Tatsachenentscheidung oder gönnerhafte Zugeständnisse: Erst Bak vor
Casiraghi, dann Casiraghi vor Bak und schließlich Bak und Casiraghi!
Swiss Alpine Marathon-Siegerin Maria Bak akzeptiert keine andersartige
Platzierung als die im Wettkampf gemessene Reihenfolge .
Die Entscheidung um den Sieg beim Swiss Alpine Marathon in Davos dauert
inzwischen schon mehrere Tage. Das schwerste Hochgebirgsspektakel über 78
km und einer Höhendifferenz von 2 320 m von Davos über Filisur und
Bergün, der 2 632 m hoch gelegenen Keschhütte, der Überquerung
des Scalettapasses auf 2 606 m und zurück durch das malerische Dischmatal
nach Davos dauerte für die deutsche Ultra-Läuferin Maria Bak 7:00:06
Stunden, für die italienische 100 km-Europameisterin Maria Casiraghi
wurden 7:02:40 gestoppt. Allerdings musste die Italienerin einen unfreiwilligen
Umweg in Kauf nehmen, der ihr in führender Position laufend ein
vermeindlicher Streckenposten nach 37 m eingebrockt hatte. Monica Casiraghi
verlor nach eigener Einschätzung sieben bis acht Minuten, kehrte um und
übernahm am Scalettapass sogar wieder die Führung gegen ihre
Konkurrentin Maria Bak, hatte aber bei deren Schlussangriff vier Kilometer vor
dem Ziel nicht mehr entgegenzusetzen. Ein Schiedsgericht hatte die
Rennentscheidung am Sonntag gekippt und Casiraghi zur Siegerin, die eigentlich
Tagesschnellste Bak als Zweite erklärt.
Maria Bak konnte die Entscheidung des Schiedsgericht nicht nachvollziehen,
schließlich sollte sie plötzlich „die Verliererin des
Rennens“ sein, obgleich sie sich persönlich keiner Schuld bewusst
war. „Ich verschenke keinen Sieg!“ hatte die im fränkischen
Hersbruck lebende, aus Polen stammende deutsche Ultraläuferin mit einer
ansehnlichen Erfolgsskala wie den dreifachen Sieg beim weltbekannten
Comrades-Rennen in Südafrika postwendend an die Adresse des Swiss Alpine
Marathon-Veranstalter geantwortet, der sie per Fax über die Korrektur der
Rangliste in Kenntnis gesetzt und um Verständnis für diese Regelung
gebeten hatte.
Da seitens des Veranstalters kein persönlicher Kontakt zur entthronten
Siegerin des großen Berglaufspektakel Europas gesucht wurde, tat dies
eine sichtlich aufgebrachte Maria Bak mit Wut im Bauch. „Am Dienstag habe
ich Herrn Tuffli endlich erreicht“, schilderte Maria Bak ihre
zunächst vergeblichen Versuche, mit dem SAD-Chef Andrea Tuffli
persönlich zu sprechen. „Es war ein brutales Gespräch, das
damit endete, dass Herr Tuffli den Telefonhörer aufgelegt hat. Ich habe
nur klar gemacht, dass ich mit keiner anderen Lösung einverstanden bin als
der im Rennen ermittelten Rangfolge. Es ist für den Ultralaufsport eine
Tragödie, ein Kabarett zugleich!“
Die Rennleitung des Swiss Alpine Marathon hatte am Mittwoch allerdings dann
die am Sonntag kurzfristig getroffene Entscheidung des Schiedsgerichts
revidiert und „aus sportlichen Überlegungen“, so die
Presse-Information, „unter Beibehaltung der gemessenen Laufzeiten Maria
Bak und Monica Casiraghi gemeinsam auf Platz 1 gesetzt“ und weiter
mitgeteilt, dass beide Läuferinnen das gleiche Preisgeld von 4000
Schweizer Franken erhalten würden. Diese Regelung jedoch sieht Maria Bak
ebenso wenig als akzeptabel an. „Das ist keine faire Verhandlung. Ich
kann und darf dies nicht akzeptieren. Das bin ich allen Läufern
schuldig!“ macht sich Maria Bak zugleich zum Anwalt einer reinen
sportlichen Tatsachentscheidung. Schließlich sei ein
Ultra-Langstreckenrennen, noch dazu eines im Hochgebirge, erheblich schwerer
mit einer 100%igen Absperrung zu versehen. „Das liegt eben in der Natur
derartiger Veranstaltungen. Es kann vorkommen, sollte aber eigentlich
nicht!“
Da sich weder der Deutsche Leichtathletik-Verband noch der Schweizer
Leichtathletik-Verband noch die Dachorganisation Swiss Olympics dieser Thematik
im direkten Vorfeld der Olympischen Spiele annehmen möchte, sieht die um
den Sieg geprellte Swiss Alpine Siegerin als einzigen Ausweg nur noch den
Rechtsweg. „Warum gibt es denn Sportregeln?“ fragt sich Maria Bak
auch noch knapp eine Woche nach dem gewiss hochklassischen Rennen in der
Bergwelt Graubündens.
Wilfried Raatz