Newsarchiv

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Manfred von Richthofen, der scheidende DSB-Präsident, schaut zurück und blickt nach vorn

Rückblick 

Aufgaben in den 90er Jahren                   

Wir mussten den Dopingkampf verschärfen, wir mussten eine Stasiaufarbeitung praktizieren – all dieses waren keine erfreulichen Vorgänge. Aber wenn ich an den Kampf gegen Doping denke, da haben wir die NADA geschaffen (die Nationale Anti Doping Agentur), auch mit nachdrücklicher Unterstützung der Bundesregierung – hauptsächlich durch den persönlichen Einsatz von Bundesinnenminister Otto Schily. Wir haben zwar die Finanzierung bis heute noch nicht endgültig sicher gestellt. Aber diese Einrichtung ist schon richtungweisend, nämlich eine unabhängige Institution zu schaffen, die weder von den Verbänden noch vom Staat Weisungen bekommen kann.

DSB Wachstum durch Breitensport und ältere Menschen       

Der Deutsche Sportbund ist gewachsen von einer mittelgroßen Organisation bis zu einer Organisation von 27 Millionen Menschen. Man kann sagen, es war ein ständiges, ein stetiges Wachstum. Ich glaube, dass die Einbeziehung speziell von älteren Mitbürgern, wie wir es bisher noch nicht erlebt haben, ein deutliches Zeichen der Zeit ist. Denn wir leben mit vielen älteren, fitteren Frauen und Männern. Und auch die wollen betreut werden. Also bis zum heutigen Tag ist man mit der Zeit gegangen und hat Programme entwickelt, um breitensportlich die Menschen zu aktivieren. Von der Trimm-Dich-Aktion bis zu der letzten großen Kampagne „Sport tut Deutschland gut“.


Entwicklung des Sports in Deutschland               

Wir haben ja einen ersten DSB-Präsidenten Willi Daume gehabt, der eigentlich ein Schöngeist war. Aber dennoch wichtige Weichen gestellt hat zu einer modernen Organisation. Er hat natürlich durch die Tatsache, dass er 1972 die Olympischen Spiele nach Deutschland geholt hat, hat er es erreicht, dass der Sport in breite gesellschaftliche Schichten Einzug gehalten hat. Wir haben doch eine Entwicklung einiger Verbände, die doch beachtlich ist.

Wenn ich an Fußball denke, wenn ich an Tennis denke, wenn ich an den Deutschen Turnerbund denke, der gerade im Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssport wichtige Weichen gestellt hat, wenn ich an den Deutschen Schützenbund denke – das sind ja unsere vier großen Verbände – sieht man, dass in ganz unterschiedlichen Bereichen der Sport gewachsen ist, sich neue Aufgaben gestellt hat. Und natürlich auch in dieser Gesellschaft gezeigt hat, dass er wichtige Aufgaben für die Allgemeinheit übernehmen kann.


Wandel zur Professionalisierung              

Wir haben beim DSB mit einer weitgehend ehrenamtlichen Struktur begonnen. In der Zwischenzeit ist das Ganze natürlich professioneller geworden. Wir haben hauptberufliche Bundestrainer  eingestellt, sonst wäre unser Spitzensport gar nicht aufrecht zu erhalten. Wir haben wissenschaftliche Einrichtungen geschaffen, an die man damals gar nicht denken konnte. Wir haben zum Beispiel die Unterstützung der Bundeswehr und der Bundespolizei, früher des Bundesgrenzschutzes erreicht. Das war in der Daume-Ära noch gar kein Thema.

Würden wir diese engen Verbindungen allein im Bereich Leistungssport nicht haben, wäre unser Leistungssport in der Bundesrepublik zweit- und drittklassig. Ungefähr 70 % der deutschen Medaillengewinner bei den Olympischen Winterspielen sind Mitglieder der Bundeswehr oder der Bundespolizei. Daran sehen Sie schon eine Veränderung und natürlich auch eine stärkere Professionalisierung, die eingetreten ist.

Das gilt im Bereich der Unterstützung der Ehrenamtlichen durch Hauptberufliche, aber auch eine deutliche Professionalisierung im Spitzensport. Und es geht hin, wenn Sie jetzt an die aktuellen Themen der Seniorenbetreuung denken, auch die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger, die zu uns kommen, wollen erstklassig von Fachleuten betreut und trainiert werden. All dieses ist sehr viel professioneller geworden.


Aktuelle Themen


Föderalismus behindert                  

Es uns ist sicher in der Straffung des Spitzensports nicht alles gelungen. Das hängt teilweise auch mit der föderalistischen Struktur zusammen. Wenn ich zum Beispiel einen Stützpunkt streiche, dann habe ich sofort den entsprechenden Widerspruch der regionalen politischen Kräfte und teilweise auch der Bundestagsabgeordneten, die dort ihren Wahlkreis haben, die alles unternehmen, um diese Einrichtung zu erhalten, selbst wenn sie völlig überflüssig ist.


Kampf gegen Doping                      

Ich meine, dass wir zu einer Zeit als andere europäische Staaten, die Notwendigkeit noch gar nicht sahen, haben wir ja diese Einrichtung der Kontrollen schon sehr professionell betrieben. Wir haben es zunächst beim Deutschen Sportbund angesiedelt gehabt, haben dann erleben müssen, dass der Versuch unternommen wurde, von Seiten des einen oder anderen Verbandes Einfluß auf unangenehme Vorgänge.

Deshalb unsere Überlegung: man muss eine unabhängige Institution schaffen. Allerdings eine unabhängige Institution von Seiten des Sports aber auch von Seiten des Staates. Denn auch da wollten wir diesen Einfluss nicht haben, denn wir betreiben ja auch keinen Staatssport. Nun haben wir die NADA, ich halte diese Einrichtung für gut und wichtig. Sie ist leider bis zur Stunde finanziell nicht so abgesichert, wie ich mir das wünsche.

Das schreibe ich auf die Negativliste meiner Bilanz.  Hier haben Bundesinnenminister Schily und ich seinerzeit alle Unternehmungen angesprochen, um eine nachdrückliche gebeten. Aber das ist uns nicht so gelungen, wie wir uns das wünschten.


Verhältnis Sport und Politik                  

In dem Verhältnis Sport und Politik ist, glaube ich, in meiner Amtszeit eine ganze Menge geschehen. Wir haben ein Büro eingerichtet am Sitz der Bundesregierung, zunächst bei der Bundesregierung unter Helmut Kohl in Bonn und wir haben jetzt in Berlin ein Hauptstadtbüro. Und Aufgaben dieser Büros waren die ständige Kontaktnahme zu den politischen Gremien. Das erfordert sehr viel Arbeit, sehr viel Fingerspitzengefühl und hauptsächlich, worauf ich Wert lege, eine überparteiliche Arbeit.

Also, das Gefährlichste ist, wenn man sich in eine parteipolitische Ecke begibt. Ich glaube, ich habe bei den Forderungen, die ich für den Sport gestellt habe, nie Rücksicht genommen bei den Gesprächen, welcher politischen Richtung ich angehöre. Ich musste alle Richtungen manchmal rütteln und auch mal loben.


Zukunftsthemen

Senioren und Schulsport werden wichtiger              

Der ganze Seniorensport wird ein hochaktuelles Thema. Erfreulicherweise strömen ja viele ältere Frauen und Männer in unsere Vereine. Die Seniorenabteilungen, hauptsächlich in den städtischen Regionen, nehmen deutlich zu. Sie wollen richtig betreut werden. Das muss gut organisiert sein. Das wird ein Problem, das auf uns zukommt.

Im Bereich des Schulsports stehen wir vor einer drastischen Veränderung, wenn ich an die Ganztagsbetreuung denke. Ich meine, eine Riesenchance für unsere Vereine, in den Nachmittagsstunden in die Schulen gehen zu können, um auch den Schülerinnen und Schülern, die bisher noch nicht an einer Sportart Spaß gefunden haben, nun auch neue Sportarten, nicht nur die klassischen Schulsportarten zu präsentieren. Das sind wichtige Bereiche.


Zukunftsthema Finanzierung des Sports           

Ein bedeutendes Thema wird natürlich immer die Finanzierung des Sports sein. Gerade in einer Situation, in der die Bundesrepublik Deutschland finanziell nicht auf Rosen gebettet ist. Wir müssen also damit rechne, dass in absehbarer Zeit die eine oder andere Einsparung gefordert wird. Oder noch weitere Einsparungen gefordert werden. Da muss man sehr aufpassen.

Man muss also den Wert des Spitzensports stets zeitgemäß artikulieren gegenüber den politischen Kräften. Man muss sehen, dass die Wirtschaft mitmacht. Das geschieht teilweise in großzügiger Form durch unser Sozialwerk, die Deutsche Sporthilfe. Aber es sind noch viele andere Aktionen im Bereich des Spitzensports notwendig, wo wir finanzielle Unterstützung brauchen. Also das wird ein ganz wichtiger Punkt sein.


Persönliches


Manfred von Richthofen: Freude bei Arbeit als Präsident       

Es muss weitgehend Freude gewesen sein, sonst hätte man das ja nicht so lange machen können und sich entsprechend zwei Wiederwahlen gestellt. Es ist ein fast täglicher Umgang mit der Politik nötig und mit den verschiedenen Institutionen des Parlaments. Es ist ein ständiger Umgang mit den für uns wichtigen Ministerien, an der Spitze das Innenministerium.

All dieses beansprucht schon die ganze Frau oder den ganzen Mann. Unabhängig von den Präsidiumssitzungen, von den Ausschusssitzungen, dazu verschiedene Gremien – es gab viel zu viel Gremien. Hätte man nicht weitgehend Freude gehabt, dann hätte man längst den Büttel hingeschmissen.


Persönliche Vorhaben nach 12 Jahren im Amt           

Sicher hat man sich im Laufe der Jahre an diesen strammen Rhythmus gewöhnt, den man als Präsident des Deutschen Sportbundes nun mal anwenden muss. Ich glaube, dass man sich jetzt auf einige andere Dinge stärker konzentrieren kann. Ich werde in einigen Aufsichts- und Beiräten in der Wirtschaft bleiben. Und ich werde natürlich auch einigen Hobbies nachgehen. Ich werde auch ein paar Reisen nachholen, zu denen ich nicht gekommen bin, weil dieser Job eine Belastung im ganzen Jahr war. „Belastung“ möchte ich aber in Anführungszeichen stellen, denn es war überwiegend Freude.


Weiterhin Verbindung zum Sport              

Ich habe einige Rückenprobleme, deshalb werde ich verstärkt Gymnastik betreiben. Und ich  fahre intensiv Rad, das bekommt mir sehr gut. Das bekommt mir besser als Laufen als Ausgleich – dazu kann ich nur raten, es ist nämlich gelenkschonend.

Und ich werde mit Sicherheit mit dem einen oder anderen Verband, der meinen Rat auch weiterhin haben möchten, in enger Verbindung bleiben. So bleibe ich natürlich auch im Kuratorium des Deutschen Hockeybundes, wo ich herkomme.

Darauf freue ich mich, auch weil die Hockeyspieler eine Weltmeisterschaft im Herbst in Deutschland austragen.

Quelle:

www.dsb.de