24 Stunden nach dem Marathon-Aus von Paula Radcliffe erfuhren die britischen
Leichtathletik-Fans eine unerwartete Genugtuung: Kelly Holmes gewann
sensationell die Goldmedaille über 800 Meter. Mit 34 Jahren gelang ihr der
größte Triumph ihrer Karriere. In 1:56,38 Minuten gewann Kelly
Holmes mit fünf Hundertstelsekunden vor der Marokkanerin Hasna Benhassi
die Goldmedaille. Bronze ging an Jolanda Ceplak (Slowenien) in 1:56,43 Minuten.
Maria Mutola (Mozambique) verpasste als Vierte in 1:56,51 eine Medaille. Die
Titelverteidigerin hätte als erste 800-m-Läuferin in der Geschichte
der Olympischen Spiele eine zweite Goldmedaille über 800 Meter gewinnen
können.
An fünfter Stelle hatte sich nach dem Start Maria Mutola einsortiert.
Direkt hinter ihr lief Jolanda Ceplak, gefolgt von Kelly Holmes. Eingangs der
letzten Runde schob sich Maria Mutola dann langsam nach vorne und 200 Meter vor
dem Ziel war sie an dritter Position, immer noch mit Kelly Holmes im
Schlepptau. Als es auf die Zielgerade ging, hatte die Titelverteidigerin die
Führung übernommen, doch Kelly Holmes kam langsam immer näher
und zog im Spurt an der großen Favoritin, die zeitweise auch ihre
Trainingspartnerin ist, vorbei. Benhassi und Ceplak kamen noch stark von
hinten, doch sie kamen etwas zu spät für die Goldmedaille.
„Es war ein hartes Rennen für mich, denn ich hatte mir im Juli
eine Muskelverletzung im Oberschenkel zugezogen. Da Kelly und ich zusammen
trainieren, kennt sie meine Schwächen. Aber sie hat diese Goldmedaille
wirklich verdient“, sagte eine faire Verliererin Maria Mutola. „Ich
bin wie um mein Leben gerannt auf der Zielgeraden“, erklärte die
Kelly Holmes, die beste britische Mittelstreckenläuferin aller Zeiten.
„Ich hatte viele Tiefpunkte im Laufe meiner Karriere, aber dieses Rennen
hier gleicht alles aus, was vorher schief lief.“ Bei Olympia hatte Kelly
Holmes zuvor immer Pech: Im Vorfeld von Atlanta litt sie an einem
Ermüdungsbruch und wurde Vierte, vor Sydney hatte sie eine
Muskelverletzung zurückgeworfen. Dort gewann sie immerhin Bronze.
„Es war daher in diesem Jahr mein erstes Ziel, gesund zu bleiben“,
erklärte Kelly Holmes, die mit Margo Jennings den gleichen Trainer hat wie
Maria Mutola.
Auch das zweite Lauf-Finale des Abends brachte eine kleine
Überraschung: Denn eine der großen Favoritinnen über 5000 m,
Elvan Abeylegesse (Türkei), die im Juni in Bergen noch den Weltrekord auf
14:24,68 Minuten geschraubt hatte, spielte als Zwölfte in 15:12,64 Minuten
keine Rolle. Und die Cross-Weltmeisterin Edith Masai (Kenia) gab sogar auf.
Olympiasiegerin wurde die erst 20-jährige Äthiopierin Meseret Defar
in 14:45,65 Minuten. Silber gewann Isabella Ochichi (Kenia) in 14:48,19, und
Bronze ging an Tirunesh Dibaba (Äthiopien/14:51,83).
Nach einer ersten Runde im Jogging-Tempo hatten zunächst die
Chinesinnen Yingjie Sun und Huina Xing für höheres Tempo gesorgt. In
der zweiten Hälfte des Rennens setzten sich dann Abeylegesse, Defar und
später auch Ochichi an die Spitze. Wobei die Türkin bald schon den
Kontakt verlor, während Ochichi auf den letzten 200 Metern gegen Defar
keine Chance hatte. Defar hatte im März bereits den Hallen-WM-Titel
über 3000 Meter gewonnen.
Ein glänzendes Rennen lief Irina Mikitenko (Frankfurt), die auf dem
letzten Kilometer noch von Platz 13 auf Rang sieben nach vorne kam. „Ich
habe mich am Ende prima gefühlt und bin sehr zufrieden, denn die
Vorbereitung war nicht optimal. Ich konnte aufgrund von Eisenmangel ab Ende Mai
sechs Wochen lang nicht trainieren“, erzählte Irina Mikitenko, die
sich ein schönes Geburtstagsgeschenk machte. Sie wurde am Tag des Finals
32 Jahre alt.