Der hochklassigste Marathon aller Zeiten endete in London mit einer
Weltbestzeit bei den Männern und dem zweitschnellsten je gelaufenen Rennen
bei den Frauen. Im Feld der 33.291 Starter beim London-Marathon, der in der
Spitze so gut besetzt war wie kein anderes Rennen zuvor, siegte der aus Marokko
stammende US-Amerikaner Khalid Khannouchi in der neuen Weltbestzeit von 2:05:38
Stunden. Damit verbesserte der 30-jährige Khannouchi seine eigene
Bestmarke, die er 1999 in Chicago aufgestellt hatte, um fünf Sekunden. Gut
280.000 Euro verdiente er sich in London. Nur zehn Sekunden später war
Paul Tergat (Kenia) mit der drittbesten je erzielten Zeit im Ziel am Buckingham
Palast. Haile Gebrselassie gelang zwar mit glänzenden 2:06:35 Stunden das
schnellste Debüt in der Marathongeschichte, doch trotzdem reichte diese
Leistung an diesem außergewöhnlichen Marathontag nur zu Platz drei.
Gebrselassie blieben immerhin neben dem Rekord-Antrittsgeld von angeblich etwa
400.000 Euro rund 110.000 Euro an Prämien.
Um ein Haar wäre das Rennen in London sogar als erster Marathon in die
Geschichte eingegangen, bei dem beide Weltrekorde gefallen wären. Denn die
Britin Paula Radcliffe rannte, angetrieben von einem begeisterten
Millionenpublikum am Streckenrand, ein famoses Debüt. Mit 2:18:56 Stunden
verpasste sie in einem Sololauf die Bestmarke lediglich um neun Sekunden. Nie
zuvor hatte es bei einem Marathon eine derartige Qualität bei den beiden
Siegzeiten gegeben. Das in dieser Hinsicht bislang beste Rennen war der
Berlin-Marathon 1999. Damals siegten die Kenianer Josephat Kiprono und Tegla
Loroupe in 2:06:44 beziehungsweise 2:20:43 Stunden, dem damaligen
Weltrekord.
„62 Minuten für den Halbmarathon, das ist nicht so
schnell“, hatte Haile Gebrselassie vor seinem Debüt über die
klassischen 42,195 km gesagt. Zunächst forderte er einen Tempomacher
für genau diese Zeit. Dann gelang es offenbar seinem Manager Jos Hermens,
ihn etwas zu stoppen. 62:30 waren geplant, doch schließlich wagte Haile
Gebrselassie keinen Alleingang. Die Führungsgruppe jedoch war trotzdem
enorm schnell unterwegs. Nach einer 10-km-Zwischenzeit von 29:37 Minuten,
überquerte eine 15-köpfige Spitzengruppe die Tower Bridge. Kurz
darauf war der Halbmarathon-Punkt nach 62:47 Minuten erreicht. Und die Gruppe,
in der beispielsweise auch der Brite Mark Steinle rannte, der bei dem schnellen
Tempo unterwegs mit 47:50 Minuten eine persönliche Bestzeit über 10
Meilen aufstellte, verkleinerte sich allmählich. Bei 25 km (1:14:10) waren
noch sieben Läufer an der Spitze, und der Vorjahressieger Abdelkader El
Mouaziz (Marokko) sorgte in dieser Phase des Rennens für das Tempo. Bald
darauf schaute er sich jedoch hilfesuchend um, und Haile Gebrselassie
übernahm zeitweilig die Spitze.
Kurz nach Kilometer 30 (1:29:01) war eine erste Vorentscheidung gefallen:
Das Rennen um den Sieg machten nun drei Weltrekordler unter sich aus. Haile
Gebrselassie (10.000 m), Paul Tergat (Halbmarathon) und Khalid Khannouchi
(Marathon) rannten an der Spitze, während El Mouaziz als Vierter bereits
deutlich zurücklag und nicht mehr nach vorne kommen sollte.
„Ich glaube, wenn man die erste Hälfte schnell rennt, kann man es
bis zum Ende durchhalten“, hatte Haile Gebrselassie vor seinem Debüt
gesagt. Das hat er fast geschafft. Doch drei Kilometer vor dem Ziel lösten
sich Khannouchi und Tergat von dem Äthiopier, nachdem der Amerikaner das
Tempo forciert hatte. „Ich habe mich bis zwei Meilen vor dem Ziel recht
gut gefühlt. Ich wollte dann sprinten, aber es ging nicht mehr“,
erklärte Haile Gebrselassie, der in der linken Wade Muskelprobleme bekam
und deswegen nicht mehr nachsetzen konnte. „Ich werde weiterhin Marathon
laufen, aber auch weiterhin die 10.000 m.“
„In der letzten Phase des Rennens wusste ich, dass die Erfahrung den
Ausschlag geben wird. Da hat mir Khalid noch einiges voraus. Zwei Meilen vor
dem Ziel war mir klar, dass jetzt gleich etwas passieren würde“,
sagte Paul Tergat. Zunächst konnte er dem Antritt von Khannouchi noch
folgen, doch am Big Ben, knapp eine Meile vor dem Ziel, war auch der Tergat
geschlagen.
Obwohl Kenias Läuferstar bei seinem dritten Marathon zum dritten Mal
Zweiter wurde und weiter auf seinen ersten Sieg wartet, feierte er mit seinen
2:05:48 Stunden einen großen Erfolg. Und dieses Mal kam er deutlich vor
seinem großen Rivalen Haile Gebrselassie ins Ziel. Bei jeweils zwei
olympischen und zwei WM-Endläufen hatte der Äthiopier über
10.000 m vor dem Kenianer triumphiert. „Obwohl ich Zweiter bin, bin ich
sehr zufrieden mit meiner Zeit“, sagte Paul Tergat, der im dritten
Marathon mit einer Steigerung um rund zweieinhalb Minuten bewies, dass er auch
über die klassische Distanz zu den Besten gehört. Mit vier
Läufern unter 2:07 Stunden sowie fünf weiteren unter 2:10 hat der
London auch in der Breite der Spitze erstklassige Resultate produziert.
Die etwa 3,5 Millionen Euro, die der frühere Weltklasseläufer
David Bedford in London für die Eliteläufer investieren kann, haben
sich in diesem Jahr bezahlt gemacht. Das gilt natürlich auch aufgrund des
hervorragenden Frauenrennens, in dem vier Läuferinnen unter 2:23 Stunden
liefen. Paula Radcliffe ist erst die dritte Läuferin, die unter 2:20
Stunden blieb und die erste, der das bei einem Debüt gelang. In Berlin
hatte die Olympiasiegerin Naoko Takahashi im vergangenen September als erste
Frau diese Marathon-Schallmauer unterboten. Die Japanerin lief 2:19:46 Stunden,
doch nur eine Woche später verbesserte die Kenianerin Catherine Ndereba
die Bestzeit in Chicago auf 2:18:47 Stunden.
Nur auf den ersten 12 Kilometern war Paula Radcliffe noch von
Konkurrentinnen umgeben. Nach einer 10-km-Zischenzeit von 33:56 (der Abschnitt
zwischen Kilometer 5 und 10 war mit 17:19 Minuten der mit Abstand langsamste
von Radcliffe im gesamten Rennen!) löste sie sich etwas bei Kilometer 12
mit den beiden Tempomacherinnen Maria Guida (Italien) und Iness Chenonge
(Kenia). Die Italienerin stieg bald danach aus, die Kenianerin schaffte es bis
etwa Kilometer 20 (1:07:30 Stunden), Radcliffe zu unterstützen. Von dort
an lief die Britin ein einsames Rennen mit einer zweiten Hälfte von 67:52
Minuten. In der Verfolgergruppe bemühte sich besonders die Japanerin Reiko
Tosa um das Tempo, doch ihr blieb am Ende nur Rang vier in aber erstklassigen
2:22:46 Stunden. Von ihrer Arbeit profitierten besonders die beiden Russinnen
Swetlana Zacharowa (2:22:31) und Ludmila Petrowa (2:22:33).
Ergebnisse, Männer: 1. Khannouchi (USA) 2:05:38, 2. Tergat (KEN)
2:05:48, 3. Gebrselassie (ETH) 2:06:35, 4. El Mouaziz (MOR) 2:06:52, 5. Syster
(RSA) 2:07:06, 6. Baldini (ITA) 2:07:29, 7. Pinto (POR) 2:09:10, 8. Steinle
(GBR) 2:09:17, 9. Jifar (ETH) 2:09:50, 10. El Hattab (MOR) 2:11:50, 11.
Buchleitner (AUT) 2:14:11, 12. Ghanmouni (MOR) 2:15:29, 13. Kiplagat (KEN)
2:15:59, 14. Burns (GBR) 2:17:36, 15. Robinson (GBR) 2:17:51, 16. Kimtai (KEN)
2:18:13, 17. Wetheridge (GBR) 2:19:41, 18. Hoiom (GBR) 2:20:36, 32. K.
Taniguchi (JPN) 2:24:07, 34. Ogata (JPN) 2:25:03, 50. Tola (ETH) 2:29:22.
Frauen: 1. Radcliffe (GBR) 2:18:56, 2. Zakarowa (RUS) 2:22:31, 3. Petrowa
(RUS) 2:22:33, 4. Tosa (JPN) 2:22:46, 5. Chepkemei (KEN) 2:23:19, 6. Chepchumba
(KEN) 2:26:53, 7. Skwortsowa (RUS) 2:27:04, 8. Semenowa (RUS) 2:27:45, 9. Tulu
(ETH) 2:28:37, 10. Gemechu (ETH) 2:28:58, 11. Safarowa (RUS) 2:29:20, 12. Lodge
(GBR) 2:38:25, 13. Willix (SWE) 2:40:24, 14. Jenkins (GBR) 2:44:32, 15.
Fletcher (GBR) 2:44:42, 16. Dixon (GBR) 2:45:05, 17. Pickvance (GBR) 2:45:34,
18. Wolfrom (OSC Berlin) 2:46:58.