Eines muss man den deutschen Langstrecklern lassen, an spannenden Momenten
ließen sie bei den 10 000 m-Meisterschaften im schmucken
Rudolf-Harbig-Stadion in Borna nicht mangeln. Fast hätte der
fünffache Diskus-Weltmeister Lars Riedel den Läufern mit seinen im
“Rahmenwettbewerb“ erzielten 67,68 m und seinem Sieg gegen den
erneut überzeugenden Thorsten Schmidt (63,40 m) zwar noch die Show
gestohlen. Doch in einem beeindruckenden Temporennen wussten Irina Mikitenko
und Sabrina Mockenhaupt zumindest auch leistungsmäßig zu
überzeugen und liefen beide unter die vom DLV geforderten Olympianorm von
32:10 Minuten. Dank eines starken letzten 1000 m-Abschnitts ist die alte 10 000
m-Meisterin auch die neue, denn Sabrina Mockenhaupt machte innerhalb von nur
einer Runde nicht nur den Fünf-Sekunden-Rückstand wett, sondern lief
auch wie entfesselt zum erneuten Titelgewinn in 31:52,40 Minuten vor Irina
Mikitenko, die zwar im Schlussabschnitt merklich abbaute, aber mit 32:04,86
auch unter der ersehnten Marke blieb. Dagegen blieben die Männer im Jahr
eins nach Dieter Baumann erwartungsgemäß schwach. Der Gerbrunner
Oliver Dietz sprengte in einem langgezogenen Schlussspurt die auf eine
Dreißig-Minuten-Endzeit hinlaufende Spitzengruppe und holte sich in
29:20,92 seine erste deutsche Meisterschaft. Der 26jährige verwies dabei
seinen hartnäckigen Verfolger Michael May (29:25,35) auf Rang zwei,
für Alexander Lubina ist der dritte Rang in 29:27,98 ein erster
Hoffnungsschimmer nach langer Verletzungspause.
“Ich hatte es mir einfacher vorgestellt“, gestand Sabrina
Mockenhaupt nach einem furiosen Finale im 10 000 m-Wettbewerb ein.
“Scheinbar habe ich die 31:23 in Walnut noch nicht so recht weggesteckt.
Deshalb bin ich nur im Windschatten hinter Irina gelaufen. Die Lutscherei ist
eigentlich nicht so mein Ding, aber ich konnte auch nicht schneller!“ Die
Niederlage gegen ihre Konkurrentin Irina Mikitenko vor Augen, schien
Mockenhaupt auf dem Schlusskilometer plötzlich den zweiten Wind zu
bekommen, machte innerhalb von nur einer Runde den Rückstand wett, legte
sogleich mit einem kurzen Antritt einige Meter zwischen sich und der lange Zeit
wie die klare Siegerin wirkenden Frankfurterin und lief mit 31:52,40 zum
zweiten Mal unter die Olympianorm. “Ich hatte das Rennen schon
abgeschrieben“ bekannte auch Sabrinas Trainer Heiner Weber am Rande der
Rundbahn und freute sich nicht minder über den fast schon verlorenen
Meistertitel. “Ich muss eine Erklärung finden, was in den letzten
drei Runden passiert ist“, fragte sich hingegen Irina Mikitenko immer
wieder etwas konsterniert. “Sieben Kilometer lang lief es einfach nur
toll. Am Schluss hatte ich das Gefühl, im Dunkeln zu laufen. Ich habe
nichts mehr gesehen!“ Dennoch überwog letztlich das Gefühl, die
gebotene Chance zur Olympianorm genutzt zu haben. “Die 5000 m habe ich
für Athen abgeschrieben, denn wenn du dort eine Rolle spielen willst,
musst du eine 14:40 laufen!“
Fernab jeglicher Olympiaambitionen bewegen sich derzeit die deutschen
Männer. Wenngleich auch der neue 10 000 m-Meister Oliver Dietz
internationale Ansprüche geltend machen möchte, nach den beim
Paderborner Osterlauf erzielten 1:02:38 ist er allerdings ein sicherer
Anwärter auf einen Startplatz für die Halbmarathon-WM. “Eine
Medaille wäre gut“, sagte sich der Gerbrunner im Trikot der LG
Braunschweig vor dem Rennen und nach dem unerwarteten Titelgewinn ist es
für den 26jährigen natürlich “das
Sahnehäubchen“ einer bislang starken Saison. “Ich hatte schon
etwas Angst vor Michaels Spurtstärke“, gestand Oliver Dietz ein,
“deshalb habe ich auch einen langen Spurt angezogen!“ Mit einem
Kilometerabschnitt in 2:34 war aus dem Bummeltempo plötzlich ein
Expresstempo geworden, das nur Michael May und mit Abstrichen auch Alexander
Lubina (“Der Kick fehlt mir nach der langen Verletzungspause“)
mitgehen konnten.
Auch die Mädchen machten es im 5000 m-Meisterschaftsrennen spannend.
Mit einem guten Finish setzte sich die Hindernisspezialistin Verena Dreier
gegen die beiden erst 17jährigen Susi Lutz und Simone Feld durch.
“Eigentlich wollte ich nur mitlaufen“, gestand Verena Dreier,
“denn mein Hauptaugenmerk gilt der 3000 m-Hindernisstrecke!“ Darin
ist die Siegerländerin derzeit Spitze und darf sich nach den in Kamen
erzielten 10:23,32 nicht nur Hoffnungen auf einen Start bei der JWM machen,
sondern auch im Europacup-Frauenteam. “Deshalb steht für mich das
Ausscheidungsrennen in Zeulenroda im Vordergrund. Wenn es dort auch so
läuft wie heute....!“ Zufrieden nach langer Verletzungspause durfte
auch Eva-Maria Stöwer sein, die sich als Vierte über eine neue
Bestzeit freuen konnte und noch vor der früh ins Hintertreffen geratende
Titelverteidigerin Christina Mohr ins Ziel kam.
Nur im Rahmenprogramm, dennoch aber im Mittelpunkt stand für wenige
Minuten Lars Riedel für die rund vierhundert Zuschauer. Eine Woche nach
dem Saisonauftakt in Wiesbaden packte der Chemnitzer noch einem Meter drauf und
sieht sich mit 67,68 m im Plansoll. “Das gibt Auftrieb“ und meinte
damit das bevorstehende Duell mit dem Weltmeister Virgilius Alekna in Halle.
“Es fehlt zwar noch die Konstanz. Die Wurfkraft ist bereits schon da, nur
muss dazu auch die Technik passen. Noch so eine Steigerung wie von Wiesbaden zu
Borna, dann wäre ich sehr zufrieden“ grinste Lars Riedel vielsagend.
Ein möglicher Nachfolger kündigt sich für den inzwischen
37jährigen im Rostocker Torsten Schmidt an, der diesmal auf 63,40 m kam.
Bei den Frauen hatte Beatrice Faumuina aus Neuseeland in Jana Tucholke keine
ernsthafte Gegnerin im Ring und beließ es bei 62,98 m.
Wilfried Raatz