Zumindest einen Rekord hat Paul Tergat beim London-Marathon gebrochen. Vom
Debüt-„Weltrekord“ seines Landsmannes Ondoro Osoro, der 1998
den Chicago-Marathon in 2:06:54 Stunden gewonnen hatte, war er freilich weit
entfernt. Aber dieses Marathondebüt des Kenianers haben sich die
Organisatoren des London-Marathons etwas kosten lassen. Die Rede ist von einem
Startgeld von 300.000 Dollar. Auch wenn es etwas weniger ist: Paul Tergat
dürfte das höchste Startgeld bekommen haben, das jemals bei einem
Lauf gezahlt worden ist.
Es war dann jedoch nicht der ganz große Tag der Kenianer beim
London-Marathon. Sicherlich lief Paul Tergat mit 2:08:15 Stunden als Zweiter
ein vorzügliches Debüt über die 42,195 km und ließ dabei
eine ganze Reihe von Weltklasseläufern hinter sich. Doch insgeheim
dürfte sich so mancher noch mehr erhofft haben. „Ich habe keine
Ahnung, was ich laufen kann – 2:10, 2:08 oder 2:06 Stunden“, hatte
Paul Tergat vor dem London-Marathon gesagt und hinzugefügt: „Es ist
besser auf die Konkurrenz zu achten als auf die Uhr.“ Am Ende traf er
ziemlich genau die Mitte der drei genannten Zeiten und war damit sehr
zufrieden. „Es war ein großer Tag für mich und eine tolle
Erfahrung“, sagte der 31-jährige Kenianer. „Ich bin schon
jetzt vom Marathon fasziniert.“ Somit dürfte der weltbeste
Läufer über die Halbmarathondistanz (59:06 Minuten) künftig
zweimal im Jahr bei einem der Klassiker starten. „Der WM-Marathon in
Edmonton wird aber auf keinen Fall ein Thema für mich sein“, sagte
Paul Tergat.
Gefragt nach den Erfahrungen, die er in London gesammelt hat, erklärte
Paul Tergat: „Es war ein sehr gutes Feld, und vorher wusste ich nicht,
wie es ist, einen Marathon zu laufen. Es gab sehr viele Tempowechsel, schnell,
langsam, schnell – das macht einen ziemlich fertig.“ Am Ende kam
auch noch ein taktischer Fehler hinzu. „Als El Mouaziz weglief, habe ich
auf António Pinto gewartet. Denn ich dachte, er wird wie im vergangenen
Jahr noch eine Aufholjagd starten. An ihm wollte ich mich dann
orientieren.“ Doch während Tergat umsonst auf den portugiesischen
Vorjahressieger gewartet hatte, erlief sich El Mouaziz einen deutlichen
Vorsprung. Der Marokkaner sah allerdings am Ende ohnehin frischer aus als Paul
Tergat. Die Entscheidung war genau auf jenen letzten Kilometern gefallen, vor
denen der Kenianer mangels Erfahrung Respekt hatte. An seiner Vorbereitung
für einen zweiten Marathon will Paul Tergat jedoch nichts ändern.
„Das Training war richtig. Ich fühlte mich gut, bis auf die letzten
Kilometer.“
Die Konkurrenz erwartet jedenfalls noch große Leistungen von Paul
Tergat auf der Marathonstrecke. „Paul hat die Fähigkeit, ohne
irgendwelche Probleme Weltrekord zu laufen“, sagt Abel Antón, der
zweifache Marathon-Weltmeister aus Spanien, der nach einem achten Rang in
London seine Karriere voraussichtlich beenden wird. Nicht anders sieht das der
Athletenmanager Luis-Felipe Posso, der unter anderen António Pinto
betreut: „Wenn es irgendjemanden gibt, der den Marathon in 2:04 Stunden
laufen kann, dann ist es Paul.“ Die Weltbestzeit hält zurzeit Khalid
Khannouchi (USA/2:05:42).
Während Joyce Chepchumba wie schon in Sydney Dritte wurde, hatte Tegla
Loroupe, die nach wie vor mit 2:20:43 Stunden die Weltbestzeit hält,
wiederum Pech. Bei Olympia machte ihr eine Lebensmittelvergiftung einen Strich
durch die Rechnung, im Vorfeld von London hatte sie eine Erkältung. Und
dann kamen alte Muskelprobleme hinzu. „Ich bekam gleich zu Anfang einen
Krampf. Und bei 10 km wollte ich schon aufhören, denn meine Beine wollten
nicht mehr“, sagte Tegla Loroupe, die selbst überrascht war, dass
sie mit einem enormen Kraftakt später noch einmal die Spitzengruppe
erreichte. „Es war sehr schwer, die ganze Zeit alleine zu laufen. Ich
hatte gut trainiert, aber so etwas kann passieren – das gehört zum
Sport.“