Die größte Leistung beim 63. ISTAF war eine Symbolische. Nach zwei
Jahren im Jahn-Sportpark gelang es dem Organisatorenteam um Gerhard Janetzky,
die Zuschauer wieder zurück zu gewinnen. Kaum 15.000 waren es im
vergangenen Jahr, nun kamen laut offiziellen Angaben 61.155 Besucher zu dem
letzten Meeting der Golden-League-Serie des internationalen
Leichtathletik-Verbandes IAAF. Selbst wenn es vielleicht ein paar tausend
weniger waren, weil offensichtlich nicht alle Ticketbesitzer auch
tatsächlich ins Stadion gekommen waren – so viele waren es beim
ISTAF seit 1993 nicht mehr. Und das bedeutet eine zweifelsohne sehr starke
Unterstützung für die Bewerbung Berlins um die
Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2009. Wenn die IAAF am 4. und 5. Dezember in
Helsinki die Entscheidung trifft, gilt die deutsche Hauptstadt als Favorit. Was
die Zuschauerzahl anging, hat das ISTAF angeknüpft an die großen
Meetings in den 90er Jahren. In sportlicher Hinsicht gelang das allerdings noch
nicht.
Einer der Höhepunkte war der Kampf um den Jackpot der Golden League.
Die beiden nach fünf der sechs Meetings verbliebenen Kandidaten setzten
sich schließlich auch gestern im Olympiastadion durch und teilen sich nun
den mit einer Million Dollar dotierten Jackpot. Voraussetzung ist allerdings
für den Dreispringer Christian Olsson (Schweden) und die
400-m-Läuferin Tonique Williams-Darling (Bahamas), dass sie auch am
nächsten Wochenende beim World Athletics Final in Monte Carlo antreten.
Dort ist aber kein Sieg mehr nötig, um den Jackpot zu gewinnen.
Bei aufgrund von Windböen schwierigen Bedingungen patzte Christian
Olsson beim ersten Versuch, doch im zweiten Sprung setzte er mit 17,45 m ein
Maß, an das keiner seiner Konkurrenten noch herankommen sollte. Der
Olympiasieger – einer von gut einem Dutzend, die beim ISTAF am Start
waren – ist damit der erste Schwede, der den Golden-League-Jackpot
gewann. Auch aus den Bahamas gab es bisher keinen, der den Jackpot knackte.
Olympiasiegerin Tonique Williams-Darling gelang dies nun über 400 m. In
der dramatischsten Entscheidung des Tages war eine Weltklassezeit von 49,07
Sekunden nötig, um auf der Zielgeraden den Angriff der Weltmeisterin Ana
Guevara (Mexiko) abzuwehren. Das Ergebnis von Tonique Williams-Darling macht
sie zur zehntschnellsten 400-m-Läuferin aller Zeiten. Die 49,07 Sekunden
waren zugleich die einzige Jahresweltbestmarke und der einzige ISTAF-Rekord des
Tages. An einen Weltrekord war gestern aber ohnehin nicht zu denken.
Die Lauf-Wettbewerbe, in früheren Jahren immer wieder spektakuläre
Höhepunkte beim ISTAF, konnten nicht für Begeisterung sorgen.
Wenigstens spannend war das 1.500-m-Duell zwischen der Doppel-Olympiasiegerin
Kelly Holmes (Großbritannien) und der Tatjana Tomaschowa, das dieses Mal
die Russin in 4:04,41 Minuten mit acht Hundertstelsekunden vor der Britin
gewann. Über 5.000 Meter der Frauen meldete sich Berhane Adere
(Äthiopien) in 14:58,89 Minuten zurück, nachdem sie vor Olympia
angeblich mangels Form aus dem äthiopischen Kader aussortiert worden war.
Edith Masai (Kenia/14:59,11) und Isabellah Ochichi (Kenia/14:59,69) belegten
die nächsten Plätze.
Einen Jugend-Weltbestzeit gab es über 5.000 Meter der Männer. Der
17-jährige Kenianer Augustine Kiprono Choge siegte in 12:57,01 Minuten.
Nie zuvor war ein unter 18-jähriger Läufer diese Strecke in unter 13
Minuten gelaufen. Knapp setzte er sich im Spurt gegen Mulugeta Wendimu
(Äthiopien/12:57,05) durch. Mushir Salim Jawher (Bahrain) belegte Rang
drei in 13:00,40 Minuten. Über die Mittelstrecken der Männer siegten
Youssef Saad Kamel (Bahrein) über 800 m in 1:45,07 Minuten und Paul Korir
(Kenia), der über 1500 m 3:32,46 lief.
Hochklassig waren auch der Hürdensprint-Sieg der Olympiasiegerin Joanna
Hayes. Die US-Amerikanerin erreichte mit 12,46 Sekunden über 100 m
Hürden die zweitschnellste Zeit in der ISTAF-Geschichte. Nur die
bulgarische Weltrekordlerin Yordanka Donkova (13,21 Sekunden) war 1986 im
Olympiastadion schneller mit 12,37. Auch bei den Männern gehörte die
Hürdensprint-Siegzeit zu den hochklassigsten Leistungen des ISTAF. Allen
Johnson (USA) siegte in 13,16 Sekunden. „Es ist schade, dass Liu Xiang
hier nicht dabei war – ich wäre gerne gegen ihn gelaufen“,
erklärte Johnson, der in Athen im Zwischenlauf gestürzt war,
während der Chinese Olympiasieger wurde.
Den Stabhochsprung gewann der Olympiasieger Tim Mack (USA) mit 5,80 m. Er
versuchte sich später erfolglos an 6,00 Metern. Die Situation der
deutschen Leichtathletik spiegelte sich währenddessen auch beim ISTAF
wieder: Es gab keinen Sieg eines deutschen Athleten. Wie in Athen bei Olympia
belegten Speerwerferin Steffi Nerius (Bayer Leverkusen/65,60 m) und
Kugelstoßerin Nadine Kleinert (SC Magdeburg/18,52 m) auch beim ISTAF
zweite Plätze.
Für Heike Drechsler (LG Karlsruhe) war es der voraussichtlich letzte
Start in Deutschland. Die zweimalige Weitsprung-Olympiasiegerin, die zu den
größten deutschen Leichtathleten der Geschichte zählt, wird im
Alter von 39 Jahren ihre Karriere beenden. Der Abschied beim ISTAF misslang
allerdings, denn Heike Drechsler kam nach einer langen Verletzungspause nicht
über 5,92 Meter hinaus und wurde damit Neunte und Letzte des Feldes.
Schließlich, ganz am Ende des Meetings, wurde noch ein anderer
erfolgreicher deutscher Leichtathlet verabschiedet: Frank Busemann (LGO
Dortmund) hatte im vergangenen Jahr seine Karriere beendet und lief nun ein
offizielles Abschiedrennen über 1.500 Meter der Zehnkämpfer. Das war
ein netter emotionaler Abschluss für die Zuschauer bei einer insgesamt
erfolgreichen Rückkehr des ISTAF in das Berliner Olympiastadion. Nur eines
werden traditionelle ISTAF-Besucher gestern vermisst haben. Die besondere
Stimmung eines Abend-Sportfestes wie in früheren Jahren hat das wichtigste
deutsche Leichtathletik-Meeting, das inzwischen am Nachmittag stattfindet,
nicht mehr. Das Fernsehen zwingt die Veranstalter zu diesem Termin –
schade.