Dortmund. Nico Motchebon hat aufgehört, Cola zu trinken. Früher hatte
er damit seine Konkurrenten zumindest irritiert. Während etablierte
deutsche 800-m-Läufer wie beispielsweise Mark Eplinius mit viel Training
und einem hochleistungssportgerechten Lebensstil versuchten, zum Erfolg zu
kommen, erklärte ein gefragter Nico Motchebon in Interviews, wie locker
das doch alles gehen kann. Zehnmal in Folge wurde der Berliner, der seit gut
fünf Jahren für den LAC Quelle Fürth startet, zwischen 1993 und
?97 in ununterbrochener Reihenfolge Deutscher Meister über 800 m. Auf
Anhieb hatte er nach seinem Wechsel vom Modernen Fünfkampf zur
Leichtathletik vor acht Jahren den Titel gewonnen und war in der Halle damals
bei den Weltmeisterschaften sogar Dritter geworden.
Doch obwohl Nico Motchebon das 800-m-Finale der Deutschen
Hallenmeisterschaften in Dortmund nach einem taktischen Rennen in 1:51,28
Minuten gewann, die Hallen-WM, die Ende nächster Woche in Lissabon
beginnt, ist für Nico Motchebon kein Thema. Denn es ist wie so oft in den
letzten drei Jahren: Gesundheitliche Probleme verhindern, dass der
31-Jährige ein gutes Wintertraining erfolgreich umsetzen kann. Fast ein
Jahr lang hatte ihn das Pfeiffersche Drüsenfieber aus der Bahn geworfen,
erst in dieser Hallensaison kehrte er zurück. Von seiner Bestform ist Nico
Motchebon aber weit entfernt. Seine bisherige Saisonbestzeit von 1:47,41
Minuten rannte er früher quasi mit der Cola-Flasche unter dem Arm. Der
Virus ist noch immer nicht ganz überwunden, und hinzu kam ein weiteres
Problem. Der Berliner leidet an einer Darmerkrankung, die mit Tabletten und
einer kompletten Umstellung der Ernährung behandelt wird. ?Ich weiß,
dass ich aufgrund meines Trainings eigentlich etwas kann. Aber irgendwann
zwischen 600 und 700 Meter übersäuert meine Muskulatur. Und dann ist
innerhalb von zwei Schritten Schluss.? So passierte es zuletzt vor einer Woche
bei den Deutschen Staffelmeisterschaften, bei denen den Fürthern mit
Motchebon als Schlussläufer zehn Meter Vorsprung nicht zum Sieg reichten.
?Nicht anzutreten, um meine Bilanz sauber zu halten, war für mich nie ein
Thema. Ich bin immer gelaufen, auch wenn es nicht so gut lief, denn ich habe
Spaß an meinem Sport. Und bei Deutschen Meisterschaften gibt es immer
eine Chance.?
Der Winter vor zwei Jahren, das war Nico Motchebons letzte gute Saison.
Damals wurde er zum zweiten Mal Dritter bei der Hallen-WM und lief eine
Weltbestzeit über 600 m. Langfristig hatte der Olympiavierte von 1996 dann
auf die Spiele in Sydney hingearbeitet. Doch das Drüsenfieber stoppte ihn.
Mit dem Virus im Körper und der Campingausrüstung auf dem
Rücken, wanderte in Amerika statt in Sydney zu laufen. ?Als das
800-m-Finale stattfand, war ich gerade im Grand Canyon. Ich wollte mir das
nicht antun, die Spiele im Fernsehen zu sehen.? So erfuhr er erst später
vom Triumph des Nils Schumann. Ebenfalls erst mit Verspätung wurde ihm
bekannt, dass sein Manager Klaus Kärcher die Betreuung von Nils Schumann
übernommen hat. Das ist der Grund für Motchebon, sich nun auch selbst
um Sponsoren zu bemühen. Doch auf diesem Feld läuft zurzeit nichts.
?Bei Anfragen bekomme ich den Eindruck, dass es in Deutschland nur noch einen
einzigen 800-m-Läufer gibt.? Jahrelang hieß der Nico Motchebon,
jetzt ist es Nils Schumann. Das merkt der 31-Jährige mitunter sogar bei
den Organisatoren der Sportfeste, bei denen er starten möchte. ?Der Ton
hat sich geändert. Manchmal habe ich das Gefühl, als Mensch weniger
wert zu sein. Und das finde ich dann schon bedenklich. Ich habe den Eindruck,
selbst wenn ich bei den Weltmeisterschaften Dritter werden würde, was ja
ein großer Erfolg wäre, würde sich daran nichts
ändern.?
Trotz der Konkurrenzsituation hat Nico Motchebon kein Problem mit Nils
Schumann, er könnte sich sogar eine gewisse Zusammenarbeit vorstellen. Die
erscheint mittelfristig gar nicht einmal unrealistisch, denn Motchebons Trainer
Idriss Gonschinska betreut auch Mark Eplinius. Beide trainieren
regelmäßig zusammen, und Eplinius ist wiederum gut befreundet mit
Schumann. ?Zurzeit gibt es wenig Berührungspunkte mit Nils. Aber wenn sich
die Möglichkeit ergibt, sich gegenseitig zu helfen, dann ist das für
alle gut. Das Training ist schon hart genug, da braucht man sich nicht auch
noch gegenseitig zu blockieren?, sagt Nico Motchebon und fügt hinzu:
?Meist ist das eher ein Problem zwischen den Trainern.? Nachdem sich Schumann
jedoch von Dieter Hermann getrennt hatte und nun zunächst von seinem Vater
betreut wird, könnte sich hier durchaus etwas ergeben.
Den Sommer mit den Weltmeisterschaften in Edmonton sieht Nico Motchebon
allerdings als seine wohl letzte Chance. ?Wenn ich die Qualifikation nicht
schaffe, dann kann ich es mir nicht mehr leisten, weiter zu machen. Denn
Spitzensport zu betreiben, das ist teuer?, sagt Nico Motchebon, der mit dem
Ende der Olympiasaison 2000 rund 90 Prozent seiner Einkünfte verlor, weil
die Verträge ausliefen. Sogar sein Sportsponsor Adidas, mit dem Motchebon
schon als Jugendlicher im Modernen Fünfkampf verbunden war, machte einen
Rückzieher.
Der Schritt vom Sport- ins Berufsleben wird jedoch kein einfacher für
Nico Motchebon, der Informatik studiert hat. ?20 Jahre lang habe ich eigentlich
das gemacht, was mir Spaß macht.? Doch die Suche nach einem Pendant im
Beruf ist schwer. ?Eigentlich will ich ja auch noch zwei, drei Jahre laufen.
Denn ich fühle mich so, dass ich noch große Leistungen vollbringen
kann.? So steht zurzeit die Gesundheit im Vordergrund, und der Verzicht auf
frühere Essgewohnheiten. ?Es gibt nichts mehr mit Zucker.? Nicht einmal
mehr Cola.