Die Berliner Leichtathletik hat ihre beiden erfolgreichsten
Langstreckenläufer verloren. Der 800-m-Olympiasieger Nils Schumann wird
nach einem Jahr bei der LG Nike Berlin in der kommenden Saison wieder für
seinen früheren Verein SV Creaton Grossengottern starten. Und der
3000-m-Hindernis-Europameister Damian Kallabis hat den SCC Berlin in Richtung
VfB Stuttgart verlassen. Für die Berliner Leichtathletik ist das ein
schwerer Schlag, denn die Abgänge könnten sich zukünftig sogar
bei den Fördergeldern für den Verband negativ bemerkbar machen. Die
Höhe der Gelder richten sich nach dem Erfolg.
„Für mich stellte sich die Frage: Wo finde ich das Umfeld, um
wieder eine 100-prozentige Leistung bringen zu können und damit wieder in
der Weltspitze mitlaufen zu können – das konnten mir die Berliner
nicht bieten“, erklärte Nils Schumann. „Grundsätzlich bin
ich nicht jemand, der dauernd den Verein wechselt. Ich möchte meine
Verträge erfüllen. Aber ich glaube jetzt, vor einem Jahr habe ich mit
dem Vereinswechsel eine falsche Entscheidung getroffen“, sagte Schumann,
der damals zwar seinen Wohnsitz wie geplant in Erfurt behielt, seinen
Erfolgstrainer Dieter Hermann jedoch verlor. Das hat ihn offenbar doch weitaus
stärker belastet als bisher bekannt. „Nach dem Olympiasieg ist viel
passiert, es gab ein enormes Medieninteresse und viele Ehrungen. Dann kam auch
noch die Trennung vom Trainer – das war ein Einschnitt, mit dem ich zu
kämpfen hatte.“ Sein Vater Peter übernahm die Betreuung, doch
nach einem erfolgreichen Saisonauftakt gab es aufgrund einer Muskelverletzung
Probleme im Vorfeld der WM. Hermann half in dieser Zeit bereits wieder aus, und
Schumann wurde immerhin noch Fünfter im Finale von Edmonton. „Ich
habe schon damals alles versucht, um Dieter Hermann auch wieder als Heimtrainer
zurückzubekommen. Mein Vater hat das zwar recht gut gemacht, aber Hermann
ist eine Persönlichkeit. Ich würde sagen, auf seinem Gebiet ist er
ein Künstler – und es ist sehr schwer, einen neuen Trainer dieser
Art zu finden.“
In den Wochen nach der WM hat der Olympiasieger sein Ziel erreicht, er wird
wieder von Hermann trainiert. „Wir sind beide glücklich
darüber“, sagt Nils Schumann. Die Rückkehr zum SV Creaton
Grossengottern, so lässt der Olympiasieger durchblicken, ist auch ein
Entgegenkommen gegenüber seinem Trainer. „Der SV Creaton, das ist
sein Werk. Er hat den Sponsor besorgt und die Trainingsgruppe aufgebaut.“
Und mit Nils Schumann kehrt nun auch das Aushängeschild zurück.
„Wenn ich in Grossengottern das Vorbild sein kann, dann bin ich das
gerne.“
Nach der missglückten WM-Saison, ist Nils Schumann im kommenden Jahr
Titelverteidiger: Die Europameisterschaften in München sind der
Saisonhöhepunkt. Doch auch bei der Hallen-EM in Wien möchte er
starten. Hier wurde er 2000 Zweiter. „Ich bin riesig motiviert und denke,
dass ich wieder ein besseres Jahr haben werde. Es hat weh getan, zu merken,
dass ich gegen André Bucher keine Chance hatte. Für mich ist das
jetzt aber auch eine zusätzliche Motivation.“
Angesichts seiner Situation in der vergangenen Saison, ist Nils Schumann mit
seinem fünften Platz im WM-Finale relativ zufrieden. Doch als
Olympiasieger hatte er sich freilich mehr vorgenommen. „Es gibt eben mal
Phasen, in denen funktioniert alles super, und dann gibt es welche, da geht gar
nichts.“
In Karlsruhe Ende Januar plant Schumann seinen ersten Saisonstart.
„Ich habe lange überlegt, mich dann aber gegen Starts bei
Crossläufen entschieden. Wenn ich die Hallen-EM laufe, folgt gleich danach
ein zweiwöchiges Skilager und Ende März bereits wieder ein
Höhentraining in Kenia oder Südafrika. Da passen Cross-Termine nicht
in den Plan.“
Vor vier Jahren war Nils Schumann ein sensationeller Durchbruch gelungen.
Damals wurde er sowohl in der Halle als auch später in Budapest
Europameister. „Es gab auch damals Topläufer über 800 Meter,
und was ich erreicht habe, war eigentlich utopisch. Aber in Europa gab es
inzwischen eine deutliche Leistungsentwicklung.“ Juri Borsakowski,
André Bucher, den Polen Pawel Czapiewski aber auch Wilson Kipketer
zählt Schumann zu seinen schärfsten Kontrahenten im nächsten
Jahr. „Inzwischen stellt sich die Konkurrenz natürlich auf mich ein.
Deswegen werde ich versuchen, mein taktisches Reservoir zu
vergrößern“, erklärt der 23-Järhige, der zudem
darauf vertraut, dass er ein Wettkampftyp ist. „Wenn im Vorfeld alles gut
läuft, dann habe ich immer eine Chance.“
München ist für Nils Schumann „das Topziel“, vom
deutschen Rekord von 1:43,65 Minuten will er nicht mehr so viel sprechen.
„Davon rede ich schon seit zwei Jahren – jetzt will ich nicht mehr
über den Rekord reden sondern ihn laufen.“ Nicht unbedingt gezielt
wird er auf Rekordjagd gehen. Denn klar ist, dass ein derartiges Potenzial
für Schumann sowieso nötig ist, will er sich seine Ziele im EM-Jahr
erfüllen. „Wenn ich bei Meisterschaften gut bin, dann purzeln gute
Zeiten sowieso.“ Nicht nur dahingehend könnte André Bucher
das Vorbild sein. „Er war in Sydney Fünfter – und nun hat er
es ein Jahr später auch geschafft, ganz vorne zu sein“, sagt der
WM-Fünfte Nils Schumann.