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Katrin Dörre-Heinig: Mit 42 hat frau (wieder) Ambitionen....

Komplikationen nach einer Fersenoperation im Jahr 2000 haben bei Katrin

Dörre-Heinig den Traum von einer vierten Olympiateilnahme ebenso

zerstört wie auch die Hoffnung auf eine nahtlose Fortsetzung ihrer

einzigartigen Marathonkarriere. Als Olympiadritte 1988, zudem Vierte 1996 und

Fünfte 1992, einer einzigartigen Bilanz mit 24 Siegen in 43

Marathonläufen, darunter so Hochkaräter wie London, Osaka, Tokio und

Berlin, aber auch Hamburg und Frankfurt gilt sie als die “Grande

Dame“ des Marathonlaufes. Inzwischen 42 Jahre – und kein bisschen

müde, das ist Katrin Dörre-Heinig heute.

Von Wilfried Raatz

Marathonlaufen ist ein Geduldsspiel. Davon weiß Katrin

Dörre-Heinig ein Lied zu singen. “Eigentlich hatte ich im Vorjahr

schon das Gefühl, es geht wieder“, sagt Katrin Dörre-Heinig

zurückblickend mit einem Anflug von Lächeln. “Aber das war wohl

ein Trugschluss. Ich wollte einfach nicht laufen, wenn ich mir im

Wochenrhythmus Spritzen und Medikamente abholen muss“. So entspannt wie

sie heute uns auf einer bequemen Couch zwischen Vormittagstraining, der

Hausarbeit und dem Nachmittagstraining gegenüber sitzt, dürfte das

vor einem Jahr keineswegs abgelaufen sein. “Du kannst mir glauben, ich

war richtig verzweifelt. Bis ich zu Charly Riedl, einem Osteopathen, nach

Augsburg ging, der hat schon andere wie Boris Becker, Steffi Graf oder auch

Michael Schumacher wieder repariert!“ Je größer die

Abstände der Fahrtintervalle ins Oberschwäbische wurden, desto

größer wurde aber auch die Zuversicht bei der “Grande

Dame“ des Marathonlaufes, doch noch einmal in die erste Reihe der

Marathonläuferinnen zurück zu kehren. “Seit September letzten

Jahres konnte ich wieder laufen. Wenn ich ab und an einmal Beschwerden hatte,

dann gingen diese aber nach zwei bis drei Tagen wieder weg!“ Der Weg zum

Physiotherapeuten ist für die gebürtige Leipzigerin so

selbstverständlich wie der Weg in den Kraftraum oder das nahe

Trainingsgelände in ihrer Wahlheimat Erbach im hessischen Odenwald.

“Außerdem hilft eine heiße Wanne. Dafür muss eben auch

Zeit sein!“

Nach mehr als zwanzig Jahren Leistungssport hat sie längst erkannt,

dass ihr Körper längere Regenerationszeiten braucht. Doch Katrin

Dörre-Heinig ist nicht der Typ, der beim neuerlichen Comeback nur irgendwo

mitlaufen will. Sie will vorne mitmischen. In einer schnellen Endzeit zudem.

Der Wiedereinstieg in die Marathonszene sollte eigentlich schon im

Frühjahr in Hamburg erfolgen. Doch eine hartnäckige Virusinfektion

machte diesen Vorsatz zunichte. Jedoch gilt für sie eines: Aufgeschoben

ist nicht aufgehoben. Doch die Rückkehr in höhere

Lauf-Geschwindigkeiten gestaltet sich schwerer als gedacht. “Ich glaube

nicht, dass ich lange im 3:20er Bereich laufen kann“, beurteilt sie ihre

durchschnittliche km-Geschwindigkeit und weiß, dass dies einfach ein Muss

ist, wenn der Weg zurück in den Marathonbereich von 2:30 Stunden

führen soll. “Natürlich bin ich auch etwas unsicher. Habe

Angst, dass ich nicht wieder den Biss habe“ plagen sie Selbstzweifel nach

den ersten Rennen in Paderborn, Neheim und Aschaffenburg. “Allerdings

brauche ich diese Rennen, um vielleicht doch wieder die nötige Härte

zu kriegen“. Ihrem Umfeld, so glaubt sie, nichts beweisen zu müssen.

“Ich möchte nur nicht so abrupt aufhören wie dies 2000

geschehen ist“, fügt aber zugleich hinzu: “Aber, wenn ich

ehrlich bin, mir fehlt etwas, wenn ich nicht laufen kann!“

Auch wenn sich die Maßstäbe verschoben haben, Katrin

Dörre-Heinig versteht sich als 42jährige keineswegs als

Altersklassenläuferin “Ich sehe mich nicht zum Beispiel als W

40-Siegerin in Paderborn, sondern ich weiß, ich bin Zwölfte

geworden!“ Sie möchte gewiss keine langfristigen Ziele mehr

ansteuern, sondern genießt die Augenblicke. “Es kann doch schon

morgen wieder vorbei sein“, das weiß sie aus eigener Anschauung zur

Genüge....

Schon am kommenden Sonntag wird sie übrigens beim AVON-RUNNING

Frauenlauf in Berlin an der Startlinie stehen, Mitte Juni steht der erste

Halbmarathon bevor. Zwischen Reeperbahn und dem Eppendorfer Baum möchte

Katrin Dörre-Heinig auf erfolgsträchtigem Terrain in Hamburg wieder

einmal die dünn gewordene Luft der ersten Startreihe genießen.

“Ich kann vielleicht eine 75er Zeit laufen“, wagt sie eine

frühe Prognose. Stellt dies aber zugleich selbstkritisch zur Diskussion:

“Was ist dies aber für eine Zeit!? Ich denke, im kommenden Jahr

werde ich auf einem höheren Level sein, vorausgesetzt, der Körper

macht mit“. Die Selbstzweifel sind unüberhörbar. Aber

keineswegs Grund genug für das letztlich (sport-)finale Wort “Das

wars“.

Ihr Training hat sich zwar in den Grundzügen nicht geändert. Nach

wie vor stehen 30 km-Läufe ebenso auf dem Programm wie auch 1000

m-Wiederholungsläufe oder 200 m-Sprints auf der Bahn. Doch im Gegensatz zu

früher, als mit Birgit Jerschabek eine leistungsstarke Partnerin zur Seite

stand, trainiert sie komplett alleine. “Ich könnte in der

Leistungsentwicklung schon weiter sein, doch dazu fehlen mir die

Trainingspartner!“ Naheliegend wäre vielleicht die eine oder andere

Einheit mit ihrer talentierten 14jährigen Tochter Katharina, die

längst durch spektakuläre Siege auf sich aufmerksam zu machen wusste.

“Das funktioniert nicht. Katharina ist über 200 m zu schnell

für mich, bei längeren Wiederholungsläufen ist sie

natürlich überfordert. Klar, wir haben schon einmal einen lockeren 10

km-Lauf gemeinsam gemacht, aber diese langen Läufe soll sie noch nicht

machen“. Dass sie irgendwann zur Langstrecke tendieren wird, das ist der

Mutter längst klar. “Sie hat einen wunderbaren Schritt. Da sie

für die Mittelstrecke zu langsam ist, kann ich es mir gut

vorstellen!“

Wie groß ist die Bürde letztlich für die Tochter einer

berühmten Marathonläuferin? “Ich denke, sie hat keine Probleme

damit. Aber sie ist wie ich, sie will auch immer gewinnen. Wenn es einmal nicht

so klappt, da ist sie schon tierisch enttäuscht!“

Wir plaudern in der Heinigschen Wohnstube mit einem herrlichen Ausblick

über die Odenwald-Kreisstadt Erbach aber nicht nur über die Gegenwart

und eventuelle Zukunftspläne, sondern blicken auch zurück in die

Vergangenheit. Unvergesslich dabei für die einstige

Weltklasseläuferin ihr erster Auslandsstart im japanischen Osaka, der

zugleich mit dem Sieg in 2:31:41 ein Riesentriumph wurde (“Da ist so

vieles unvorbereitet auf mich eingestürmt!“), aber auch nach dem

Mauerfall der Start beim New York-Marathon, auf dem Boden also des einstigen

“Klassenfeindes“. Kommen angesichts der heutzutage imposanten

Antritts- und Platzierungsgelder nicht neidische Gefühle auf bei der

einstigen Frontfrau der internationalen Marathonszene? “Nein, ich hatte

doch noch genügend Zeit nach der Wende, gutes Geld zu verdienen. Zu

DDR-Zeiten konntest du dich nur auf die Höhepunkte

konzentrieren“.

Etwas wehmütig wird es Katrin Dörre-Heinig schon bei dem Gedanken

an die nahe Zukunft, zumal Marathon ihr Beruf ist, obgleich sie ein

Medizinstudium absolviert hat. “Man will es natürlich nicht wahr

haben, dass es zu Ende geht. Ich brauche natürlich schon einige Jahre zum

abtrainieren. Aber ich werde in der Szene bleiben. Bei meinem Ausrüster

ASICS werde bei Marathonläufen präsent sein und auch in Seminaren

meine Erfahrungen weitergeben“.

Schon steht Ehemann und Trainer Wolfgang Heinig in der Tür und mahnt

zur zweiten Laufeinheit, die heute noch ansteht. “Es wird eine ruhige

Fünfzehn!“ Doch der Zeitplan ist eng gesteckt, denn schon zwei

Stunden später soll Katharina zu einer Ehrung. Da wollen die Eltern

natürlich dabei sein......

Wilfried Raatz (Vorabdruck aus “Laufzeit“ 06/02, dem

Monatsjournal für alle Freunde des Laufens, Berlin)

Katrin Dörre-Heing

Persönliches:

Geboren am 6.10.1961 in Leipzig, Vereine: SC DHfK Leipzig, LAC Quelle

Fürth/ München, LAC Veltins Hochsauerland, verheiratet mit Wolfgang

Heinig, 1 Tochter (Katharina, geb. im August 1989)

Bestzeiten:

800 m: 2:05,4 (1980) 1000 m: 2:44,8 (1980) 1500 m: 4:18,7 (1979) 3000 m:

9:04,01 (1984) 10 000 m: 33:00,0 (1984) 10 km: 32:14 (1992) 1 Stunde: 17.709 m

(1988) Halbmarathon: 1:09:15 (1998) Marathon: 2:24:35 (1999)

Marathonerfolge:

Olympiadritte 1988, zudem Vierte (1996), Fünfte (1992); Sieg beim Weltcup

1995 (Hiroshima), Europacup 1995 (Rom) und 1988 (Huy), 24 Siege bei 43 Starts,

darunter in Osaka (1984, 1991, 1996, 1997), London (1992, 1993, 1994), Tokio

(1984, 1985), Berlin (1994), Frankfurt (1995, 1997), Hamburg (1998, 1999),

Nagoya (1986).