Die Saison war für Irina Mikitenko unmittelbar nach der WM in Edmonton
schon zu Ende, anhaltende Kniebeschwerden machten Starts bei den lukrativen
Grand Prix-Meetings unmöglich. „Die Auszeiten waren zu kurz,“,
bekannte die bislang für den Langstreckenbereich zuständige
Bundestrainerin Isabelle Baumann in einer Saisonanalyse, „um die
Beschwerden völlig auszukurieren!“ Diese nahm sich die Frankfurterin
im September zwangsläufig – und stieg nach achtwöchiger Pause
nun gerade erst in das Wintertraining ein. „Da half letztlich nur eines:
warten und nochmals warten!“ gestand Isabelle Baumann und weiß ihre
Vorzeigeläuferin derzeit in südlichen Gefilden beim Aufbautraining.
„Eigentlich ist dies ein gutes Zeichen!“ Den Abstand zur nicht
überzeugenden Saison, die einmal mehr nicht die erhoffte Medaille
einbrachte, wird die gebürtige Kasachin allerdings brauchen, um im EM-Jahr
wieder höchstmotiviert in die Saison starten zu können. „Irina
hat meiner Auffassung nach ein größeres Potenzial auf der 10 000
m-Strecke. In München hat sie die große Chance, sich bei diesem
Höhepunkt zu etablieren!“ sagt Bundestrainer Heinig und belegt ihre
Medaillenchance mit Blick auf die Welt- und Europa-Bestenliste.
Sabrina Mockenhaupt: „Ich will auch Marathon
laufen!“ Das ist jedenfalls jetzt bereits schon Sabrina
Mockenhaupt, der Aufsteiger des Jahres 2001. „Jeder Lauf war eine neue
Überraschung!“ gestand die 20jährige aus Wilnsdorf bei Siegen.
„Nach dem Aussetzer bei der European 10 000 m-Challenge in Barakaldo habe
ich schon ein schlimmes Jahr befürchtet!“ Das 1,55 m große
Energiebündel startete derart furios durch die Saison, dass sie schnell
auf das Schild des Hoffnungsträgers neben der längst in der
Weltklasse etablierten Irina Mikitenko gehoben wurde. „Ich bin ein
Ausdauertalent“ geht „Mocki“ ihre Zukunftsperspektiven
geradlinig an, „meine Hauptstrecke wird die 10 000 m-Strecke sein. Aber
ich werde auch nicht drumherum kommen, irgendwann Marathon zu laufen –
und dann auch zu gewinnen! Es muss doch ein tolles Gefühl sein, als Erste
durch das Ziel laufen zu können!“ Bundestrainer Wolfgang Heinig wird
es mit Freude vernehmen, auch wenn er gerade in ihrem Falle eher der Mahner in
Person ist. „Mädel, werde ich ihr sagen, du bist von den
körperlichen Voraussetzungen her die geborene Marathonläuferin. Aber
dazu hast du noch viel Zeit, du solltest aber das Ziel nicht aus den Augen
verlieren!“ Derzeit ist Heinig froh, dieses Energiebündel in seinem
Disziplinbereich zu wissen, die ehrgeizig genug ist, den Schritt zur Weltklasse
angehen zu wollen.
„Ich möchte meine Chance nutzen und in München über 10
000 m dabei sein!“ Für dieses Nahziel wechselte sie die
Berufskleidung. Aus der Teilzeitanstellung bei der Sparkasse in Siegen ist
inzwischen der Bundeswehrsoldat geworden. Nach der Grundausbildung in Roth bei
Nürnberg ist sie ins nahe Köln-Wahn versetzt worden, optimales
Training inbegriffen. Aus den ursprünglichen 6 – 7
Trainingseinheiten sind längst 8 – 10 geworden, schließlich
sind die Ziele klar fixiert. „Ich möchte bei der European Challenge
meine Chance nutzen und rechtzeitig die EM-Norm laufen. Auf die Deutschen in
Dessau will nicht nicht setzen, das ist mir zu unsicher!“ Sabrina
Mockenhaupt weiss, was sie will. Im Verbund mit ihrem Heimtrainer Heinz Weber
sind die nächsten Leistungssprünge vorprogrammiert. „Bei der
Cross-EM in Thun möchte ich nicht nur dabei sein, sondern....!“ Sie
lässt den entscheidenden Teil des Satzes unausgesprochen,
überlässt die Interpretation anderen. Merkmal einer selbstbewussten,
gereiften Langstrecklerin, die aber dennoch ihre Unbekümmertheit nicht
verloren hat.
Luminita Zaituc hat „ihre“ Strecke endlich
gefunden! Leistungssprünge hat auch Luminita Zaituc vor, auf
„ihrer“ neuen Strecke, der Marathondistanz. Bislang galt sie als
Läuferin zwischen allen Fronten. Auf allen Strecken zwischen 1500 m und
Marathon, Cross inbegriffen. „Das 5000 m-Finale in Stuttgart hat gezeigt,
dass es an der Zeit ist, die Strecke zu wechseln. Weil einfach jüngere
Läuferinnen zum Zuge kommen, die den besseren Kick haben“,
rechtfertigt Zaituc-Betreuer Hans-Günter Stieglitz den Schritt zur
Marathonstrecke. Denn es gibt praktisch nun kein Argument mehr gegen die 42,195
km-Distanz, vor allem dann nicht, wenn man nach einem zögerlichen Einstieg
im Frühjahr mit 2:28:43 eine blitzsaubere Weltklassezeit von 2:26:02 im
Herbst in Frankfurt folgen liess. „Zunächst war Dumitru strikt gegen
Marathon, jetzt hat er gemerkt, dass Marathon einfach ihre Strecke ist!“
Mit Dumitru ist Luminitas Lebenspartner und Trainer Dumitru Dobre gemeint, der
sie seit ihrer Übersiedlung nach Deutschland 1993 mit nachhaltigem Erfolg
trainiert. „Die neue Orientierung heißt natürlich nicht, dass
Luminita nach wie vor auch Bahnrennen bestreiten wird“, wägt
Stieglitz ab, „aber nur, wenn es in den Trainingsblock passt. Luminita
ist nämlich kein Typ, der vier Monate lang nur trainieren kann!“ Das
haben Luminita Zaituc und Sabrina Mockenhaupt gewiss gemeinsam, auch wenn
künftig sich ihre Wege weitaus weniger kreuzen werden als dies heuer im
Cross und auf nahezu allen Bahndistanzen der Fall war.
Wilfried Raatz (aus LA 48/01)