Die Organisatoren haben eine
prächtige Verbindung zwischen der Antike und der Neuzeit geschaffen. Athen
ist zudem ein Stadt mit viel Flair, die die Sportler wirklich genießen
konnten. Die Schwarzseher, die im Vorfeld den Sportstätten die Eignung
für Olympische Spiele absprechen wollten, haben völlig falsch
gelegen.
Lediglich in der Zuschauergunst haben diese Spiele nicht die Resonanz von
Sydney und auch Barcelona erreicht. Alle erfahrenen Olympioniken sagen aber,
dass Sydney und Barcelona in der Anteilnahme der Menschen in naher Zukunft kaum
zu übertreffen sein werden. Da waren die Menschen in Athen wohl ein wenig
distanzierter.”
DSB PRESSE: Und aus deutscher Sicht?
RICHTHOFEN: “In der deutschen Mannschaft hatten wir eine Reihe von
sensationellen Ergebnissen, die in dieser Form nicht vorhergesagt wurden, aber
auch deutliche Ausfälle. Als sensationell stufe ich das Abschneiden der
Kanuten ein, mit der überragenden deutschen Athletin Birgit Fischer an der
Spitze, herausragend auch die deutschen Reiter.
Ein gutes bis beachtliches Auftreten können wir den Ruderern, den gut
erholten Schützen sowie den kleinen Teams der Boxer, der Trampolinturner
und der Turner bescheinigen. Wider Erwarten haben sich die Radsportler trotz
der internen Querelen im Vorfeld gut geschlagen, gerade auf der Bahn.
Ein Totalausfall waren dagegen die Segler und Defizite gab es bei
der Leichtathletik, den Fechtern, den Ringern, Gewichthebern und den
Schwimmern.
Wir gehören bei diesen beiden letzteren Sportarten nicht mehr zur
absoluten Weltspitze, wobei die Schwimmer noch besser waren als die
Leichtathletik. Ausnehmen möchte ich die Wasserballer, denn der
fünfte Rang ist beachtlich. Zufrieden bin ich auch mit dem guten
Abschneiden der Spielsportarten, allen voran die Hockey-Damen als
überraschende Olympiasiegerinnen, aber auch die Hockey-Herren, die
Fußballerinnen und die Handballer. Beim Volleyball gibt es gute
Ansätze, aber noch nicht den Durchbruch.”
DSB PRESSE: Rang drei in der Nationen-Wertung war als Ziel genannt
worden. Nun ist es Platz sechs geworden. Wie kam es dazu?
RICHTHOFEN: “Platz drei war eine Zielvorgabe der Fachleute, der sich das
DSB-Präsidium angeschlossen hat, aber es war eben nur eine Zielvorgabe. In
dieser Vorgabe sind eine Reihe von Fehlrechnungen enthalten gewesen. Wir
müssen einfach registrieren, dass die Chinesen schon jetzt stärker
sind als wir es gedacht haben. In Peking wird das noch mehr der Fall sein.
Australien, Japan und Frankreich haben glänzend abgeschnitten. Aus
meiner Sicht müssen wir jetzt erst einmal darauf achten, dass wir die
beste europäische Nation werden.”
DSB PRESSE: Wie geht es jetzt weiter mit dem deutschen Leistungssport in
den Sommersportarten?
RICHTHOFEN: “Zunächst steht die Analyse durch die Fachleute aus dem
hauptamtlichen Bereich Leistungssport an. Dann werden wir eine Menge
Gespräche mit der Politik führen, beim Bund mit dem Innenministerium
und dem Verteidigungsministerium sowie auf der Länderebene mit den
dortigen Sportministern für die Nachwuchsförderung.
Gegebenenfalls werden die Gespräche zu Veränderungen in den
Strukturen und in den Trainingsprozessen führen müssen. Im Grundsatz
heißt das: Brauchen wir soviel Bundesstützpunkte wie bisher und
müssen die Kaderzahlen so groß sein?
In der Leichtathletik muss genauso grundlegend überlegt werden,
denn ein Großteil unserer Olympiamannschaft bestand aus
Leichtathleten.”
Der DSB um seinen Präsident Manfred von Richthofen wird sich
nun auch mit Bundesinnenminister Otto Schily an einen Tisch setzen, um die
weitere Zukunft des Spitzensports zu beraten.
DSB PRESSE: Gibt es darüber hinaus noch weitere strukturelle
Gedanken, die der Sport anstellen sollte?
RICHTHOFEN: “Als Sport müssen wir uns schon Gedanken machen, ob wir
in wichtigen Bereichen nicht mit einer Stimme sprechen müssen,
gegenüber der Politik, gegenüber der Wirtschaft. Ich trete für
einen einzigen Dachverband im Sport ein.”
Quelle: www.dsb.de