Wie erwartet: Männer über 5000 m und im Hindernislauf
deutlich hinter dem internationalen Standard
„Fili“ Ghirmai Erster im Bummelrennen
Führen musste einmal mehr mit dem „Nordlicht“ Steffen Uliczka
von der SG/ TSV Kronshagen ein junger Mann, der sich auf nationalem Terrain
erst einmal Sporen verdienen möchte – letztlich setzten sich aber
mit Filmon Ghirmai und Christian Knoblich die Etablierten durch, die Meister
nämlich der Jahre 2002 bzw. 2003. Verloren hat nicht nur der als
„Mann der Zukunft“ gehandelte talentierte Raphael Schäfer, der
das Tempo resolut nach der Zweidrittel-Distanz an der Spitze hoch gezogen
hatte, aber am Ende nicht die Kraft und das Stehvermögen hatte, um seinen
Coup zu einem glücklichen Ende zu führen.
Verloren hat aber auch die 3000 m-Hindernis-Wettbewerb, der nach den
überragenden Leistungen der Karst, Baumgartl, Ilg, Melzer und Kallabis
seine „Medaillentauglichkeit“ als einer der überragenden
Disziplinen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes verloren hat und im
internationalen Vergleich aktuell keine Rolle mehr spielt.
Mit 8:38,91 lief mit Filmon Ghirmai der Schützling von Isabelle Baumann
zwar als Erster durchs Ziel, Ansprüche auf mehr darf der 25jährige
Neu-Tübinger nach einer reichlich daneben gegangenen Saison nicht mehr
hegen. Vergeblich war der im Augenblick mit dem größten Potenzial
ausgestattete Läufer mit seinen Wurzeln im Läuferland Äthiopien
der Olympianorm von 8:21,00 Minuten hinterher gelaufen. Zuletzt auch bei der
Atletissima in Lausanne. „Ich bin platt nach den vielen Rennen“,
gestand „Fili“ dann auch im Ziel. „Mit dem Titel habe ich
eigentlich aus diesem Grunde nicht mehr, aber wenn die anderen die Chancen
nicht nutzen....!“ Glückliches Ende einer doch bislang eher
bescheiden verlaufenen Saison.
Aber auch der beim Europacup eingesetzte Stephan Hohl konnte die Gelegenheit
zum Titelgewinn nicht ummünzen, der 24jährige Badener landete doch
deutlich abgeschlagen auf Rang sechs. Fast wäre Christian Knoblich ein
ähnlicher Coup gelungen wie im Vorjahr in Ulm. Doch diesmal erwies sich
Filmon Ghirmai als spurtstärker, letztlich auch weil der Fürther in
der Schlussrunde einen zu großen Rückstand auf Schäfer und
Ghirmai hatte, um seine bekannt-gefürchtete Spurtstärke erfolgreich
ausspielen zu können. Auch der lange als verletzt gemeldete Ralf Assmus
hatte in dem erst auf dem Schlusskilometer schnellen Rennen keine Chance, in
den Kampf um den Titel einzugreifen.
Das Positive zuletzt: Mit Filmon Ghirmai (25), Raphael Schäfer (23),
Steffen Preuk (22), Stephan Hohl (24), Norbert Löwa (20) und Steffen
Uliczka (20) liefen gleich sechs junge Läufer unter die besten acht
– für Hindernis-Bundestrainer Dieter Hermann eigentlich eine
glückliche Konstellation, in Kürze doch wieder auf der einstigen
deutschen Paradedisziplin wieder eine maßgebliche Rolle spielen zu
können. Zumal mit dem U 20-Europameister Ruben Schwarz noch ein weiteres
Talent in der Warteschleife steht....
10 000 m-Meister Oliver Dietz auch über 5000 m
vorne
Es bleibt eine wohl bekannte Tatsache: Nur der Sieger hat recht! Und dieser
heißt Oliver Dietz. Der 27jährige aus dem fränkischen Gerbrunn
im Trikot der LG Braunschweig nutzte vor „heimischer“ Kulisse die
Chance und holte sich nach dem 10 000 m-Titel in Borna auch den Titel auf der
5000 m-Strecke – und ist der direkte Nachfolger von Dieter Baumann, der
im Vorjahr seinen Abschied mit dem „Double“ in Ulm (5000 m) und
München (10 000 m) gab. In die Fußstapfen des früheren
Olympiasiegers kann und wird der dunkelhäutige Läufer aus dem
Fränkischen keinesfalls treten können, dazu fehlt ihm zweifellos das
große Talent, das den „Schwabenpfeil“ einstmals in die
Weltspitze katapultierte. „Ich möchte am Saisonende auf drei
Strecken in Deutschland vorne stehen“, umreißt Oliver Dietz
völlig andere Ziele als einstmals ein Dieter Baumann. „Dazu brauche
ich auf der 5000 m-Strecke nur noch ein schnelles Rennen. Über 10 000 m
und im Halbmarathon bin ich bereits vorne, da dürfte auch niemand mehr
schneller laufen können!“
Titel sammelt Oliver Dietz wie weiland Dieter Baumann, allerdings auf einem
klassentieferen Niveau. 13:53,06 Minuten reichen hierzulande zum Sieg, im Jyahr
eins nach Dieter Baumann. Allerdings scheint der Braunschweiger das richtige
Händchen für Rennentscheidungen zu haben. Nach einer 2000
m-Zwischenzeit von 5:49,05 sprengte Michael May das im Bummeltempo
dahintrabende Feld, mit kleiner Verzögerung stellten Alexander Lubina,
Oliver Dietz, der Jahresbeste Thorsten Gombert und Wolfram Müller, der
zuletzt nicht nur als Europacup-Sieger über 3000 m, sondern auch mit der
Unterbietung der 1500 m-Olympianorm mit 3:36,17 nach längerer
Verletzungspause für Aufsehen sorgte, dem Ausreißer
hinterher.
Während in der Schlussrunde Michael May die Kräfte
verließen, schien Oliver Dietz wie schon zuvor in Borna Flügel zu
bekommen. Die Konkurrenten um Wolfram Müller hatten inzwischen schon einen
merklichen Rückstand, der sich als zu groß erwies, um im Titelkampf
noch eine Chance zu haben. „Wer gewinnen will, der muss schon mehr
tun“, rückte Oliver Dietz seine Leistung dann auch zu Recht gerade.
„Für mich lief das Rennen optimal!“
Dagegen ist von einem Klasseläufer wie dies Wolfram Müller
zweifellos ist in punkto Taktik mehr zu erwarten, wenn er in einem
Meisterschaftsrennen, wenngleich auf einer ungewohnten Distanz, am Start ist.
„Es war einfach nicht mein Tag“, kommentierte ein sichtlich
angeschlagener Wolfram Müller seine Leistung, die mit letzter
Kraftanstrengung doch noch zu Rang zwei vor Thorsten Gombert und Alexander
Lubina reichte. „Ich hoffe nur, dass es morgen besser läuft!“
blickt der Neu-Tübinger allerdings schon weiter in Richtung 1500 m-Finale,
das am zweiten Meisterschaftstag anstehen soll.
Wiederum glücklicheres Ende für Sabrina
Mockenhaupt
Die Kleine war einmal mehr die Größte. Eine Ehrenrunde mit vielen
Stopps für Autogramme und Fernsehinterviews unterstreicht den Rummel um
eine Sympathieträgerin, die in der aktuellen Situation beim DLV absolute
Mangelware ist. Sabrina Mockenhaupt schwimmt national auf der Welle des
Erfolgs, international möchte sie dort noch Boden gewinnen. Die Titel
über 3000 m in der Halle, 10 000 m in Borna und nun 5000 m in Braunschweig
sind Beleg für die gewachsene Stärke – nicht mehr und nicht
weniger. Dass international ein anderer Wind weht, das hat das kleine
Energiebündel mit fast ausschließlich Negativerlebnissen mit
großer Deutlichkeit verspüren müssen. Zweimaliger Ausstieg bei
der European 10 000 m-Challenge, Rang zwölf bei den 10 000
m-Europameisterschaften in München, Aufgabe bei den
Weltmeisterschaften...
Der Weg zur internationalen Klasse ist angesichts dieser Misserfolge hart
und steinig. Doch in dieser Saison ist scheinbar alles anders. Mit einer
Weltklassezeit von 31:23 im Rücken, die sie im direkten Umfeld des
US-Trainingscamps in Walnut gelaufen war, geht Sabrina Mockenhaupt im
Olympiajahr gestärkt in die Rennen. Siehe oben. Weil sie letztlich auch
Rennen gewinnen kann, die praktisch schon verloren zu sein scheinen. So in
Borna, so aber auch in Braunschweig.
„Schuld“ daran ist in weitem Maße Irina Mikitenko, die
bislang für die Vorzeige-Platzierungen bei internationalen Highlights
verantwortlich zeichnete. Wie in Borna spielte sie auch in Braunschweig die
„Lokomotive“, immer auf der Spur zu einer schnellen Endzeit.
„Ich kann doch nicht bei einer Meisterschaft mit 16:00 Minuten zum Sieg
laufen wollen“, unterstrich sie ihre Einstellung zum Wettkampf. Wie
selbstverständlich hielt sie das Tempo hoch, selbst als nach fünf
Runden das „Wechselspiel“ mit Sabrina Mockenhaupt an der Spitze
vorbei war („Mir war es einfach zu schnell. Ich konnte nicht
mehr...!“). Runde für Runde führte „Miki“, nur
einen Schritt dahinter „Mocki“. Nach 9:26,21 für 3000 m
drückte die Frankfurterin, die nach Borna mit erheblichem Eisenmangel zu
kämpfen hatte und vor dem Grand-Prix-Rennen in Rom keinen Wettkampf mehr
bestritten hatte, verstärkt auf das Tempo. Der nächste km-Abschnitt
wurde exakt in drei Minuten (12:26,94) zurückgelegt. An der Spitze nach
wie vor Irina Mikitenko, im Windschatten Sabrina Mockenhaupt. Und es wurde noch
schneller.
Wann fällt die Entscheidung? In der Schlussrunde – oder
vielleicht erst auf der Zielgeraden?
In der Tat, eingangs der Zielgeraden, rückte „Mocki“ aus
dem Windschatten heraus, schaltete den Turbo an und attackierte die bislang
unverdrossen führende „Miki“. Zwanzig Meter vor dem Ziel war
es dann soweit, der Wiederstand war gebrochen: Sabrina Mockenhaupt holte sich
wie im Vorjahr den 5000 m-Titel. Das Ergebnis vorzeigewürdig: Nach einem
noch deutlich schnelleren Schlusskilometer in 2:54 hieß die Siegerzeit
15:20,84, Irina zwei Sekunden dahinter.
„Ich habe mir mehr Unterstützung von Sabrina gewünscht.
Unterwegs habe ich sie immer wieder aufgefordert, auch einmal zu führen.
Das finde ich schade, auch wenn es ein Meisterschaftsrennen ist!“ klagte
Irina Mikitenko über die zu defensive Haltung ihrer Konkurrentin, mit der
sie auch nach dem gemeinsamen Höhen-Trainingslager in Flagstaff
verstärkt Programme trainiert. „Durch das Ankämpfen gegen den
starken Wind hat mir am Schluß die Kraft gefehlt!“ Die
Verärgerung kann Sabrina Mockenhaupt nachfühlen. „Mir tut es um
Irina leid, aber ich konnte unterwegs nicht schneller!“
Der Zwist wird jedoch bald schon vergessen sein, wenn beide Anfang der
kommenden Woche zum gemeinsamen Trainingslager nach St. Moritz aufbrechen.
Schließlich wollen beide in bester Verfassung nach Athen...
Für den „Rest“ des Feldes ging es allenfalls um Bronze. Und
diese Medaille holte sich Ulrike Maisch, die sich derzeit schon für den
olympischen Marathonlauf vorbereitet. Zu langsam für das Spitzenduo
Mikitenko/ Mockenhaupt, zu schnell für die weiteren Teilnehmerinnen, so
lief die Rostockerin ihr Rennen – in beachtlichen 15:58,17 Minuten. Mit
der verbesserten Grundschnelligkeit lässt sich auch auf ein wiederum gutes
Abschneiden auf internationalem Terrain hoffen. Dieses Geschick jedenfalls hat
Ulrike Maisch bislang schon zweimal mit Bravour bewiesen, bei der EM in
München und bei der WM in Paris.
Wilfried Raatz