Sie ist geschlagen, die "Schlacht von Wellington". Das Hippodrom von
Ostende, entstanden auf den Anlagen des früheren Fort Wellington, nur
zweihundert Meter von der mondänen Uferpromenade entfernt, hat einerseits
die Dominanz der Afrikaner aus Kenia und Äthiopien bestätigt,
andererseits aber auch den Aufbruch der hellhäutigen Läufer aus
Europa und Übersee in beeindruckender Weise offenbart. Wadentiefer Morast
und orkanartige Stumböen haben das Cross-Country-Festival des
Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF) nachhaltig beeinträchtigt,
wenngleich der neue kenianische Cheftrainer Dan Muchoki die Bedingungen als
gottgegeben und für die Läufer aller Nationen "gleich
schlecht" sieht. Daß die Belgier überhaupt zu diesem Zeitpunkt
Gastgeber des ultimativen Läufervergleichs wurden, das haben sie der in
Groß-Britannien und Irland vorrangig grassierenden Maul- und
Klausenseuche zu "verdanken", weshalb der Irische
Leichtathletik-Verband mit Dublin die Titelkämpfte kurzfristig
zurückgeben mußte. Mit der Minimalvorlaufzeit haben die Belgier
erstaunliches geleistet, wenngleich gerade aber bei unseren westlichen Nachbarn
gerade der Crosslauf eine lange Tradition hat. Schließlich wurden in
Waregem die ersten Cross-Weltmeisterschaften ausgetragen und konnten mit Gaston
Roelants, Karel Lismont, Emiel Puttemans, Eric de Beck und Leon Schots weltweit
anerkannte Vorläufer der Laufszene vorweisen. Daß mit der Umstellung
zur Sommerzeit der Winter in Ostende mit Temperaturen um 2°C
zurückgekehrt ist, dafür konnten die Belgier partout nichts. Eines
jedenfalls ist sicher, aus der Notlage Ostende mit einem eher baufälligen
Tribünentrakt im Hippodrom dürfte 2004 ein rauschendes Cross-Festival
werden, wenn das 32. Weltchampionat in Brüssel ausgetragen wird. Rein
sportlich könnte in Ostende ein neues Zeitalter angebrochen, zumindest
aber ein Signal gesetzt worden sein. Auch wenn Keina und Äthiopien zehn
der zwölf zu vergebenden Weltmeistertitel unter sich aufzuteilen
wußten, schmerzlich sollte der Verlust der beiden prestigeträchtigen
Langstreckentitel schon sein. Mit der Britin Paula Radcliffe und dem zwar aus
Marokko stammenden, jedoch für Belgien laufenden Mohammed Mourhit haben
die Europäer den sieggewohnten Afrikanern schmerzhafte Wunden vor den
Ruinen von Wellington beigefügt. Doch diese beiden Goldmedaillen sind
keineswegs die Ausnahme, denn mit dem Ukrainer Sergiy Lebed, dem US-Junior
Dathan Ritzenhein und den zu Bronze laufenden Rumäninnen (sowie der dritte
Rang der japanischen Juniorinnen) sieht die Erfolgsbilanz der Nichtafrikaner
recht ordentlich aus. Dank der Radcliffe, Mourhit und Co. bleibt ein nicht
gerade geringer Teil der ausgelobten 560.000 US-Dollar nämlich in Europa.
Unter den 69 angetretenen Nationen fehlte erstmals in der Geschichte der
Cross-Weltmeisterschaften der Deutsche Leichtathletik-Verband, was en passent
mit merklicher Verwunderung zur Kenntnis genommen wurde. Es ist kaum
vermittelbar, daß einer der weltweit größten und
leistungsstärksten Fachverbände gänzlich durch Abwesenheit
glänzt. Fast, denn die Ausnahme bildet nämlich die
Funktionärsebene. Mit Otto Klappert als Vorsitzenden der
IAAF-Straßen- und Crosskommission und Ulrike Meyfarth in der Eigenschaft
als Mitglied der Athletenkommission, die übrigens erste Gratulantin bei
der Siegerehrung der Frauen-Langstrecke sein durfte, standen Deutsche in der
ersten Reihe.
Wilfried Raatz