Von Wilfried Raatz
Beim 18. Olympus Hamburg-Marathon bewahrheitete sich einmal mehr die alte
Läuferweisheit, nach der alleine Sieger recht haben. Während der
Spanier Julio Rey bei seinem weltklassereifen Alleingang durch Hamburg viele
der vermeindlichen Mitfavoriten zu einer (zu) schnellen Gangart mitzog - und
letztlich allesamt zermürbte, zeigte die Kenianerin Helen Kimutai bei den
Frauen den größten Ermüdungswiderstand und gewann in 2:25:53
und einem letztlich überzeugenden Zwei-Minuten-Vorsprung vor der kleinen
Äthiopierin Shitave Gemechu und der slowenischen Cross-Europameisterin
Helena Javornik, während die auf eine 2:20er Endzeit programmierte Marleen
Renders (Belgien) mit einer wenig standesgemäßen 2:28:31 als Vierte
enttäuschte.
Die mit großen Ambitionen gestartete EM-Zweite Luminita Zaituc ging
ebenso vorzeitig aus dem Rennen wie auch Claudia Dreher, so dass Bundestrainer
Wolfgang Heinig an diesem stürmischen Aprilsonntag um eine
Enttäuschung reicher wurde. Wohl selten lag aber insgesamt die Diskrepanz
zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf dem schnellen Asphalt zwischen der
Reeperbahn, den Landungsbrücken, der Außenalster und dem Start- und
Zielbereich am Messegelände derart auseinander wie heuer. Starke
Windböen und heftige Regenfälle in der Nacht sollten genug Fingerzeig
sein auf einen eher ungemütlichen Rennmorgen, denn auf zumeist trocknem
Straßenbelag zerstörte zumindest der Gegenwind im Schlussteil der
großen Schleife durch Hamburg das Zeitfenster so mancher
Spitzenläufer.
Der bereits vor zwei Jahren siegreiche Spanier legte vom Start weg ein
Höllentempo vor, so dass sich bereits nach sieben Kilometern der erste der
drei eigens für ihn engagierten Tempomacher an den Straßenrand
verabschiedete. Seinen letzten Begleiter verlor Rey übrigens bereits nach
der Halbmarathon-Durchgangszeit von 1:03:41. Völlig auf sich alleine
gestellt lief der EM-Dritte eine nicht minder flotte zweite Hälfte, die
gerade einmal fünf (!) Sekunden langsamer war. Weder Olympiasieger
Gezahegne Abera in London noch William Kiplagat in Rotterdam waren bei den
Frühjahrshiglights schneller, alleine der in Paris siegreiche Mike Rotich
sorgte für eine schnellere Siegerzeit als der Spanier. Auf
europäischem Terrain war alleine der Franzose Benoît Zwierzchlewski
als Paris-Marathonzweiter schneller als der Spanier, der mit 2:07:27 Minuten
den von ihm selbst 2001 aufgestellten Streckenrekord um 19 Sekunden steigerte
und damit eine Erfolgsprämie von 50.000 Euro einstreichen durfte. Misslich
alleine, dass der 31jährige den Landesrekord von Fabian Roncero um
läppische fünf Sekunden verpasste. “Vom Tempo her ist alles so
gelaufen wie geplant. Allerdings musste ich zu lange alleine laufen, im
Zweikampf mit anderen Läufern hätte ich heute Europarekord laufen
können“, unterstreicht Julio Rey seine hohen Ambitionen.
Aus der Phalanx der leistungsstarken Verfolgergruppe kam hingegen keiner der
Nächstplatzierten in den Zeitbonus-Genuss, denn die schnelle Gangart an
der Spitze zermürbte alle Rey-Verfolger derart, dass letztlich der Spanier
viereinhalb Minuten Vorsprung auf den früheren Frankfurt-Sieger Henry
Cherono und dessen dichtauf folgenden Teamkollegen Barnabas Rutto aus dem
Rennstall des italienischen Managers Gabriele Rosa hatte. Der 2:08-Läufer
Vanderlei Lima und Leonid Shvetsov folgten auf den Rängen vier und
fünf, während der lange Zeit blendend mithaltende dreifache
Berglauf-Weltmeister Jonathan Wyatt als Siebter sogar noch Hausrekord mit
2:13:00 lief.
Und die Deutschen? Marathonmeister Martin Beckmann war nach forschem Auftakt
(1:06:37) in der zweiten Streckenhälfte gegen den Wind völlig auf
sich alleine gestellt nicht mehr in der Lage, das Tempo hoch zu halten. Als
Einlaufzehnter verpasste er zu allem Pech noch die WM-B-Norm von 2:14:50 um
fünfundzwanzig Sekunden.
Bei den Frauen nützte der Cross-Europameisterin Helena Javornik eine
starke zweite Hälfte nichts mehr, denn der Rückstand auf die mit der
Belgierin Marleen Renders enteilten Helen Kimutai und Shitave Gemechu war
einfach zu groß für die Slowenin, um mehr als noch Rang drei
erreichen zu können. “Ich habe einen schweren Fehler gemacht“
gestand die sie enttäuscht im Ziel ein, “Ich hätte das Tempo
mit Renders und den beiden Afrikanern mitgehen müssen und mich nicht an
Zaituc orientieren dürfen!“ Noch größer allerdings stand
die Enttäuschung im Gesicht des Bundestrainers Wolfgang Heinig
geschrieben, denn der erhoffte schnelle Leistungsnachweis blieb sowohl bei
Luminita Zaituc als auch bei Claudia Dreher aus. Während die EM-Zweite
schon nach 14 Kilometern wegen anhaltender Rückenprobleme ins
Begleitfahrzeug gestiegen war, konnte Claudia Dreher zumindest noch bis zur
Streckenhälfte (1:13:45) hoffen, doch wenig später ging auch sie aus
dem Rennen. “Bei acht Kilometern habe ich bereits feste Beine gehabt.
Wenn man über Wochen gut trainiert hat, dann dürfen 34:30 jedenfalls
nicht zu schnell sein!“ Dennoch sieht Heinig nach dem Debakel in Hamburg
noch immer die Chance für einen Start einer deutschen Frauenmannschaft bei
der WM im August, denn die derzeit noch verletzten Sonja Oberen und Ulrike
Maisch stehen für einen Paris-Start in der Warteschleife.
Mit dem Kursrekord durch Julio Rey hatten die Veranstalter um HLV-Chef Erwin
Rixen und Veranstaltungsmanager Wolfram Götz zumindest einen Glanzpunkt in
der Abschlussbilanz, während die aus dem zugelassenen Startkontingent von
21 551 Läufern tatsächlich nur startenden 16 300 ein herber
Rückschlag für die Hamburger bedeuteten. “Uns sind die
Qualitätsstandards wichtiger als auf Krampf 5000 Läufer mehr ins
Rennen zu schicken“ verteidigte Wolfram Götz die eingeschlagene
Linie. Für viele der Nichtstarter gibt es allerdings die
“Geld-zurück-Garantie“, die in Hamburg als Novum mit der
Anmeldung als eine Zusatzversicherung angesichts des frühen Meldeschlusses
abgeschlossen werden konnte. Auch wenn der angestrebte Streckenrekord bei den
Frauen klar verpasst wurde, überzeugte der Olympus Marathon zumindest in
der Leistungsdichte, denn gleich sechs Läuferinnen finishten unter 2:30
Stunden.
18. Olympus Hamburg-Marathon (27.4.):
Männer: 1. Rey (Esp) 2:07:27, 2. Cherono 2:11:55, 3. B. Rutto (beide
Ken) 2:11:59, 4. Lima (Bra) 2:12:16, 5. Shvetsov (rus) 2:12:43, 6. I. Kiprono
(Ken) 2:12:54, 7. Wyatt (Nzl) 2:13:00, 8. Kejzar (Slo) 2:13:26, 9. Polias (Gre)
2:14:14, 10. Beckmann (LG Leinfelden-Echterdingen) 2:15:15, 11. Sly (Aus)
2:15:18, 12. Chimukoko (Zim) 2:15:29, 13. Cordeiro (Por) 2:16:06, 14. de la
Fuerte (Esp) 2:18:03, 15. Valente (Por) 2:18:58, 16. Pirksaar (Est) 2:19:38,
17. J. Andersen (Den) 2:21:40, 18. Benecke (TSG Bergedorf) 2:22:05, 19.
Achmüller (Ita) 2:24:42, 20. Strotmann (LG Braunschweig) 2:25:18, 21.
Troldbora (Den) 2:25:21, 22. H. Andersen (Den) 2:25:55, 23. Friari (Fin)
2:26:24, 24. Eroiväri (Fin) 2:27:52, 25. Farsöht (Den) 2:27:54, 26.
Vanhaecke (Ned) 2:28:31, 27. Saelmans (Ned) 2:28:31, 29. Bastos (Bra) 2:29:59,
30. Ribera (Esp) 2:30:39, 31. Diettrich (LG Braunschweig) 2:31:11, 32. Klein
(LAZ Zweibrücken) 2:31:55, 33. Ahola (Fin) 2:32:20, 34. Kiefer (Spiridon
Frankfurt) 2:33:17, 35. Östring (Swe) 2:33:23, 36. Krage (Bremer LT)
2:33:33, 37. Orthmann (Tri Team Neumünster) 2:33:42, 38. Sturm (LG Hammer
Park Hamburg) 2:34:05, 39. Zsigovics (Hun) 2:34:23, 40. Pacheco (Por) 2:34:47,
41. Hooß (LTF Marpingen) 2:34:54, 42. Stübinger (Asics-Team)
2:35:08, 43. Schweitzer (LG Odenwald) 2:35:38, 44. Winkler (SV LT Lausitz)
2:35:43, 45. Torgersen (Nor) 26:05, 47. Schiltz (TSV Goddelau) 2:36:16, 48.
Wodniok (Spiridon Frankfurt) 2:36:37, 49. Hobmaier (PTSV Rosenheim) 2:36:46,
50. Uhlig (TG Werste) 2:36:47.
Frauen: 1. Kimutai (Ken) 2:25:53, 2. Gemechu (Eth) 2:27:46, 3. Javornik
(Slo) 2:28:13, 4. Renders (Bel) 2:28:31, 5. Paradowska (Pol) 2:29:17, 6.
Narlock (Bra) 2:29:59, 7. Chirita Rodica (Rom) 2:32:55, 8. Silva (Por) 2:32:57,
9. Jensen (Den) 2:33:36, 10. Renz (OSC Berlin) 2:35:39, 11. Dällenbach
(Sui) 2:41:15, 12. Aktas (Tur) 2:43:25, 13. Matheis (TSG Eisenberg) 2:51:49,
14. Wolters (LG Hammer Park Hamburg) 2:53:17, 15. Saanum (Nor) 2:56:35, 16.
Martens (TV Waldstraße Wiesbaden) 2:56:49, 17. Von der Fecht (LG Wedel
Pinneberg) 2:58:09, 18. Rölli (SV Birkenhard) 2:58:25, 19. Braun
(Pflugsmühle) 2:58:38, 20. Christensen (Den) 2:59:59, 21. Baum (Spiridon
Frankfurt) 3:00:02, 22. Pille-Steppat (LG HNF Hamburg) 3:00:24, 23. Vinkel
(Den) 3:00:38, 24. Tross (Est) 3:01:07, 25. Woratzki (RSA/ LSV
Wolfenbüttel) 3:01:14, 26. Schult (LAV Hamburg-Nord) 3:01:48, 27. Nielsen
(Den) 3:03:44, 28. Vrga (ASC Darmstadt) 3:04:02, 29. Plöttner (TV
Waldstraße Wiesbaden) 3:04:56, 30. Jacobs (USA/ TSV Dresden) 3:05:26, 31.
Peter (SV Großhansdorf) 3:06:05, 32. Hinniger-Schilling (TSV Winsen)
3:06:16, 33. Schönherr-Hölscher (PSV Tri Witten) 3:07:03, 34.
Büchele (LG Passau) 3:07:14, 35. Dröghoff (Frankfurt) 3:07:24, 36.
Schippmann (VfL Oldesloe) 3:07:36, 37. Rabe (TSV Oberhaching) 3:08:53, 38.
Hering (Sisu Berlin) 3:09:02, 39. Forster (Berlin) 3:09:11, 40. Sauer (TSV
Witzhelden) 3:09:53, 41. Knudsen (Den) 3:11:09, 42. Jones (TSV Pfungstadt)
3:12:13, 43. Nentwig (FA Blankenese) 3:12:16, 44. Eichert (TV Frankenstein)
3:12:16, 45. Wernicke (LG Neumünster) 3:12:20, 46. Hansen (Den) 3:12:38,
47. Röhrich (SV Germ. Helmstedt) 3:12:55, 48. Berenfeld (LT DSHS
Köln) 3:12:56, 49. Horst (LSF Münster) 3:13:14, 50. Jungfer (TV
Erlangen) 3:13:47.