Die Rumänin Lidia Simon hat zum ersten Mal bei einer großen
internationalen Meisterschaft die Goldmedaille gewonnen. Wieder hatte sie am
Ende eine Japanerin als Gegnerin. Bei Olympia gegen Naoko Takahashi verloren,
setzte sie sich dieses Mal gegen Reiko Tosa durch und siegte in 2:26:01 Stunden
mit fünf Sekunden Vorsprung. "Ich habe immer an Sydney gedacht",
sagte Lidia Simon nach dem gewonnen Rennen. Hinter der drittplatzierten Russin
Swetlana Sacharowa (2:26:18) und der erst 22-jährigen Japanerin Yoko
Shibui (2:26:33) kam bereits Sonja Oberem (Bayer Leverkusen) als Fünfte in
2:28:17 ins Ziel. Das ist ein großer Erfolg für die 28-Jährige,
die in diesem Jahr den Hamburg-Marathon gewonnen hatte. Weltmeisterschaften
scheinen ihr Wettbewerb zu sein. 1995 bei ihrer internationalen
Meisterschaftspremiere in Göteborg bereits Achte, belegte sie 1997 in
Athen Platz sieben und wurde in Sevilla 1999 Sechste.
In ihrem zweiten Marathonlauf kam Melanie Kraus (Bayer Leverkusen) in
2:34:51 Stunden auf Platz 23, während die dritte deutsche Starterin,
Kathrin Weßel (SCC Berlin), vor Kilometer 30 offenbar entkräftet das
Rennen aufgab. Bei anfänglich angenehmen Temperaturen um 15 Grad waren 58
Läuferinnen im Commonwealth-Stadion an den Start gegangen, von denen
schließlich 52 das Ziel erreichten. Sie liefen jedoch bald in hohe
Temperaturen, die am Ende in der Sonne um die 30 Grad betragen haben
werden.
Schon kurz nach dem Start versuchte es die Rumänin Constantina Dita mit
einem Alleingang. Während sie die 5-km-Marke in sehr schnellen 17:07
Minuten erreicht hatte, hatte das Feld, angeführt zu diesem Zeitpunkt auch
noch von Kathrin Weßel, bereits 52 Sekunden Rückstand. Der Vorsprung
der 31-jährigen Rumänin, die im Marathon aber nur eine Bestzeit von
2:33:30 Stunden aufwies, wuchs. Den 10-km-Punkt hatte sie nach einer weiteren
Tempoverschärfung mit 1:20 Minuten Vorsprung in 33:54 Minuten erreicht.
Damit lag sie auf einer Zielzeit um 2:23 Stunden - ein Tempo, das angesichts
ihrer Bestzeit, der steigenden Temperaturen und der welligen Strecke zu hoch
war.
Die drei deutschen Läuferinnen hielten sich zu diesem Zeitpunkt in der
großen Verfolgergruppe, die sich aus 27 Läuferinnen zusammensetzte.
Bei 20 km (1:08:27) hatte Dita ihren Vorsprung sogar auf 1:55 Minuten
ausgebaut, doch danach begann er zu schrumpfen. "Ich habe mir aber keine
Sorgen gemacht, dass wir sie nicht mehr einholen könnten", sagte
Lidia Simon später und fügte hinzu: "Das war in Sydney auch so -
damals ist Marleen Renders alleine losgelaufen." Bei 20 km hatte sich die
Verfolgergruppe auf 15 Läuferinnen reduziert. Auch Kathrin Weßel und
Melanie Kraus hatten nun den Anschluss verloren. "Ungefähr bei der
Hälfte bekam ich Seitenstechen - vielleicht war das Wasser zu kalt, das
ich getrunken hatte. Ab 25 km musste ich dann alleine laufen",
erklärte Melanie Kraus, die im vergangenen Jahr in Berlin ihr
Marathondebüt in 2:27:58 Stunden gelaufen war. "Ich glaube, sie hat
noch eine sehr gute Zukunft im Marathon", sagte Trainer Paul-Heinz
Wellmann.
Sonja Oberem war es dann, die in der bei 30 km (1:45:08) nur noch
neunköpfigen Verfolgergruppe das Tempo bestimmte. Dita hatte zu diesem
Zeitpunkt nur noch 40 Sekunden Vorsprung. Zurückgefallen waren unter
anderen Marleen Renders (Belgien) und die Olympiasiegerin von 1996, Fatuma Roba
(Äthiopien). Gute zwei Kilometer später war Constantina Dita ein- und
überholt, und Reiko Tosa, die im vergangenen Jahr zweite Plätze in
Nagoya und Tokio belegt hatte, übernahm die Initiative. Ihrem Antritt
konnten nur Yoko Shibui, Lidia Simon und Swetlana Sacharowa folgen. Bei 35 km
(2:02:06) hatte Sonja Oberem einen Rückstand von elf Sekunden. Der Abstand
zur Spitze nahm ständig zu, doch die Leverkusenerin erreichte mit Rang
fünf ihre beste Platzierung bei einer internationalen Meisterschaft.
"Nach der Starterliste stand ich mit meiner Zeit an achter Stelle, jetzt
bin ich Fünfte. Was eine Medaille angeht, habe ich mich nicht so sehr
unter Druck gesetzt. Wenn man das macht, kann es auch schnell gehen, dass dann
gar nichts mehr läuft", meinte Sonja Oberem, die ihre Tempoarbeit
nicht als Fehler ansah. "Das war nicht entscheidend. Hinten hat es einfach
nicht gereicht." In der Tat war der Abstand zu den Medaillen am Ende noch
recht groß.
An der Spitze war zunächst Sacharowa und dann auch Shibui
zurückgefallen, wobei die Russin noch einmal an die Japanerin herankam und
sie nach 40 km überholte. Erst im Bereich des Stadions fiel dann die
Entscheidung zu Gunsten von Lidia Simon. "Es war ein großer Fight.
Ich sah, dass Tosa stark ist. Ich konnte nicht eher weglaufen, deswegen habe
ich bis 500 Meter vor dem Ziel gewartet", erklärte Lidia Simon, die
bei der WM zuletzt zweimal Bronze gewonnen hatte. Als sie ins Stadion kam hatte
sie fünf Meter Vorsprung vor der Japanerin, die aber gegen den Spurt der
Rumänin keine Chance mehr hatte. "Das Tempo war mir lange Zeit zu
langsam. Als ich mit Simon alleine war, habe ich mit vielen langen Sprints
versucht, sie müde zu machen - aber das ist mir nicht gelungen",
meinte Reiko Tosa.
Mit Lidia Simon hat eine der konstantesten und besten
Marathonläuferinnen der letzten Jahre ihren ersten großen Titel
gewonnen. Der Frauen-Marathon war allerdings im Vergleich zu dem
Männer-Wettbewerb nicht so stark besetzt. Und das Spektakel, das es bei
den Männern gab, weil das Rennen abends stattfand, blieb aus. Vielleicht
sollte man überlegen, auch den Frauen-Marathon abends zu starten und mehr
in den Mittelpunkt zu rücken.
Über 800 m behauptete sich Maria Mutola (Mosambique) in 1:57,17 Minuten
nur hauchdünn vor der Österreicherin Stephanie Graf. Erst auf den
letzten Metern kam Mutola an Graf noch vorbei und hatte dann nur drei
Hundertstelsekunden Vorsprung. "Ich habe den Spurt etwas spät
angezogen, aber es hat noch gereicht", sagte Olympiasiegerin Mutola.
Währenddessen wurde Hicham El Guerrouj zum dritten Mal in Folge
Weltmeister über 1500 m. In einem langen Spurt ließ er dem derzeit
stärksten kenianischen Läufer, Bernard Lagat, keine Chance. Zuvor
hatte sein Landsmann Adil Kaouch sich für El Guerrouj geopfert und
für ihn bis zur 800-m-Marke Tempo gemacht. Dadurch gab es kein reines
Spurtrennen am Ende. "Es war heute ein leichtes Rennen für
mich", sagte Hicham El Guerrouj, dem der Kenianer Noah Ngeny im
vergangenen Jahr bei Olympia die schlimmste Niederlage seines Lebens bereitet
hatte. Ngeny hatte den Marokkaner im Spurt geschlagen. Der Kenianer war in
Edmonton jedoch nicht am Start. "Ich habe kein Problem damit, dass die
Marokkaner hier Teamwork gemacht haben", sagte Bernard Lagat.