Vor sieben Jahren war sie als Favoritin nach Athen gereist. Doch sie schaffte
es noch nicht einmal durch den 1500-m-Vorlauf. Nach 200 Metern gab Kelly Holmes
verletzt auf. „Ich kann gar nicht sagen, wie es damals in Athen war, denn
ich war nur 14 Stunden hier“, erzählt die Engländerin, die nun
mit 34 Jahren im letzten Teil ihrer Karriere den größten Triumph
feierte: Holmes wurde über 800 Meter Olympiasiegerin in 1:56,38 Minuten.
Auf der Zielgeraden überholte sie im Spurt die führende
Titelverteidigerin Maria Mutola, die es verpasste, als erste
800-m-Läuferin der olympischen Geschichte eine zweite Goldmedaille
über diese Strecke zu gewinnen. Am Ende wurde die aus Mozambique
stammende, beste 800-m-Läuferin des letzten Jahrzehnts nur Vierte.
Von Erlebnissen wie in Athen 1997 kann Kelly Holmes lange erzählen. Es
ist noch keine sechs Monate her, als sie bei der Hallen-WM als Favoritin
über 1500 m startete und dann im Finale stürzte. Auch bei Olympia
hatte sie bis vor Athen wenig Glück. Im Vorfeld von Atlanta 1996
laborierte Kelly Holmes an einem Ermüdungsbruch, so dass nicht mehr als
Platz vier herauskam, vier Jahre später gewann sie zwar Bronze, doch eine
Muskelverletzung im Vorfeld von Olympia hatte sie zurückgeworfen.
„Man träumt immer vom Gold, aber immer geht irgendetwas schief.
Ich träume von einem solchen Sieg schon seit ich zwölf Jahre alt war.
Und ich dachte, dass auch dieses Mal irgendetwas dazwischen kommen würde
– deswegen ist das jetzt für mich alles irgendwie unreal“,
erzählte Kelly Holmes. „Bevor ich geglaubt habe, dass ich Gold
gewonnen habe, musste ich mir erst zweimal die Wiederholung auf der Videotafel
ansehen. Ich hatte viele Tiefpunkte im Laufe meiner Karriere, aber dieses
Rennen hier gleicht alles aus, was vorher schief lief.“
Einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zum Gold machte Kelly Holmes vor
knapp zwei Jahren. Damals wechselte sie ihren Trainer und ging zu Margo
Jennings. Das ist der Coach von Maria Mutola. Mit ihrer Konkurrentin ist sie
befreundet und lange Zeit trainierten beide zusammen in Südafrika.
„Da Kelly und ich zusammen trainieren, kennt sie meine Schwächen.
Aber sie hat diese Goldmedaille wirklich verdient“, erklärte Maria
Mutola, die im Juli eine Oberschenkelverletzung zurückgeworfen hatte. Doch
in der letzten Phase der Vorbereitung auf Olympia trainierte Holmes auf Zypern
nicht mit Mutola.
Ursprünglich wollte die Engländerin auch gar nicht über 800
Meter antreten. Sie hatte sich auf die 1500 Meter vorbereitet. „Aber das
Training für die längere Strecke hat mir Kraft gegeben und ich
wusste, dass ich über 800 Meter stark sein würde. Deswegen habe ich
mich für den Doppelstart entschieden. Ich glaube, ich hätte mich
jetzt geärgert, wenn ich es nicht gemacht hätte“, sagte Kelly
Holmes, die nun sogar die Chance hat, Doppel-Olympiasiegerin zu werden.
„Sie hat es brillant hinbekommen am Ende. Wer so klug und stark
läuft, hat es verdient, Olympiasiegerin zu werden. Das ist ein Sieg, der
Großbritannien Aufwind gibt – wir sind stolz“, sagte Ann
Packer, die 1964 für die Briten 800-m-Gold gewann, in einem Interview der
BBC. Nach dem Drama um Paula Radcliffe geht es den Briten wieder gut.