Der 33jährige Spanier Julio Rey ist der König an der Alster. Nach
seinen Siegen 2001 und 2003 dominierte Rey auch bei der 20. Auflage des
Hamburg-Marathon, der seit 2003 Olympus Marathon Hamburg heißt. Nach
dem frühen Ausscheren aus der "afrikanischen Spitze" war der
Vizeweltmeister von 2003 praktisch schon nach 25 km alleine auf sich
angewiesen. Mit 2:07:38 Stunden verpasste der Spanier bei strahlendem
Sonnenschein, 700 000 Zuschauern an der Strecke, aber störendem Wind
die von Martin Lel beim London-Marathon aufgestellte
Jahresweltbestleistung nur um 12 Sekunden, den von ihm selbst
gehaltenen Kursrekord um 11 Sekunden. Frappierend dabei die
Leistungsdichte von Julio Rey, der mit einer Streuung von nur 18
Sekunden bei seinen drei Auftritten an der Alster seine absolute
Weltklassezugehörigkeit untermauern konnte und wie kaum einer der
Topathleten eine Garantie auf 2:07er Endzeiten zu sein scheint.
Aber es war nicht nur ein Feiertag für Julio Rey, sondern auch für die
kenianische Debütantin Edith Masai, die ihren ersten Versuch nach einer
insgesamt vierzehnwöchigen Vorbereitungsphase in Njambini auf 2 200 m
Höhe mit dem Sieg in 2:27:06 Stunden abschloss und nach ihren drei
Cross-Weltmeisterschaften mit nunmehr 38 Jahren eine
Langstreckenkarriere anstrebt. In der sportlichen Bilanz der
Jubiläumsveranstaltung passt auch die neue Weltrekordzeit des blinden
Henry Wanyoike, der im zweiten Marathon innerhalb von nur einer Woche
mit 2:31:31 die zweite Verbesserung schaffte. Jubel auch bei Claudia
Dreher, die nach längerer (Marathon-)Durststrecke endlich wieder einmal
eine auch international relevante Endzeit auf den Asphalt legte. Mit
2:29:49 Stunden schaffte sie nicht nur hinter Edith Masai und der Polin
Malgorzata Sobanska mit Rang drei den Sprung auf das Treppchen, sondern
unterbot auch das vom DLV für die Teilnahme bei den Weltmeisterschaften
in Helsinki geforderte Limit von 2:32 Stunden deutlich.
Rey: „Mein Ziel war, spanischen Rekord zu laufen!“
„Ich bin froh, dass ich gewonnen habe“, gestand Julio Rey im Ziel,
„auch wenn ich eigentlich nach Hamburg gekommen bin, um spanischen
Rekord zu laufen“. Diesen hält seit 1999 nämlich Fabian Roncero mit
2:07:23 Stunden. Und hat auch zugleich den Grund parat, weshalb es bei
der 20. Auflage des Hamburg-Marathons nicht geklappt hat: „Wenn ich
heute nach 30 km noch einige gleichwertige Gegner gehabt hätte, wäre
auch eine Zeit unter 2:07 möglich gewesen!“ In der Tat, den
Drei-Minuten-Takt musste Rey erst dann verlassen, als er in der
stimmungsvollen City Nord alle Mitstreiter zermürbt zurücklassen
musste. Überraschend setzte sich im Kampf um Rang zwei der kenianische
Debütant Wilfred Kigen in 2:09:18 vor dem Äthiopier Jote Ashebir
Demissu (2:10:40) und Jacob Losian (2:11:49).Dmitri Baranovski lief als
Fünfter mit 2:11:57 Hausrekord und war damit Stärkster der
osteuropäischen Armada.
Schwarzer Sonntag für Martin Beckmann
Zum schwarzen Sonntag wurde der Start für Martin Beckmann, der von
Michael Buchleitner glänzend bis zur 25 km-Marke geführt wurde, dann
aber weitgehend auf sich alleine gestellt, ziemlich einbrach und mit
indiskutablen 2:19:16 als Siebzehnter ins Ziel einlief. „Ich hatte
Muskelschmerzen, aber so stark, wie ich diese noch nie hatte“, gestand
Martin Beckmann im Ziel. „Das ist mein schlechtestes Marathon-Ergebnis,
das ich jemals zusammengelaufen bin. Am Ende konnte ich nur noch
joggen. Da ging nichts mehr!“
Edith Masai: Nach Hamburg nun New York?
„Ich bin happy“, freute sich Edith Masai vor Journalisten. „Für mich
war es natürlich wichtig zu finishen, vor allem, weil es mein erster
Marathon ist!“ Und mit Blick auf kommende Aufgaben: „Das nächste
Mal muss es natürlich schneller sein“. Wann und wo dieses allerdings
sein wird, das möchte Edith Masai erst nach der WM in Helsinki
entscheiden, wo sie die 10 000 m laufen möchte. „Ich kann mir gut New
York vorstellen“, meint Dorothee Paulmann, ihre deutsche Managerin,
„weil dort wie auch in Hamburg ASICS Sportsponsor ist“. Nach ihrem
„Hamburger Experiment“ (so Edith Masai) weiß die Kenianerin allerdings
auch, dass die 42,195 km-Distanz ihre eigenen Gesetze schreibt. „Auf
den letzten fünf Kilometern habe ich gesehen, dass ein Marathon nicht
leicht ist!“ Und daran muss die 38jährige dreifache Cross-Weltmeisterin
fleißig arbeiten, denn nach dem zu frühen Ausscheren ihrer Tempomacher
Vincent Krop und Michael Wafula Kituy war die Novizin zu früh alleine
auf sich angewiesen.
Claudia Dreher zum zweiten Mal unter 2:30 Stunden
Ganz im Gegensatz dazu die Verfolgerinnen, auch wenn mit der 10 000
m-Olympiasiegerin und Weltmeisterin Fernanda Ribeiro eine der großen
Mitfavoritinnen abgesagt hatte. Nachdem die früh zurückgefallende
Vorjahressiegerin Emily Kimuria für Rang zwei nicht mehr in Betracht
kam, konzentrierte sich hier der Kampf um die Plätze auf die
2:25-Läuferin Alina Ivanova, Malgorzata Sobanska, Kutre Dulecha und
erfreulicherweise auf Claudia Dreher. Diese wirkte in dieser Gruppe
stets einsatzfreudig und behielt auch in der „ruppigen Phase“, so die
Gänsefurtherin über den rennentscheidenden Abschnitt nach der
Halbdistanz, den Überblick. Während der Polin Sobanska ein
entscheidender Vorstoß gelang, hielt Claudia Dreher ihre beiden starken
Konkurrentinnen in Schach – und sicherte sich überraschend Rang drei.
„Ich bin rundherum zufrieden, denn endlich bin ich wieder einmal unter
2:30 gelaufen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich über einen
dritten Platz so gefreut habe wie heute!“
Dagegen braucht die junge Stephanie Maier noch Zeit für eine
Marathon-Entwicklung. Die Freundin von Martin Beckmann lief in Hamburg
ein braves Debüt, klagte über ihren zwangsweise erforderlichen
Alleingang im Schlussdrittel und musste bei ihrem Debüt mit 2:40:36
zufrieden sein. Dagegen kehrte Melanie Kraus nach längerer Durststrecke
in Hamburg leider nur bis zur Streckenhälfte auf einem guten Wege zur
2:30er Endzeit. In Blickweite zur Dreher-Gruppe baute sie allerdings im
zweiten Abschnitt so deutlich ab, sodass die 2:34:30 kaum als
Offenbarung für weitere Planungen gelten können.
Wilfried Raatz
Ergebnisse über www.mika-timing.de