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Istvan Gyulai war ein Mann mit vielen Fähigkeiten

Das Fehlen von Istvan Gyulai bei den Hallen-Weltmeisterschaften verriet nichts Gutes. Es musste schon sehr schlecht um die Gesundheit des seit 1991 amtierenden IAAF-Generalsekretärs bestellt sein, wenn der 62-jährige Ungar nicht nach Moskau reisen konnte.

Insider wussten zwar, dass er aus gesundheitlichen Gründen seit ein paar Wochen nicht mehr seine vielfältigen Arbeiten im Office des Weltverbandes in Monte Carlo erledigen konnte. Und das trotz der Härte gegen sich selbst, für die der frühere Sprinter bekannt war.  

Dennoch kam die Nachricht überraschend, die sich am letzten HWM-Tag in der an der Moskwa versammelten Leichtathletik-Familie wie ein Lauffeuer verbreitete: Istvan Gyulai starb in den frühen Morgenstunden des 12. März an einer unheilbaren Krankheit. Nur neun Tage vor der Vollendung des 63. Lebensjahres verlor er den Kampf  gegen eine unheilbare Krankheit. Er hinterlässt seine Frau Krisztina, seine Söhne Miklos und Marton, deren sportliche Leidenschaft neben der Leichtathletik der Bobsport war, und seine Töchter Katalin und Julia.

Miklos war der erste Ungar, der bei Sommer- und Winterspielen startete: im Sommer als Sprinter und im Winter im Bobsport. Gestern, am 22. März, wurde Istvan Gyulai, in Budapest beigesetzt.


In vielen Sprachen zu Hause


Nicht nur viele Leichtathleten trauern um einen polyglotten Mann, der vier Fremdsprachen hervorragend beherrschte (Englisch, Deutsch, Französisch und Russisch) und ganz gewiss einer der wichtigsten Macher in der Geschichte des Welt-Leichtathletik-Verbandes war.

Auch zahlreiche Journalisten verloren einen guten Freund und ehemaligen Kollegen. Besonders betroffen sind auch die führenden Männer im seit dem Jahr 2005 vom italienischen Leichtathletik-Experten Gianni Merlo (Gazzetta dello Sport) geführten Internationalen Sportpresse-Verband, weil die AIPS innerhalb eines guten Monats den Tod gleich von zwei ehemaligen Generalsekretären beklagen musste:


Am Eröffnungstag der Olympischen Winterspiele in Turin war der Tod von Matti Salmenkylä bekannt geworden. Der Finne, der jahrelang in der Pressekommission des IOC u. a. der sehr wichtige Mann für die Verteilung der begehrten Presseplätze bei den Olympischen Spielen gewesen war, hatte 1992 für ein rundes Jahrzehnt im Amt des AIPS-Generalsekretärs die Nachfolge von Istvan Gyulai (1989 bis 1992) angetreten. Der Grund für den Amtswechsel bei der Sportpresse zwischen zwei Männern, die viele Jahre in der Leichtathletik zu Hause waren, lag in der Berufung des Ungarn zum IAAF-Generalsekretär im Jahr 1991. Als Nachfolger des Briten John Holt, einem ehemaligen Mittelstreckler.


Enttäuschung Budapest 1966


Rund drei Jahrzehnte, bevor er von Budapest nach Monte Carlo übersiedelte, hatte er die ersten seiner 23 ungarischen Meistertitel auf den Kurzstrecken errungen. Der Student für Moderne Sprachen und Literatur an der ELTE Universität in Budapest nahm als 21-jähriger 400-m-Läufer an den Olympischen Spielen 1964 in Tokio teil. Bei den Europameisterschaften 1966 in seiner Heimatstadt erreichte er über 200 m das Halbfinale. In einem ZDF-Interview bei den Europameisterschaften in Budapest 1998 erzählte er, dass es zu den großen Enttäuschungen seiner sportlichen Laufbahn war, dass ihn eine Krankheit 32 Jahre zuvor am Start in der ungarischen 4-mal-400-m-Staffel hinderte. Seine 400-m-Bestzeit von 47,3 Sekunden lief Istvan Gyulai in drei Jahren: 1963, 1965 und 1966.


Organisator 

Dem Sport blieb der ehemalige Sprinter als Fernsehkommentator nicht nur für die Leichtathletik erhalten. Da er auch ein guter Organisator war, brachte er es auch zum Sportchef des ungarischen Fernsehens MTV. Als Dr. Joszef Sir, der in den dreißiger Jahren ein Weltklassesprinter gewesen war, der mit Vorliebe in Deutschland startete, sich 1984 auf dem Kongress am Rande der Olympischen Spiele in Los Angeles aus dem IAAF Council zurückzog, hatte er maßgeblichen Anteil daran, dass Ungarn, die Heimat des ältesten Leichtathletik-Verbandes auf dem europäischen Kontinent, in Gestalt des damals 41-jährigen Istvan Gyulai weiterhin im Präsidium vertreten war.

1991 nahm der Ungar das Angebot des  damaligen IAAF-Präsidenten Primo Nebiolo, das Amt des IAAF-Generalsekretärs zu übernehmen und von der Donau in das Fürstentum am Mittelmeer zu wechseln nur an, wenn  er weiterhin auch Mitglied im IAAF-Council bleiben könne. Die Doppelfunktion hatte er zehn Jahre inne, bevor im Jahr 2001 die Zeit als Council-Mitglied endete.


Das änderte jedoch nichts daran, dass der Ungar als eine Persönlichkeit mit vielen Fähigkeiten weiterhin einer der einflussreichsten Männer in der internationalen Leichtathletik blieb. Es wird nicht leicht sein, einen ähnlich tüchtigen hauptamtlichen Chef für das mit rund 75 Personen aus mehr als einem Dutzend Länder besetzten IAAF Hauptquartier in Monaco zu finden.


Gustav Schwenk