Am 16.Dezember 2002 hatte ich mich für den 30. real,-
BERLIN-MARATHON am 28.September 2003 angemeldet, hatte jedes Mal, wenn ich
davon erzählte eine Gänsehaut und konnte die Schritte von Tausenden laufenden
Füßen hören. Jetzt ist es endlich soweit! Es soll mein 11. Marathon insgesamt
werden (die 11 ist meine Glückszahl, aber das ist wirklich Zufall), außerdem
der 4.Marathon in diesem Jahr (so viele bin ich in einem Jahr noch nie
gelaufen) und mein 4. BERLIN-MARATHON und trotzdem fühlen sich die letzten Tage
an, als ob es mein 1. Marathon werden sollte. Aber nun ist endlich
Samstagmorgen und es geht los: Meine Jungs sind fürsorglich wie selten, laden
das ganze Gepäck ein, denn Mama soll nicht mehr schwer heben! Wir holen Susanne
ab, die genauso kribbelig und freudig aufgeregt ist wie ich; das ist absolut
schön, denn einen völlig coolen, gelassenen Marathoni oder gar einen
Nichtläufer könnte ich in meiner Hochstimmung nur schwer ertragen. Auf der
Fahrt habe ich noch das Glück eine Radarkontrolle rechtzeitig zu sehen, auf die
erlaubten 100 km/h runterzubremsen und nicht geblitzt zu werden! Wenn das kein
gutes Omen ist!
Nachdem wir Susanne abgesetzt haben landen wir glücklich bei
meiner Freundin Marion: eine absolute Nichtläuferfamilie (...wie weit musst du
morgen laufen?). Auch der Schwager, der den Skater-Marathon mitfährt ist schon
da, alles wie immer....ach wie schön. Und Marion fragt immer nur: Was möchtest
DU jetzt tun, was möchtest DU essen, was kann ich für DICH tun? Das bin ich
nicht gewöhnt, und es tut einfach gut. So gehe ich nach einem riesigen Berg
Nudeln und zwei Glas Rotwein (..und das ist für mich ziemlich viel) ins
Bett und kann doch nicht richtig
schlafen....aber das ist normal!
Nach dem „Marathon-Aufsteh-Anzieh-und
Kleiderbeutel-Pack-Ritual" frühstücke ich
ausgiebig: 2 Brötchen, 3 (kleine) Stücke Kuchen; wer mich kennt weiß:
Ich esse fast ständig und stehe doch immer kurz vor dem Verhungern, und bis zum
Start sind es ja noch 2 Stunden. Um 7:00 steht Marion verschlafen in der
Küchentür, um mich zur S-Bahnstation zu bringen (welch’ gute Seele).
Und die S-Bahn? Wie sollte es sonst sein: Sie ist
hoffnungslos überfüllt, es wird gedrängelt, gequetscht, geschubst und
gemeckert....alles wie immer, ach wie schön. Vom Ausstieg aus der S-Bahn unter den Linden, durchs
Brandenburger Tor durch, zum Eingang in den Läuferbereich am Reichstag, vorbei
an den Kleiderwagen, hin bis zum Startbereich auf der Straße des 17.
Juni...eine einzige nicht enden wollende Schlange von Läufern, alles geht nur
im Schneckentempo voran.... aber laufen wollen wir ja auch erst später.
Ich bin
erst um 8:50 im Startblock (wie immer ganz hinten), da bleibt keine Zeit mehr
nervös zu werden oder vor Rührung zu heulen, plötzlich geht es einfach
los....und ich weiß: es ist MEIN Marathon. Die Sonne scheint und es ist richtig
warm: MEIN Wetter, da meint es jemand richtig gut mit mir! Auch soooo weit
hinten ist das Läuferfeld noch dicht gedrängt, an einen eigenen Rhythmus ist
überhaupt nicht zu denken, und doch habe ich so mir nichts dir nichts die
ersten 10 km unter einer Stunde gelaufen (das hatte ich mich bei einem Marathon
noch nie getraut). Ich denke an Ekki („die Peitsche“) und sein Training, und
das es mir doch ganz schön was gebracht hat, obwohl ich sicherlich nicht die
Fleißigste dabei war. Und ich laufe einfach so weiter; alles ist anders als
sonst: in meinen vorherigen Marathons hatte ich eigentlich immer die gleichen
Läufer um mich, man lief so mehr oder weniger in einer Gruppe, diesmal werde
ich immerzu überholt und überhole aber auch selber immer wieder, irgendwie
merkwürdig ( und das sollte auch bis zum Schluss so bleiben).
Nach dem Halbmarathon wird es mir langweilig (das passiert
mir fast immer), es ist noch sooo weit.... aber ich kann mich gut ablenken: Es
ist sooo schön warm, und ich träume mich, ein wenig wehmütig, in den
vergangenen wunderschönen Sommer zurück!!! ...Und schon ist km 26 vorbei!!
Jetzt muss ich wieder aufpassen, denn am „ Wilden Eber“ wollen meine Jungs
stehen. Und tatsächlich entdecke ich sie, und nun müssen sie es ertragen, von
ihrer Mutter auf offener Straße geküsst zu werden. Und ich bin doch einen
Moment so ergriffen, dass ich mit den Tränen kämpfen muss. Aber laufen und
heulen geht nicht gleichzeitig und außerdem melden sich zunehmend meine Beine
und ich muss mit ihnen kämpfen.
Bei km 30 bin ich 10 Minuten schneller als ich es mir insgeheim
zurechtgelegt habe, und da wage ich doch zum ersten Mal an eine neue Bestzeit
zu denken. Bei km 37 bin ich immer noch 10 Minuten schneller als ich es vor 4
Wochen in Plön war,....und es sind nur noch 5 km. Alles tut weh, aber
nicht im Traum würde es mir einfallen jetzt zu gehen, ich traue mich nicht mehr
auf die Uhr zu sehen, dass es eine neue Bestzeit wird, glaube ich schon, aber
wie viel besser will ich gar nicht
wissen, außerdem bin ich sowieso nicht mehr in der Lage zu rechnen.
Die Versuchung einfach stehen zu bleiben wird immer größer,
doch dann bin ich schon bei km 40 und biege in die Karl-Liebkecht-Straße ein,
die dann direkt in die Straße Unter den Linden über geht....und da kann man das
Brandenburger Tor schon sehen, und ich bilde mir ein, ich werde immer
schneller... Runners high!!!
Und ich bekomme eine Gänsehaut und laufe und laufe und
laufe....durch das Brandenburger Tor und auf das Ziel zu...ich sehe auf der
großen Uhr die Bruttozeit und bin nicht in der Lage meine Nettozeit zu bereifen...ich
stoppe meine eigene Uhr bei 4:27:11 (offiziell sind es nachher 4:27:09) und da
ist es dann doch um meine Fassung geschehen und ich stehe im Ziel und heule.
Wie gut, dass mich hier keiner kennt!!!! Ich habe meine alte, vor 4 Jahren auch
in Berlin gelaufene, Bestzeit um 19 Minuten und 50 Sekunden unterboten!! ...und
die Sonne scheint und es ist warm...MEIN Wetter... MEIN Marathon!
Der Rest ist schnell erzählt: ich gönne mir noch ein
Stündchen Sonnenbad auf der Wiese vor dem Reichstag, um dann wieder in die
S-Bahn zu steigen; Alle Marathonis sind jetzt an ihrem Gang zu erkennen...! Marion
holt mich, Gott sei Dank, auch wieder von der S-Bahn ab und kocht noch einmal
eine Riesenportion Nudeln für mich. Bevor wir uns endgültig auf den Heimweg
machen, muss ich Susanne noch wieder finden, was sich etwas schwierig
gestaltet, weil mein Orientierungssinn nur schwach entwickelt ist.....aber
wofür gibt es schließlich Handys! Auf dem Nachhauseweg schwelgen wir dann in
unseren Marathonerinnerungen... kein Nichtmarathoni hätte das ertragen!!
Zu Hause angekommen fallen Finn und Torge todmüde in ihre
Betten und Stella, meine Große, kommt noch auf die wunderbare Idee ihre Mutter mit
einem Nachtmahl von Mc Donalds zu verwöhnen...alles wie immer... ach wie schön!
ANGELA SCHÄPERS