Zwei Jahre nach dem überraschenden 1500-m-Sieg bei den
Europameisterschaften von München durch Süreyya Ayhan hat die
Türkei eine zweite Leichtathletik-Heldin: Elvan Abeylegesse. Die
21-jährige, aus Äthiopien stammenden Mittel- und
Langstreckenläuferin brach beim Auftaktmeeting der TDK Golden League in
Bergen am Freitagabend den Weltrekord über 5000 Meter. Nachdem sie in der
zweiten Hälfte des Rennens selbst für das Tempo gesorgt hatte, lief
sie vor einer begeisterten Kulisse von 15.000 Zuschauern im ausverkauften
Fana-Stadion nach 14:24,68 Minuten ins Ziel.
Damit hatte Elvan Abeylegesse den bisherigen Weltrekord von 14:28,09
Minuten, den die Chinesin Jiang Bo 1997 aufgestellt hatte, um fast dreieinhalb
Sekunden verbessert. Neben der Siegprämie eines TDK Golden-League-Events
von 15.000 Dollar erhielt die Türkin für den Weltrekord weitere
50.000 Dollar. Elvan Abeylegesse wurde zur ersten
Leichtathletik-Weltrekordlerin der Türkei.
„Es ist ein tolles Gefühl, die erste Weltrekordlerin meines
Landes zu sein. Vor zwei Wochen bin ich über 1500 Meter 3:58,28 Minuten
gelaufen – danach war ich zuversichtlich, dass ich in Bergen den
Weltrekord über 5.000 Meter brechen kann. Die Tempomacherin wurde zwar
ziemlich schnell müde, aber die Zuschauer haben diese Rolle
übernommen – sie haben mich zum Weltrekord getrieben“,
erklärte Elvan Abeylegesse, die auch mit ihrer 1500-m-Zeit zurzeit die
Jahresweltbestenliste anführt.
Mit ihrem 5000-m-Weltrekord hat Elvan Abeylegesse in Bergen am Freitagabend
eine Legende des Laufsports übertroffen. Fast auf den Tag genau vor 80
Jahren hatte der Serienweltrekordler Paavo Nurmi seine Bestzeit auf 14:28,2
Minuten gesteigert. Die schnellste Frau über 5000 m ist nun also an dem
legendären Finnen vorbeigezogen.
Die 5000-m-Bestleistung von Elvan Abeylegesse war bereits der dritte
Langstrecken-Weltrekord binnen zwei Wochen. In Hengelo und Ostrava hatte zuvor
der Äthiopier Kenenisa Bekele neue Bestzeiten über 5000 und 10.000
Meter aufgestellt. Es gibt aber auch noch andere Parallelen zu Bekele. Beide
sind der gleiche Jahrgang, 1982, beide starteten bei der Cross-WM 1999 für
das äthiopische Juniorenteam, und beide wurden damals in Irland Neunte.
Danach aber trennten sich ihre Wege.
„Ich bekam eine Einladung zu einem Sportfest in Istanbul. Dort hat es
mir so gut gefallen, dass ich mich entschied, in die Türkei auszuwandern.
Die Unterstützung war dort besser. Ich sah in Istanbul bessere
Möglichkeiten, meine Ziele zu erreichen. Und die waren schon immer, eines
Tages einen Weltrekord zu rennen und Olympiasiegerin zu werden“,
erklärte Elvan Abeylegesse, die seit fünf Jahren von Ertan Hatipoglu,
einem früheren bulgarischen Dreispringer, trainiert wird.
Um die türkische Staatsbürgerschaft zu erhalten, heiratete Elvan
Abeylegesse bereits als 18-Jährige. Inzwischen ist die
3000-m-Junioren-Europameisterin von 2001, die fließend Türkisch
spricht, wieder geschieden. Mit den äthiopischen Läuferinnen hat sie
ein freundschaftliches Verhältnis, mit dem Verband ihres früheren
Heimatlandes jedoch ein Problem. „Die Funktionäre erlauben mir nicht
mehr, in Äthiopien zu trainieren“, erzählt die WM-Fünfte
von Paris 2003 über 5000 Meter, die in Addis Abeba sieben Geschwister
hat.
Um Teil zwei ihres großen Ziels zu erreichen, den Olympiasieg, wird
sie aller Voraussicht nach auf das Rennen um den Jackpot der TDK Golden League
verzichten. Bei allen sechs Meetings müsste Elvan Abeylegesse ihre
Disziplin gewinnen, dann könnte sie an der Dollar-Million partizipieren.
„Die Golden League kann ich nächstes Jahr auch noch gewinnen, aber
Olympische Spiele gibt es dann nicht.“ Dennoch startet sie beim zweiten
TDK Golden-League-Meeting in Rom am 2. Juli voraussichtlich über 3.000
Meter.