DIE SITUATION:
Die 5000 Meter der Frauen bieten der Türkei nach den 1500 Metern eine
weitere Chance auf olympisches Gold, an die vor einigen Jahren noch nicht zu
denken war. Elvan Abeylegesse schob sich mit ihrem 5.000-m-Weltrekord beim
Golden-League-Meeting von Bergen (14:24,68 Minuten) in die Favoritenposition.
Die aus Äthiopien stammende Athletin wurde zur ersten türkischen
Leichtathletik-Weltrekordlerin. Ihr Trainer, Ertan Hatipoglu, vergleicht Elvan
Abeylegesse mit einem Auto: “Sie hat gute Reifen und einen prima Motor,
der mindestens 250 PS hat!“ Den 5000-m-Weltrekord könne sie nochmals
unterbieten, kündigt Hatipoglu an: “Ich denke, 14:20 Minuten sind
für sie möglich.“
"5" />Doch vielleicht wagt Berhane Adere einen Doppelstart. Die Weltmeisterin
über 10.000 m hat in den letzten Jahren mehrfach ihre Klasse auch
über 5.000 Meter bewiesen. Auch sie hatte das Potenzial, diesen Weltrekord
zu laufen. Eine weitere starke Äthiopierin ist Tirunesh Dibaba, die bei
der WM in Paris 2003 Weltmeisterin über 5.000 Meter wurde. Bei der
Cross-WM 2004 wurde sie über die Kurzstrecke von 4 km Zweite. Gewonnen hat
diesen Titel in diesem Jahr die vermeintlich stärkste Kenianerin über
die 5.000-m-Strecke: Edith Masai. Auch sie muss man in Athen auf der Rechnung
haben, wenn es um die Goldmedaille geht. Insgesamt spricht vieles dafür,
dass die Äthiopierinnen sehr stark sein werden bei Olympia.
ELVAN ABEYLEGESSE – Mit 17 Jahren in die
Türkei
In die Türkei kam Elvan Abeylegesse bereits als 17-Jährige.
Nachdem sie 1999 bei den Cross-Weltmeisterschaften noch als Juniorin für
Äthiopien gelaufen war und Platz neun belegt hatte, erhielt sie eine
Einladung nach Istanbul zu einem Sportfest. “Es hat mir in der
Türkei sehr gut gefallen. Und ich sah in Istanbul bessere
Möglichkeiten, meine Ziele zu erreichen, denn die Unterstützung war
dort besser. Seit ich mit dem Laufen begann, wollte ich Weltrekordlerin und
Olympiasiegerin werden – und in Athen werde ich gewinnen“,
erklärte Elvan Abeylegesse, die in Addis Abeba sieben Geschwister hat und
deren Vater in einer Papierfabrik arbeitete. Die türkische
Staatsbürgerschaft bekam sie schnell, weil Elvan Abeylegesse heiratete.
Inzwischen ist sie längst wieder geschieden und spricht fließend
Türkisch. Die Läuferin wohnt in einem Ein-Zimmer-Apartment in
Istanbul, das zu einem Sportzentrum gehört.
Ihr Trainer ist ebenfalls kein gebürtiger Türke. Ertan Hatipoglu
kommt aus Bulgarien und war früher Dreispringer. Namhafte Athleten hat er
bisher nicht betreut. Eine 800-m-Läuferin rannte unter ihm einst 2:01
Minuten und ein Sprinter erreichte 10,41 Sekunden über 100 Meter.
Die äthiopischen Funktionäre sind nicht mehr so gut auf Elvan
Abeylegesse zu sprechen, seit sie international erfolgreicher geworden ist.
“Im letzten Winter wollte ich in Äthiopien in der Höhe
trainieren, aber sie haben es mir verboten“, erzählt die zierliche
Läuferin, die nur 40 Kilogramm wiegt und mit 3:58,28 Minuten zurzeit auch
die Jahresweltbestenliste über 1500 Meter anführt. Seitdem absolviert
sie auch das Höhentraining in der Türkei – im Winter teilweise
auf schneebedecktem Boden.