Schnee- und Hagelschauer machten die Kenianer zwar etwas langsamer als geplant,
aber aufhalten ließen sich die afrikanischen Topläufer nicht –
schon gar nicht von ihren Gegnern. Bei der 23. Auflage des Bewag BERLINER
HALBMARATHON setzten die Athleten aus der Laufnation Nummer eins ihre
Erfolgsserie fort.
Zum siebenten Mal in den letzten neun Jahren kommt mit Paul Kirui der
Gewinner aus Kenia. Der 23-Jährige lief angesichts der widrigen
Bedingungen mit teilweise starkem Gegenwind eine erstklassige Zeit von 61:05
Minuten und war vor sieben Landsleuten im Ziel. Auf Rang neun folgte dann der
Marathon-Europameister Janne Holmen (Finnland/64:20). Im vergangenen Jahr
hatten die Kenianer bei “ihrem“ Bewag BERLINER HALBMARATHON gleich
die ersten 13 Plätze besetzt. Bei den Frauen sorgte nun Magdaline Chemjor,
die ebenso wie Kirui eine Siegprämie von 2000 Euro erlief, für den
fünften kenianischen Erfolg in Serie. Nach 71:12 Minuten war die
24-Jährige vor Lenah Cheruiyot (Kenia/72:00) und Carmen Siewert
(Greifswald/73:55) im Ziel.
Mit alles zusammen 17.692 Teilnehmern aus 63 Nationen gab es einen
Teilnehmerrekord, der gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von rund 20
Prozent bedeutete. Diese Zahl teilte sich auf in 13.948 Läufer, 2003
Inline-Skater, 237 Walker, sechs Rollstuhlfahrer sowie 1498 Starter, die bei
einem 4-km-Lauf beziehungsweise einem Kinderrennen dabei waren. Schnellste
Inline-Skater waren Kalon Dobbin (Neuseeland) in 37:21 Minuten und die
Vorjahressiegerin Silvia Nino (Kolumbien/44:41). Auch die Inline-Skater litten
unter den ungünstigen Wetterbedingungen. Die Siegzeiten lagen um mehrere
Minuten über den Streckenrekorden. “Das waren natürlich
außergewöhnliche Bedingungen. Aber wir haben die Veranstaltung
trotzdem ganz gut über die Bühne bekommen. Mit der Teilnehmerzahl und
den Ergebnissen können wir sehr zufrieden sein. Wir haben eine Steigerung
von rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr, also etwa 3000 Teilnehmer mehr.
Und trotz des widrigen Wetters gab es einige Läufer, die persönliche
Bestzeiten erreichten“, sagte ein zufriedener Cheforganisator Horst
Milde, der mit seinem Team in verschiedener Hinsicht improvisieren musste. So
waren die geplanten Umkleide- und Duschzelte am Abend zuvor regelrecht
weggeflogen durch den Wind. Sie mussten wieder abgebaut werden.
Dass vor allen Dingen bei den Männern eine auch international
hochklassige Siegzeit herauskam, dafür hatten unterwegs Paul Kirui und
sein Landsmann James Kwambai gesorgt. Nach etwa sechs Kilometern hatten die
zwei Läufer, die beide vom italienischen Manager Gabriele Rosa betreut
werden und aus Brescia nach Berlin reisten, das Tempo deutlich verschärft.
“Zuvor mussten wir uns erst einmal warm laufen. Die ersten fünf
Kilometer waren wie ein Trainingslauf“, erklärte Paul Kirui
später. Lag der Kilometerschnitt anfangs bei über drei Minuten, was
langsam ist für ein derartiges Rennen, wurden die 1000-m-Abschnitte nun
plötzlich in deutlich unter drei Minuten gelaufen. Die Spitzengruppe fiel
auseinander, und Marathon-Europameister Janne Holmen, der anfangs geführt
hatte, sagte später: “Ganz plötzlich gab es eine enorme
Tempoverschärfung. Ich habe das ganze Rennen versucht, mein eigenes Tempo
zu laufen. Es war aber schwer am Ende, weil das Wetter so schlecht war. Ich
hatte auf eine bessere Zeit bei besserem Wetter gehofft.“ Finnlands
Marathon-EM-Sensation läuft in diesem Frühjahr keinen Marathon, plant
aber einen Start im Herbst.
Immer schneller schienen Kirui und Kwambai nach ihrer Tempoverschärfung
vorne zu werden, sogar die Jahresweltbestzeit von 60:21 Minuten wäre bei
gleichbleibendem Tempo gefallen. Nach 29:00 Minuten war Kilometer 10 erreicht,
nachdem bei der 5-km-Zwischenzeit noch verhältnismäßig
langsamere14:56 Minuten gestoppt worden waren. Doch nachdem Kirui seinen
Landsmann hinter sich gelassen hatte, der Kampf um den Sieg entschieden war und
er Kilometer 15 in verheißungsvollen 43:07 Minuten erreicht hatte, verlor
er auf den letzten sechs Kilometern an Fahrt.
“Ich musste mehr mit dem Wind kämpfen als mit den Gegnern. Ich
hatte auf gutes Wetter gehofft und wäre dann vielleicht 45 Sekunden
gelaufen“, sagte Paul Kirui. Gut möglich, dass der Wind eine
Jahresweltbestzeit verhinderte. Doch mit seiner persönlichen Bestzeit von
61:05 Minuten erreichte Paul Kirui immerhin die siebtschnellste Zeit des Jahres
und das sechstbeste je beim Berliner Halbmarathon gelaufene Ergebnis. “Es
ist der größte Erfolg meiner Karriere“, sagte Paul Kirui, der
erst seit wenigen Jahren läuft. “In der Schule habe ich
Fußball gespielt.“ Auf die Frage nach der Position antwortet er:
“Ich war die Nummer 11.“ Erst nach der Schule schloss er sich einer
Lauf-Trainingsgruppe an und kam so vor drei Jahren zu Gabriele Rosa.
War es für Paul Kirui der erste Start bei einem Berliner
Straßenlauf, kannte Magdaline Chemjor die Berliner Straßen bereits.
Sie hat in den letzten beiden Jahren jeweils die 25 km von Berlin gewonnen.
“Es ist schade, dass es so kalt und windig war, denn die Strecke ist
schnell. Bei gutem Wetter hätte ich hier zwischen 68 und 69 Minuten laufen
können“, sagte Magdaline Chemjor, die vor einer Woche Fünfte
bei der Cross-WM war. Die 24-Jährige hatte das Tempo von Beginn an
bestimmt. Unmittelbar hinter ihr lief in einer Männergruppe zunächst
noch die spätere zweitplatzierte Lenah Cheruiyot (Kenia/72:00). Nach 16:31
Minuten erreichte diese Gruppe Kilometer 5, doch bei Kilometer 10 war Chemjor
mit 32:56 Minuten bereits 29 Sekunden vor ihrer Konkurrentin.
Dass Magdaline Chemjor im Ziel humpelte, hing aber nicht mit einer
Verletzung der Muskulatur zusammen, die bei Kälte besonders anfällig
ist – vielmehr mit einem Fehler, vor dem Laufanfänger immer wieder
gewarnt werden: Magdaline Chemjor rannte in neuen Schuhen. “Die alten
waren einfach hinüber“, erklärte sie. Auf den letzten
Kilometern gab es auf ihrem Spann eine Druckstelle. “Doch der Schneefall
war der Grund, warum ich langsamer wurde“, sagte Magdaline Chemjor, die
übrigens nicht die einzige Topläuferin ist, die in Berlin mit neuen
Schuhen zu einem großen Sieg gelaufen ist. Auch Naoko Takahashi (Japan)
erklärte nach ihrem Sieg beim real,- BERLIN-MARATHON 2002, dass sie in
neuen Schuhen gelaufen sei. Dennoch sollten Breitensportler ein solches
Experiment nicht nachmachen. Magdaline Chemjor hat bereits ihren nächsten
Start in Berlin angekündigt: Am 4. Mai will sie zum dritten Mal in Folge
die 25 km von Berlin gewinnen.
Das Wetter hatte schon am Sonnabend für einen Rückschlag gesorgt.
Während die dreimalige Siegerin Joyce Chepchumba (Kenia) aufgrund einer
Erkältung absagte, waren auch Rodgers Rop und Christopher Cheboibok, die
zwei Kenianer, die ebenfalls zur Detmolder Trainingsgruppe von Volker Wagner
gehören, nicht nach Berlin gereist. Sie waren erst vor wenigen Tagen aus
Kenia kommend in Deutschland angekommen, wo sie die letzte Vorbereitung
für den Boston-Marathon bestreiten. Rop hatte im vergangenen Jahr in
Boston gewonnen. Als sie am Sonnabend in Detmold aufwachten, war alles
verschneit. Und angesichts der Wetterprognosen verzichteten beide auf einen
Berliner Start, um der Gefahr einer Erkältung kurz vor dem Boston-Marathon
aus dem Weg zu gehen. “Es ist schade, aber verständlich. Denn
für beide ist natürlich der Boston-Marathon das wichtigste Ereignis
des Frühjahres“, sagte Mark Milde, der beim Bewag BERLINER
HALBMARATHON für die Topathleten verantwortlich ist.