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„Ich werde für das ISTAF kämpfen“

Christian Schenk ist der neue Meeting-Direktor des Berliner ISTAF, das am 6.

September den Abschluss der Golden-League-Serie bildet. Der 37-Jährige

wurde 1988 in Seoul Olympiasieger im Zehnkampf. Bei der WM 1991 war er Dritter,

in Stuttgart 1993 belegte er Platz vier und beendete anschließend seine

Karriere. Im Sport-Consulting arbeitet Christian Schenk heute für

verschiedene Unternehmen und betreut diverse Events. Seine Agentur

„Christian Schenk Sports“ hat Büros in Rostock und Berlin.

Herr Schenk, wie kamen Sie zum ISTAF?

Christian Schenk: Die Verbindung entstand in Nairobi. Dort lernte ich

während der Präsentation der Berliner WM-Bewerbung den Regierenden

Bürgermeister der Stadt, Herrn Wowereit, und den Präsidenten der

Industrie- und Handelskammer, Herrn Gegenbauer, kennen. Vor eineinhalb Jahren

war ich übrigens schon einmal als Meeting-Direktor im Gespräch, aber

das war mehr eine fixe Idee. Inzwischen bin ich ja auch von Rostock nach Berlin

gezogen.

Haben Sie angesichts der vielen negativen Publicity über das ISTAF

während der letzten Zeit überlegt, diesen Job abzulehnen?

Christian Schenk: Als ehemaliger Zehnkämpfer? Welche Frage! Ich werde

für das ISTAF kämpfen. Außerdem passt das Anforderungsprofil

des Meeting-Direktors sehr gut zu meiner bisherigen Tätigkeit –

Moderation, Konzeption und Umsetzung von Projekten. Hinzu kam noch, dass ich es

zum ersten Mal in Nairobi erlebt habe, dass die Politik, die Wirtschaft und die

Leichtathletik an einem Strang ziehen können. Das sind gute

Voraussetzungen für das ISTAF. Herr Wowereit, hat zudem gesagt, dass

Berlin die europäische Sportstadt werden soll. Um solche Ziele zu

erreichen, braucht man Inhalte. Hertha, Alba oder der real,- BERLIN-MARATHON

gehören dazu, so auch das ISTAF.

In einem derartigen Job sind Sie neu, und zudem bliebt Ihnen nicht viel

Zeit.

Christian Schenk: Das ist richtig, aber man muss sehen, woher ich komme. Ich

habe früher das Zehnkampf-Team mit aufgebaut, habe vier Jahre beim ZDF

gearbeitet und bin seit 1996 mit meiner Agentur in verschiedensten Bereichen

für den Sport tätig. Ich kenne die unternehmerische und die TV-Seite.

Zu meinen Aufgaben beim ISTAF zählen, die Verträge mit den Athleten

abzuschließen, die Veranstaltungsinhalte zu koordinieren, die

Medien-Präsenz zu verstärken und ein modernes Image aufzubauen.

Wichtig war mir, dass alle Bereichsleiter der ISTAF-Organisation nach wie vor

zur Verfügung stehen. Das ist der Fall. Deswegen sehe ich keine zeitlichen

Probleme.

Und bei den Athletenverträgen hilft Ihnen der Chef des Osloer

Golden-League-Meetings, Svein Arne Hansen.

Christian Schenk: Svein Arne Hansen ist wie ein Pate für uns, ich habe

mich lange Zeit mit ihm unterhalten. Sein Meeting ist das erste der Golden

League, und danach hat er Zeit für das ISTAF. Auch Oslo hat nicht so viel

Geld und trotzdem ein sehr gutes Meeting. Die Bedingungen sind ähnlich,

deswegen passt er sehr gut zu uns. Mit seiner offenen Art kann er uns

helfen.

Ein bisschen kurios ist das aber doch, schließlich ist Oslo im

Rennen um die fünf Golden-League-Plätze für 2003 ein Konkurrent

für Berlin.

Christian Schenk: Die Osloer sind da sehr selbstbewusst. Wir werden in den

nächsten Tagen sehen, wie die Entscheidung ausfällt. Ich gehe davon

aus, dass auch wir den Golden-League-Status nicht verlieren werden. Der

Deutsche Leichtathletik-Verband ist einer der größten Verbände

weltweit, wir bringen in der Leichtathletik ständig Medaillengewinner

hervor, und Berlin ist eine Metropole. Mit dem Olympiastadion haben wir bald

auch die beste Leichtathletik-Arena. Aber nach den Erfahrungen von Nairobi sind

wir gebrannte Kinder, wir fühlen uns bestimmt nicht zu sicher. Dennoch

finde ich es richtig, dass die Serie auf fünf Meetings reduziert wird.

Und wenn das ISTAF 2003 nicht mehr dabei ist ...

Christian Schenk: ... dann wird es sehr schwer. Es könnte das Ende des

ISTAF sein.

Wie ist die finanzielle Situation?

Christian Schenk: Die aus dem vergangenen Jahr ausstehenden Gelder für

die Athleten werden zurzeit gerade bezahlt. Für dieses Jahr ist ein Etat

von einer Million Euro gesichert. Mit dem könnten wir leben. Wenn Berlin

jedoch in der Golden League bleibt, wird das die Sponsorensituation auch noch

für das diesjährige ISTAF positiv beeinflussen.

Gibt es Neues zum TV-Problem? Die IAAF verlangt, dass die komplette

Golden League im freien Fernsehen zu sehen ist.

Christian Schenk: Für das ISTAF haben wir eine Garantie vom ZDF.

Für die anderen Meetings gibt es Absichtserklärungen, aber da ist

noch nichts fest. Aufgrund der schwierigen Fernsehsituation wollen wir das

ISTAF im nächsten Jahr auf Sonntag Nachmittag verlegen.

Nun müssen Sie gleich in Ihrem ersten Jahr auch noch ins lediglich

19000 Zuschauer fassende Jahn-Stadion umziehen.

Christian Schenk: Bei einem Neuanfang ist das vielleicht gar nicht einmal so

schlecht. Wir haben dort die Chance, den Zuschauern die Stars hautnah zu

präsentieren. Die Stadien in Zürich und Oslo sind auch nicht viel

größer. Eine volle Arena wird eine prima Stimmung bringen. Und wir

haben auch die Möglichkeit, für das ISTAF im früheren Ostteil

der Stadt neue Fans zu gewinnen. Zusatztribünen können wir aus

finanziellen Gründen jedoch nicht aufstellen.

Wie wollen Sie die Fans ins Jahn-Stadion locken, das über keine gute

Infrastruktur verfügt?

Christian Schenk: Im Bereich Werbung in der Stadt ist mir in den letzten

Jahren zu wenig passiert. Wir müssen Emotionen aufbauen mit tollen Duellen

wie vielleicht Heike Drechsler im Weitsprung gegen Marion Jones oder über

800 Meter Nils Schumann gegen André Bucher. Wir müssen die

Zweikämpfe hervorheben, die Typen, die Ästhetik. Die Leute

müssen angelockt werden und gerne kommen. Und ich möchte neue

gesellschaftliche Kreise für das ISTAF interessieren. Reiner Sport ist

nicht mehr zu verkaufen.

Gibt es den Zehnkämpfer Christian Schenk noch?

Christian Schenk: Also irgendwie muss ich schon ein Zehnkämpfer

bleiben. Stabhochsprung mache ich nicht mehr, aber im Hochsprung wären

zwei Meter vielleicht noch drin. Zwei- bis dreimal in der Woche jogge ich,

spiele Golf und mache allgemeines Fitnesstraining.

Mit Alain Blondel, der bei Ihrem Olympiasieg 1988 Sechster war, war ein

weiterer Zehnkämpfer als Meeting-Direktor des ISTAF im

Gespräch.

Christian Schenk: Er ist einer meiner besten Freunde, die ISTAF-Entscheidung

belastet das nicht.

Der real,- BERLIN-MARATHON

präsentiert: Daten und Fakten zur IAAF Golden League