Wir veröffentlichen im folgenden den Nachruf auf Fred Behrnsen von
Thomas Völzke, dem Vorsitzenden der Leichtathletikabteilung der
Neuköllner Sportfreunde (NSF).
Fred Behrnsen gehörte praktisch jahrzehntelang zum Urgestein der Berliner
Leichathletikszene (West) – wo Leichtathletik „passierte“, da
stand auch Fred Behrnsen mit seiner erfolgreichen Truppe von NSF.
Von den 100 Jahren des Berliner Leichtathletik-Verbandes war er fast bei der
Hälfte dabei - im kleineren und größeren Rahmen.
Mit seinem Tod geht wieder eine Trainer-Ära zu Ende mit einem bekannten
Namen, der zusammen in einem Atemzug mit den Berliner Trainerlegenden wie
Ernstl Weber (PSV), Hermann Schlöske (SC Brandenburg) oder Arthur Lemcke
(SCC) genannt werden muß. Diese Namen bestimmten jahrzehntelang die
Läuferszene im lokalen, nationalen, als auch internationalen Rahmen.
Es waren alles meist eigenwillige und auf ihr Ziel – nämlich
Leistung und Einsatz zu bringen - ausgerichtete Männer, die auch für
ihre Athleten durchs Feuer gingen – ohne auf die „Uhr zu
sehen“ – auf die Stoppuhr dafür aber schon sehr viel
genauer.
Die "läuferischen" Aushängeschilder von Fred Behrnsen waren
Ingo Sensburg und Kerstin Pressler – beides Läufer, die auch sehr
erfolgreich bei den Veranstaltungen von SCC-RUNNING vorne weg liefen.
Der Tod von Fred Behrnsen ist ein großer Verlust für seine Athleten,
seinen Verein und die Berliner Leichtathletik.
Horst Milde
Ehrenmitglied Behrnsen ist gestorben
"5" />Am 10. Dezember 2004 wäre Fred 50 Jahre im unserem Verein gewesen.
Die Auszeichnung als Ehrenmitglied der Neuköllner Sportfreunde hatte er
aufgrund seiner Verdienste für den Verein bereits 1994 erhalten. Und es
war nicht nur eine Anerkennung des Hauptvereins für sein Wirken im Verein,
sondern auch um das Wissen für sein Engagement in der Leichtathletik in
Berlin und in Deutschland sowie die umfassende Betreuung seiner Athleten. Doch
nicht nur in unserem Verein fand Fred seine Würdigung, sondern auch im
Bezirk Neukölln, beim Berliner Leichtathletik-Verband und vom
Landessportbund Berlin.
Am 24. Oktober 2004 ist Fred im Krankenhaus Neukölln nach langer
Krankheit gestorben. Unser Mitgefühl gilt seinen Familienangehörigen,
die ihn in den letzten Jahren liebevoll und mit viel Kraft gepflegt haben.
Mit Fred geht mir eine Situation aus dem Stadion Britz-Süd nicht aus
dem Sinn. An einem recht kalten Frühlingstag vor ca. 10 Jahren goss es aus
allen Kübeln, und nur zwei Läufer unseres Vereins zogen auf der Bahn
ihre Runden. Und neben der Laufbahn stand der Trainer Fred Behrnsen,
gleichfalls klatschnass bis auf die Haut und betreute seine Sportler. Und wer
Fred kannte, wusste, dass das der Normalfall war. Bei welchem Wetter auch
immer, er blieb für seine Sportler bis zum Schluss. Daher war diese Szene
symptomatisch für sein Vereinsdasein und für seine Grundeinstellung
zu seinen Sportlern.
Und oft folgte das nachträgliche Gespräch in einer Kneipe oder
Pizzeria.
Die Trainertätigkeit
Fred kam 1954 als Langstreckenläufer zu NSF. Er wurde schon bald
Betreuer der Jugend und wuchs so nach und nach in weitere Funktionen der
Leichtathletikabteilung hinein. Ab Mitte der sechziger Jahre war Fred
„spiritus rector“, indem er nacheinander oder auch in Personalunion
Trainer, Sportwart, Abteilungsvorsitzender, Kassierer, Verantwortlicher
für unsere Sportveranstaltungen und Pressewart war. Vor allem war er
durchweg als Geldbeschaffer für die Abteilung tätig. Und ich gestehe,
dass ich zu Zeiten der Berliner Insellage, als die Subventionstöpfe gut
gefüllt waren, aus dem Staunen nicht herauskam, mit welch kreativer
Gestaltung der Abrechnungen er für ein Plus in der Vereinskasse
sorgte.
Mit seinem Einsatz kamen auch die Erfolge insbesondere in der Szene der
Langstreckenläufer. NSF wurde zu einer Größe nicht nur in
Berlin, sondern auch in Deutschland. Sein herausragender Athlet war
natürlich Ingo Sensburg. In dessen Folge kamen Läufer wie Michael
Weiß, Jens Wollenberg, Hans-Jürgen Rose, Klaus Rathjen, Wilfried
Jackisch, Günther Kuschka und Horst Wegener zu uns. Hier zur
Verdeutlichung des Leistungsvermögens der Läufer die 25 km-Zeiten von
1978 bei der Deutschen Meisterschaft in Frankenberg: Sensburg: 1:16.17 Std.,
Wegner: 1:17.01 Std., Rathjen: 1:20.20 Std. Viele Vereine, die heute drei
Läufer mit diesen Zeiten über die 21 km-Distanz hätten,
würden sich schon glücklich schätzen!
Ingo Sensburg und Kerstin Preßler - die Sieger/in 1988 bei der
"Generalprobe" (Halbmarathon)von SCC-RUNNING im
Mommsenstadion
Mit Fred als Trainer gab es unzählig viele Titel bei den Berliner und
Norddeutschen Meisterschaften und Platzierungen bei Deutschen Meisterschaften.
Wo NSF mit Behrnsen im Langstreckenlauf war, war vorne. Wer kennt da noch
weitere Namen wie Wurl, Ladewig, Stanske, Steinmann, Wilcke, Fried, Breyer,
Knoll, Braun, Ziege, Dupke, Langhans, Briegert, Taplick, Matzke, Markowiak,
Hoedt, Schaetzle usw.?
Fred nahm sich auch der Nachwuchstalente Samir Azzawi, Olaf Baumgart und
Axel Westermann an und erreichte auch mit ihnen Deutsche Jugendmeisterschaften
(Olaf B.), Norddeutsche Meisterschaften und Berliner Meistertitel „bis
zum Abwinken“.
Zu erwähnen ist weiter, dass er mit Matthias Schlicht auch einen
Sprinter trainierte, der später als OSC-Mitglied Vizeeuropameister in der
Halle über 60 m wurde. Und dann war da natürlich die Ausnahmeathletin
Kerstin Pressler, die über viele Jahre Deutschlands beste
Langstreckenläuferin war, an Olympischen Spielen (1988 in Seoul und 1992
in Barcelona), an einer Leichtathletikweltmeisterschaft (1987 in Rom; 10. Platz
über 10.000 m in 31:52 min.) teilnahm und 1991 mit der Mannschaft
Weltmeisterin im 15 km-Straßenlauf wurde. Kerstin wurde auch Siegerin des
BERLIN-MARATHON 1987 (2:31:22) und des sogenannten Franzosenlaufs über 25
km. In den neunziger Jahren kamen Athleten wie Thomas Lüdtke und Gerald
Schulz zu uns, besser gesagt zu Fred. Mit Sicherheit habe ich einige Athleten
hier nicht erwähnt, doch aufgrund der Vielzahl der Läufer, die von
Fred trainiert wurden, wird eine abschließende Aufzählung nie
möglich sein. Ach ja, einer fällt mir natürlich noch ein, der
aber nicht zur jüngeren Generation zu rechnen ist. Reinhard Rohmann
verdankt seine unzählig vielen Seniorentitel auch den Trainingsanweisungen
von Fred.
Sportveranstaltungen, LG Süd und Freds Kritik
Hinzu kam Freds Einsatz für Sportfeste, wobei sein Hauptinteresse der
Ausrichtung von Volksläufen galt. Ob es „Rund um die Rixdorfer
Höhe“ ging, in die wir auch einige Male die Berliner
Schülerwaldlaufmeisterschaften integrieren konnten, die
„Sonnenalleemeile“, der „Lauf im Britzer Garten“, der
„Halbmarathon durch den Britzer Garten“ mit Berliner Meisterschaft,
der „Winterbahnlauf“ oder der „Silvesterlauf im
Plänterwald“ war, stets war er mit hohem Einsatz dabei. Er wollte
den Läufern stets attraktive Volksläufe mit familiärer
Atmosphäre als Konkurrenz zu den Großveranstaltern bieten, was auch
gelang.
NSF war vor über zwanzig Jahren Teil der LG Süd, und in dieser
Gemeinschaft versuchte Fred die leistungsfähigsten Athleten
zusammenzubringen. Dass diese „Mehrgemeinschaftsehe“ trotz vieler
Erfolge nicht lange mit NSF hielt, lag sicher auch an Fred, mit dem sich die
anderen Vereinsverantwortlichen der LG so herrlich streiten konnten. Es
wäre vermessen, hier zu behaupten, dass eine Zusammenarbeit mit Fred
einfach war. In den letzten Jahren hat sich das Wort
„Teamfähigkeit“ etabliert, und es gilt heute schon als
vernichtend, wenn jemand als nicht teamfähig eingestuft wird. Es ist aber
meine Grundüberzeugung, dass der wirklich kreative, hart arbeitende,
beharrliche Mensch eher selten in ein Team gehört, da er dort mit seinen
Vorstellungen und Leistungen eher negiert wird. So hielt sich über viele
Jahre der Spruch, dass es mit Fred einfach nicht geht, ohne ihn aber erst recht
nicht. Ach, was gab es für Kontroversen in einem Tonfall von ihm, der
schon als „leicht rustikal“ bezeichnet werden muss. Man musste halt
mit seiner Kritik „am lebenden Objekt“ klarkommen. Fred stand aber
rückhaltlos hinter jedem, der sich für den Sport, die Athleten und
den Verein einsetzte. Und so war zu merken, dass er jedem doch viel Freiraum
bot und mit menschlicher Nähe letztendlich Verlässlichkeit und
Orientierung bot. Die eine oder andere Nörgelei oder Schimpftirade
relativierte sich schnell, und so gelang es, mit ihm gut klarzukommen.
Sonstige Persönlichkeitsmerkmale
Aus dem bisher Geschriebenen ergibt sich, dass er nicht für das
Blendwerk und die glänzende Rhetorik ohne ein verbindendes Fundament
stand. Sprücheklopfer und Fensterredner waren ihm zuwider. Traf ich
irgendwann einmal ehemalige Vereinsmitglieder oder Passivmitglieder, so war die
Frage immer sofort, ob Fred noch Trainer sei und wenn ja, wie es ihm denn geht.
Eine höhere Auszeichnung als Menschenfreund und Trainer kann man wohl kaum
bekommen.
Seine Weitsicht offenbarte er kurz nach dem Fall der Mauer, als er bei aller
Freude voraussagte, dass zwei völlig unterschiedlichen Sportsysteme
aufeinander prallen und in dessen weiteren Verlauf das allgemeine
Leistungsniveau fallen wird.
Aber nicht nur die Leistungs- und Wettkampfsportler waren in seinem
Blickwinkel; er setzte sich dafür ein, dass NSF einen Lauftreff bekommt.
Und dieser sollte zwar eigenständig sein, dennoch eine Verbindung zum
Hauptverein haben.
Was war nun sein Geheimnis in der Betreuung seiner Athleten und in seinen
Trainingsplänen? Gute Ergebnisse beim Wettkampf konnte man nur mit einem
konsequenten Training erwarten. „Laufen lernst du nur durch das
Laufen“ und „Es muss bei dir im Kopf stimmen“ waren seine
Leitsprüche. Am liebsten waren ihm Temporunden auf der Bahn, denn hier
konnte er exakt die Zeit seiner Läufer kontrollieren. Und einmal in der
Woche sollte es schon ein langer, ruhiger Lauf sein, am besten im Wald.
Die Gesundheit ließ nach
In den letzten Jahren war Fred nicht mehr gesund. Unter anderem die
Schlaganfälle zeigten ihre langfristigen Folgen. Es stimmte traurig, dass
er, der sein Leben dem Sport gewidmet hatte, nun nicht mehr ohne Hilfe zum
Sportplatz kommen konnte. Nach seinem letzten gesundheitlichen Rückschlag
bemühte er sich, wieder zu sprechen. Sein Flüstern war nur noch
schwer zu verstehen. Und oft ging sein Blicken ins Leere, was für uns
schwer zu deuten war. Zu seinem 70. Geburtstag kamen wir mit einigen
„alten Recken“ im Hause Behrnsen zusammen und konnten drei frohe
Stunden miteinander verbringen. Es beschlich uns aber schon die Ahnung, dass
eine merkbare Verbesserung seines Gesundheitszustands nicht zu erwarten war.
Kaum vorstellbar, dass er früher einmal „Der Dicke“ genannt
wurde. Das Leiden nahm noch weitergehende Ausmaße an, lediglich mit Trost
und Zuwendung gelindert von seiner Frau Ingrid, dem Sohn Uwe, Schwiegertochter
Ines und Enkel Dennis.
Im Namen aller, die Fred im Laufe der Jahre kennen und schätzen gelernt
haben, verabschiede ich mich an dieser Stelle von ihm. Vielleicht sehen wir uns
ja irgendwann im Läuferhimmel wieder, wo es eine 400 m-Bahn gibt und Fred
mit der Stoppuhr in der Hand in der gewohnt undiplomatischen Art uns zum Laufen
bringt oder uns mit dem Fahrrad beim Lauf über 35 km begleitet.
Danke für die Zeit, den Rat, das Verständnis und das
Wohlwollen.
Thomas Völzke
www.ltbg.de
www.nsf-leichtathletik.de