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Jan Fitschen wird sensationell 10.000-m-Europameister

Artikel des Running News Network - runnn.com

Vier Jahre nachdem Dieter Baumann bei den Europameisterschaften von München die Silbermedaille über 10.000 m gewonnen hatte, sorgte ein anderer deutschen Läufer bei den kontinentalen Titelkämpfen für eine Sensation: Der 29-jährige Jan Fitschen gewann in Göteborg die Goldmedaille. Nach 28:10,94 Minuten stürmte der Läufer des TV Wattenscheid ins Ziel. Und dieser Sieg könnte durchaus die größte Überraschung dieser Europameisterschaften bleiben.


Jan Fitschen schaffte in Göteborg etwas, was selbst seinem früheren Vorbild Dieter Baumann nie gelungen war. Denn der 5.000-m-Olympiasieger von 1992 war nie Europameister über die längste Bahndistanz. Wie in München hatte er auch 1998 in Budapest bei der EM Silber gewonnen. Dabei weckte der unerwartete Triumph des Jan Fitschen Erinnerungen an Baumanns Goldrennen von Barcelona vor 14 Jahren. „200 Meter vor dem Ziel habe ich geglaubt, dass ich gewinnen kann“, sagte Jan Fitschen, der auf der Zielgeraden den führenden Spanier José Manuel Martínez überholte und auf Platz zwei verwies (28:12,06). „Kurz vor dem Ziel habe ich mich noch mal umgeschaut, dann auf die Videoleinwand geschaut, die Arme hochgerissen und gedacht: das kann doch alles nicht wahr sein.“


32 Jahre nachdem Manfred Kuschmann 1974 im Trikot der DDR Europameister geworden war, stellt Deutschland wieder einen EM-Goldmedaillengewinner über diese Distanz. „Es war genau mein Rennen, nicht zu schnell und nicht zu langsam. Ich wusste, dass ich bei einem derartigen Rennverlauf am Ende im Spurt eine Chance haben würde, doch an Gold habe ich natürlich nie gedacht“, erklärte Jan Fitschen, der mutig gelaufen war gegen die vermeintlich übermächtigen spanischen Konkurrenten sowie den Cross-Serien-Europameister Sergey Lebid (Ukraine). Lange Zeit sah es in der Schlussphase nach Platz vier aus, doch in der letzten Runde überholte Jan Fitschen alle: den Schweizer Christian Belz, der am Ende Vierter wurde in 28:16,93 Minuten sowie die Spanier Juan Carlos de la Ossa (Dritter in 28:13,73) und José Manuel Martinez. „Ich bin davor lange im Mittelfeld gelaufen und habe dadurch Kräfte gespart, während es an der Spitze einige Tempowechsel gab“, erklärte Jan Fitschen. „Dann habe ich gemerkt, dass ich langsam aber stetig immer weite nach vorne kam.“ Auch ein zweiter deutscher Läufer zeigte ein ausgezeichnetes Rennen: André Pollmächer (LAC Chemnitz) wurde Siebenter in 28:22,56 und lief wie Fitschen eine persönliche Bestzeit.


„Wenn mir vorher einer gesagt hätte, dass Jan hier gewinnt, hätte ich ihn wohl für verrückt erklärt“, sagte Fitschens Trainer Tono Kirschbaum, der in den 90er Jahren unter anderen den Mittelstreckenläufer Rüdiger Stenzel trainiert hatte. „Von Runde zu Runde wurde ich optimistischer. Am Ende wäre ich auf der Tribüne fast kollabiert und vom Geländer gefallen.“ Ein achter Platz, so der Coach, „wäre auch ehrenvoll gewesen“. Im Winter hatte Jan Fitschen, der sich als Physikstudent seit knapp einem Jahr ausschließlich auf den Sport konzentriert hatte, um in Göteborg zum Erfolg zu laufen, auf die Hallen-WM verzichtet. „Da gab es auch etwas Kritik, aber es war der richtige Schritt“, sagte Kirschbaum. In mehreren Höhentrainingslagern bereitete sich Jan Fitschen auf die EM vor. „Es war überhaupt erst sein vierter 10.000-m-Lauf – wir haben gedacht, er hat über diese Distanz bessere Chancen als über 5.000 Meter und uns deswegen für die 10.000 entschieden“, sagte Tono Kirschbaum.


Auf eine Hallen-WM hatte Jan Fitschen schon einmal unfreiwillig verzichten müssen – und dabei hatte Dieter Baumann eine Rolle gespielt. 2001 war Baumann international mit einer Dopingsperre belegt, national aber freigesprochen. Bei den Deutschen Meisterschaften liefen Fitschen und Baumann dann gegeneinander. Der Weltverband IAAF sperrte daraufhin – regelkonform nach internationalen Richtlinien – auch Baumanns Gegner, was zur Folge hatte, dass sich ein damals bitter enttäuschter Jan Fitschen den 3.000-m-Lauf von der Tribüne ansehen musste. Es wäre sein erster großer internationaler Einsatz gewesen. Nach dem größten Triumph seines Lebens sagte er nun in Göteborg: „Ich bin nicht der neue deutsche Dieter Baumann, sondern der neue deutsche Jan Fitschen.“