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Olympische Legenden: Hicham El Guerrouj und Kelly Holmes

Die Geburt zweier olympischer Leichtathletik-Legenden dauerte nur rund 20

Minuten. Zunächst gewann Kelly Holmes nach den 800 Metern auch das

1.500-m-Finale, dann fügte Hicham El Guerrouj seinem 1.500-m-Gold noch den

Sieg über 5.000 Meter hinzu. Beide sicherten sich mit diesen

außergewöhnlichen Doppelsiegen ihren besonderen Platz in der

Geschichte der olympischen Leichtathletik. Zugleich sind sie die beiden

einzigen Athleten, die in Athen zwei Einzeldisziplinen gewannen.

Als einer der großen olympischen Pechvögel war der Marokkaner

Hicham El Guerrouj nach Athen gereist. Zurück kehrt er nun mit einem

Medaillen-Doppel, das vor ihm nur ein einziger Läufer bei Olympia

geschafft hatte: Paavo Nurmi. Der legendäre Finne wurde 1924

Doppel-Olympiasieger über 1.500 und 5.000 Meter. Ein anderer Rekord von

Nurmi bleibt dagegen unerreicht. Zwölf olympische Medaillen, darunter neun

goldene, hat noch kein anderer Leichtathlet gewonnen.

„Als ich heute in das Olympiastadion kam, habe ich zu mir selbst

gesprochen und an Paavo Nurmi gedacht. Ich sagte mir, das ist ein großer

Tag für mich. Wenn du das schaffen willst, was Nurmi schaffte, dann mache

es“, erzählte Hicham El Guerrouj. Das lange Zeit verhaltene Tempo

des 5.000-m-Rennens kam Hicham El Guerrouj entgegen. Er hatte sich an die

Fersen des Favoriten Kenenisa Bekele geheftet. Auch das Ziel des

Ähtiopiers war eine olympische Ausnahmeleistung. Bekele wollte als erster

Läufer nach seinem Landsmann Miruts Yifter das olympische Doppel über

5.000 und 10.000 Meter gewinnen. Doch am Ende blieb dem Äthiopier, der die

Weltrekorde über beide Distanzen hält, ,nur’ Silber über

die 5.000 m. Denn nachdem er 200 Meter vor dem Ziel die Führung

übernommen hatte und gegen den Kenianer Eliud Kipchoge kämpfte,

überholte ihn auf den letzten 50 Metern Hicham El Guerrouj.

Der Marokkaner, der nach der zweiten olympischen Enttäuschung im

1.500-m-Finale von Sydney – er wurde im Spurt geschlagen vom Kenianer

Noah Ngeny – derart enttäuscht war, dass er fast seine Karriere

beendet hätte, erklärte nun: „Vor vier Jahren habe ich geweint

wie ein Kind, heute freue ich mich wie ein Kind.“ Das erste

Aufeinandertreffen zwischen Hicham El Guerrouj und Kenenisa Bekele in Athen

könnte im nächsten Jahr seine Fortsetzung finden. Denn der

Marokkaner, der die Weltrekorde über 1.500 Meter, die Meile und 2.000

Meter hält, sucht neue Herausforderungen. „Ich möchte den

5.000-Meter-Weltrekord brechen. Und vielleicht laufe ich bei der WM im

nächsten Jahr über 10.000 Meter gegen Bekele.“

An die Zukunft dachte Kelly Holmes erst einmal nicht. Die Britin hatte genug

damit zu tun, zu begreifen, was in Athen passiert war. Weder bei Olympia noch

bei einer WM oder einer EM hatte die 34-Jährige bisher eine Goldmedaille

gewonnen. Lediglich bei den Commonwealth Games waren ihr zwei 1.500-m-Siege

gelungen. Nun schrieb auch sie ein Stück olympische

Leichtathletik-Geschichte. Die Britin ist die dritte Läuferin, der der

Doppeltriumph über die beiden Mittelstrecken gelang. Tatjana Kazankina

(UdSSR) hatte dies 1976 in Montreal geschafft, Swetlana Masterkowa (Russland)

1996 in Atlanta. Kelly Holmes war ein taktisch perfektes Rennen gelaufen und in

der letzten Runde von Platz acht zum Gold gestürmt.

Aufgrund ihres Alters hat sie ihre allerletzte olympische Chance genutzt.

Wie groß diese Sensation beweisen auch die Quoten der englischen

Buchmacher. Laut BBC standen diese für eine Wette auf einen Doppelsieg von

Holmes bei 100 – 1. „In Worten kann ich nicht ausdrücken, wie

ich mich fühle. Der 800-m-Sieg war wie ein Schock und das heute ist

einfach der komplette Wahnsinn“, sagte Kelly Holmes.

„Sie kann beide Strecken gewinnen, wenn sie es schafft, die

Konzentration zu behalten“, hatte Großbritanniens

Mittelstrecken-Legende Sebastian Coe vor dem Finale prophezeit. Weder er noch

sein großer Rivale Steve Ovett schafften in den 80er Jahren einen

derartigen olympischen Triumph. „Was Kelly hier geleistet hat, ist

phänomenal“, sagte Sebastian Coe.