DIE SITUATION
Der Hindernislauf gehört praktisch den Afrikanern, vor allen
natürlich den Kenianern. Bei den letzten fünf Olympischen Spielen
gewann jedes Mal ein Läufer aus Kenia. Diese Herrschaft hat sich auch bei
den Weltmeisterschaften immer wieder bestätigt – aber unter
außerordentlichen Umständen im vorigen Jahr im Stade de France in
Paris.
"5" />Ezekiel Kemboi unterlag Saif Saeed Shaheen (Katar) nach dem
merkwürdigsten Rennen der Weltmeisterschaften. Beide kommen aus Kenia,
Shaheen hatte sich schon unter einem anderen Namen als Topläufer etabliert
und ist der Bruder von des Weltmeisters von 1999, Christopher Kosgei. In diesem
Rätsel liegt eine Geschichte von Stolz und sportlicher Begabung in
gleichen Maßen. Shaheen nahm im vergangenen Jahr die
Staatsbürgerschaft von Katar an.
Wiederholt sich der Krimi in Athen ?
Wiederholt sich die Geschichte des WM-Laufes, so packend wie ein Krimi, in
Athen? Rivalen außerhalb kenianischer Herkunft sind kaum zu finden, nur
der Marokkaner Ali Ezzine, Gewinner der Bronzemedaille in Sydney und WM-Zweiter
ein Jahr danach, könnte vielleicht mitreden. Allerdings war bis zuletzt
noch nicht ganz klar, ob Shaheen aufgrund seines Staatenwechsels die Erlaubnis
bekommt, in Athen starten zu dürfen – diese braucht er aus seinem
früheren Heimatland, Kenia!
KENIAS HINDERNISLÄUFER – LAUFEN WIE IN DER
NATUR
Kenia gewinnt den Hindernislauf, das versteht sich, so denkt man in Kenia.
Die Strecke ist die renommierteste aller Laufdisziplinen für die Kenianer,
mehr sogar als die 1500 Meter oder der Marathon. Es ist Crosslauf mit
Hindernissen und Wassergräben auf der Bahn statt auf dem Lande. Die
kenianischen Läufer, von Kip Keino in den 60er Jahren bis Ezekiel Kemboi
und dem neuen, erst 19-jährigen Talent Brimin Kipruto, fühlen sich
über acht Runden zuhause. Kemboi und Saif Saeed Shaeen, der vor zwei
Jahren als Stephen Cherono seinen Rivalen um den Commonwealth Titel schlug,
sind Musterbeispiele. Aber die Streitigkeiten auf der Bahn wurden mehr von
sportpolitischen Dimensionen überschattet. Cherono fühlte sich vom
kenianischen Verband vernachlässigt. Er suchte ein neues Zuhause für
sein Lauftalent. Andere kenianische Läufer kennen die Problematik. Katar
im Persischen Golf hatte ein ölreiches Budget und wollte sein sportliches
Profil aufbauen. Beide Parteien verstanden sich schnell, und aus Stephen
Cherono wurde der frisch gebackene Saif Saeed Shaheen, zeitlich für die
Weltmeisterschaften sehr günstig.
11 Tage vor Paris hatte Kemboi ein packendes Duell mit Shaheen beim Golden
League-Meeting in Zürich verloren. Im WM-Finale war ein spannendes Element
hinzugefügt : der Bruder von Shaheen, Abraham Cherono, hatte sich auch
qualifiziert und wurde Fünfter. Das Tempo war wahnsinnig: erste Runde in
59 Sekunden, Shaheen lief zusammen mit Mannschaftskamerad Abdullah Saifeldin.
Der ehemalige Kenianer führte durch den ersten Kilometer in 2:36.24
Minuten, einer Zeit, die auf 7:49 und eine Verbesserung des Weltrekordes um
fünf Sekunden gedeutet hatte.
Bei Kilometer zwei hatte Shaheen verlangsamt; ein paar Schritte hinterher
folgte Kemboi. Dann ging es los: jeder wollte dem anderen beweisen, er habe den
stärksten Endspurt. Einmal schnell, einmal langsam, so ging das
merkwürdigste Spiel, das die Zuschauer bei einer Weltmeisterschaft je
gesehen hatten. Erst nach dem letzten Hindernis schaffte es Shaheen, mit
8:04.39 Minuten zu 8:05.11 für Kemboi. Dritter war der Spanier Eliseo
Martin. Die letzte Runde war in blitzschnellen 57.5 Sekunden gelaufen.
Rächt sich Ezekiel Kemboi in Athen?
Rächt sich Ezekiel Kemboi in Athen? Beide sind 22, haben gute Form in
dieser Saison gezeigt, obwohl Shaheen von der Grundschnelligkeit noch den
Vorrang hat. Für Europäer, wie den Niederländer Simon Vroemen,
EM-Zweiter vor zwei Jahren, wäre ein Platz unter den ersten fünf
schon ein Traumergebnis. Versagen hieße für Kemboi oder Shaheen, die
Goldmedaille zu verlieren.