„Heute hatte ich am Ende etwas mehr Kraft, das war entscheidend“,
sagte der 30-jährige Khalid Khannouchi, nachdem er den London-Marathon in
der Weltbestzeit von 2:05:38 Stunden gewonnen hatte. Der inzwischen für
die USA startende, aus Marokko stammende Khannouchi, der vor seiner
Läuferkarriere in New York unter anderem als Tellerwäscher arbeitete,
machte sich in der zweiten Hälfte der 90er Jahre als erfolgreicher
Straßenläufer in den USA einen Namen. Auf Anhieb gewann er 1997 den
Chicago-Marathon in 2:07:10 Stunden.
„Ich hatte nicht vor, hier einen Weltrekord zu rennen. In einem
derartigen Rennen wie in London geht es nur um den Sieg, das ist wie bei den
großen Meisterschaftsläufen“, sagte Khalid Khannouchi nach
seinem Triumph in London. Zwei Tage vor dem Start hatte er sich skeptisch
gezeigt bezugs Haile Gebrselassies Wunsch nach einer ersten Hälfte in
62:30 Minuten. „Dafür braucht man sehr viel Erfahrung“, sagte
Khannouchi und fügte hinzu: „Wir werden sehen, was mit Haile
passiert.“ Am Ende gewann mit dem Amerikaner tatsächlich der
Läufer, der im Vergleich zu dem Äthiopier und zu Paul Tergat
über die größte Erfahrung verfügt.
Für Khannouchi, der seit Mai 2000 die amerikanische
Staatsbürgerschaft besitzt, aber die Olympiaqualifikation
verletzungsbedingt verpasst hatte, war es in London auch ein Sieg über
zwei seiner Idole. „Als ich Haile 1993 laufen sah, war das eine
Inspiration für mich – und das gleiche gilt für Paul, vor dem
ich großen Respekt habe. Ich würde ihn gerne einmal schlagen“,
hatte Khannouchi vor dem Rennen in London gesagt. Vier Monate lang hatte sich
Khalid Khannouchi, der beim WM-Marathon 2001 nach Verletzungsproblemen im
Vorfeld aufgab, auf den London-Marathon vorbereitet. Zeitweise trainierte er
auch in Mexiko in 3000 Metern Höhe. „Ich habe noch nie so hart und
in dieser Höhe trainiert. Es war mein bestes Wintertraining bisher“,
sagte der 30-Jährige, dessen Frau Sandra Natal auch seine Trainerin und
Managerin ist. „Ich weiß, dass für die Amerikaner nichts mehr
zählt als eine olympische Medaille. Und das ist mein großes Ziel.
Ich hoffe, dass ich in Athen 2004 fit bin.“
Khalid Khannouchi ist als eines von acht Kindern in Meknes in Zentralmarokko
aufgewachsen. Sein Vater war Glaser und nebenbei Fußballtrainer. So kam
Khalid Khannouchi frühzeitig zum Sport. Sein Vater fand ihn zu klein
für einen Fußballer und überredete ihn zum Laufen. Mit 15
Jahren lief Kahlid Khannouchi sein erstes Rennen, einen Cross, und gewann. 1990
wurde er Junioren-Crossmeister seines Landes, doch der Verband nominierte ihn
nicht für die Junioren-Cross-WM. Das demotivierte den Athleten, obwohl er
vom früheren Weltrekordler Said Aouita als Trainer betreut wurde.
Als er 1993 bei der Universiade in Buffalo die 5000 m gewann, lernte er neue
Freunde kennen. Zwei Monate später kam er zurück dorthin, doch als es
ihm im November zu kalt wurde, zog er nach New York. Er lebte mit sechs anderen
Marokkanern in einem Zwei-Zimmer-Appartment in Brooklyn, verdiente sich sein
Geld unter anderem als Tellerwäscher und trainierte spät abends.
"Dort in Brooklyn nachts um 23 oder 24 Uhr zu laufen, war verrückt,
aber ich machte das", erzählt Khannouchi. Bei einem
Straßenrennen in Connecticut lernte er 1994 seine heutige Frau kennen,
die ihn fortan mit Erfolg trainierte.