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Laufen: Einsam oder gemeinsam?

Was ist nicht schon alles über die Einsamkeit des Langstreckenläufers

geschrieben worden? Ich will dieses Bild,

was sich mittlerweile selbst zum Mythos hochstilisiert hat, nun nicht weiter

strapazieren, sondern auf etwas ganz

anderes hinaus. Meine These, die ich im folgenden ein wenig zu erklären

versuchen will, könnte vorerst lauten:

So wie sich die Laufbewegung hierzulande insgesamt in den letzten Jahren und

Jahrzehnten ausdifferenziert hat,

so hat es in letzter Zeit auch immer wieder neue Laufereignisse gegeben, die

sich mit dem Prädikat "gemeinsam"

beschreiben lassen und insofern auch etwas mit der Ausdifferenzierung der

Laufbewegung zutun haben.

Ich beziehe mich dabei mehr auf die verschiedensten Volkslauf- und andere

Wettkampf-Laufveranstaltungen, die

man - im postmodernen Jargon - eigentlich als

"social-fun-running-events" bezeichnen müßte. Was ist

damit

gemeint? Auch wenn nach wie vor jeder für sich allein und

"einsam" eine bestimmte Laufstrecke zurücklegen

muß, kommt es immer häufiger vor, daß diese Wettbewerbe

überlagert werden von einem Team-Charakter. Wir

kennen die gebräuchlichen und eher formalen Mannschaftswertungen, die

hinterher in der Ergebnisliste

erscheinen und wo man dann erst nachlesen kann, mit wem man eigentlich

gemeinsam in einer 3er-Mannschaft

gelaufen ist, weil hier die jeweils drei Zeitschnellsten zusammengezogen und

protokolliert werden. Wir

kennen die Teamläufe, wo beispielsweise drei Personen gemeinsam - und zwar

immer auf gleicher Höhe - einen

Marathon oder auch kürzere Strecken zurücklegen müssen.

Und nun scheint einiges dafür zu sprechen, daß die (alte)

Staffel-Wettbewerbsform zu einem (neuen) Lauf-Kult

avanciert. In diesem Jahr gab es im Berliner Tiergarten eine

verheißungsvolle Premiere, die ihren Vorläufer

in Kopenhagen hatte und die bald im ganzen Land Nachahmer finden könnte:

Bei der 5 x5 km Team-Staffel des

Sport-Club Charlottenburg (SCC Berlin) mit über 1000 Läuferinnen und

Läufern in 218 Staffeln gab es einen

Laufevent, bei dem Leitungsansprüche und Geselligkeitsaspekte

"gemeinsam" und in geradezu genialer Weise

verknüpft wurden - mehr noch: Das eigentlich "gemeinsame"

spielte sich im Grunde bereits im zeitlichen

Vorfeld des Laufes ab. Es konnte sich nämlich niemand "einsam"

anmelden. Es mußten überhaupt erst einmal

fünf Personen gefunden werden, die sich zu einer Staffel formierten, sei

es mit Kollegen aus dem Betrieb,

mit Kommilitonen aus der Uni oder mit wem auch immer. Hinterher beim Lauf

selbst spielte sich das gemeinsame

mehr im sozialen Zwischenraum - nennen wir ihn Depot oder base - ab, wo das

Team lagerte, auf das gerade

durch den Tiergarten laufende Team-Mitglied wartete oder aus dem vom

Veranstalter zur Verfügung gestellten

Picknick-Korb naschte.

Also kann die in der Überschrift zu dieser Kolumne gestellte Frage

"Laufen: einsam oder gemeinsam?" nun

umgeändert werden in ein neues Motto: "Laufen einsam, aber getragen

von neuer Gemeinsamkeit".

Oder so ähnlich ...

Dr. Detlef Kuhlmann