Der olympische Fluch
Es sieht fast so aus, als sollte sich der olympische Fluch für Hicham
El Guerrouj auch bei seiner dritten Olympiateilnahme fortsetzen. Der beste
Mittelstreckenläufer des vergangenen Jahrzehnts musste bei der
Leichtathletik-Generalprobe für Athen, bei der vierten Station der IAAF
Golden League beim legendären Meeting in Zürich, mit Platz zwei
vorlieb nehmen.
Jahresweltbestzeit von Lagat: 3:27,40
1996 war der Marokkaner im olympischen 1500-m-Finale gestolpert, 2000 in
Sydney fing ihn in einem mitreißenden Spurtduell der Kenianer Noah Ngeny
kurz vor der Ziellinie noch ab. Nach gesundheitlichen Problemen meldete sich
Hicham El Guerrouj in dieser Saison offenbar gerade noch zur rechten Zeit
zurück, um im dritten Anlauf endlich Gold zu gewinnen. Doch in Zürich
meldete ein anderer seine Ansprüche an: Bernard Lagat. Der Kenianer gewann
ein superschnelles 1500-m-Rennen in der Jahresweltbestzeit von 3:27,40 Minuten.
Das ist die schnellste 1500-m-Zeit seit knapp zwei Jahren. Hicham El Guerrouj
gab am Ende nicht mehr alles, nachdem er gemerkt hatte, dass er Bernard Lagat
nicht würde schlagen können, und lief in 3:27,64 ins Ziel.
Über 800 Meter auch Jahresweltbestzeit
Ein Kenianer lief auch über 800 Meter Jahresweltbestzeit: Wilfred
Bungei setzte sich in erstklassigen 1:43,06 Minuten an die Spitze. Er wird nach
dieser Leistung zu den großen Favoriten auf die Goldmedaille in Athen
zählen. Eine persönliche Saisonbestleistung erreichte als Zweiter
auch William Yiampoy (Kenia) mit 1:43,29. Als Vierter blieb Wilson Kipketer
(Dänemark) in 1:43,89 Minuten immer noch unter 1:44. Kipketer wird eine
olympische Goldmedaille wohl auf jeden Fall versagt bleiben. Der gebürtige
Kenianer, der Däne wurde und deswegen 1996 bei Olympia nicht
startberechtigt war, wurde 2000 sensationell im Spurt von Nils Schumann
geschlagen. Während Schumann verletzungsbedingt seinen Titel nicht
verteidigen kann, droht dem lange dominierenden Kipketer das gleiche Schicksal
wie El Guerrouj.
Olympia-Aus für Shaheen
Und noch ein olympisches Schicksal gab es in Zürich: Saif Saaeed
Shaheen (Katar) gewann überlegen die 3000 Meter Hindernis in
hervorragenden 8:00,60 Minuten. Er verpasste zwar das Ziel, den Weltrekord zu
brechen, doch schwerer wiegt das Olympia-Aus. Nachdem Shaheen im vergangenen
Jahr für Aufsehen gesorgt hatte, weil er die Staatsbürgerschaft
wechselte und anstatt für Kenia bei der WM Gold für Katar gewann, ist
er bei Olympia nicht startberechtigt. Für einen olympischen Start für
Katar hätte Kenia seine Zustimmung geben müssen – doch das
taten die Kenianer nicht. Zweiter wurde in Zürich Ezekiel Kemboi
(Kenia/8:12,75), der nun als Gold-Favorit gilt. Das 5000-m-Rennen gewann der
Kenianer John Kibowen in 13:01,69 Minuten.
Mutola wieder vorn
Bei den Frauen erlebte Zürich im Mittel- und Langstreckenbereich vor
allem die Rückkehr von Maria Mutola (Mozambique) zur alten Form. Nach
einer verletzungsbedingten Schwächeperiode gewann die Olympiasiegerin, die
im vergangenen Jahr den IAAF Golden-League-Jackpot von einer Million Dollar
ganz alleine gewann, die 800 Meter souverän in erstklassigen 1:57,47
Minuten. Im Endspurt hatte Jear Miles-Clarke (USA/1:58,03) keine Chance.
Über 1500 Meter musste sich Mutolas Trainingspartnerin Kelly Holmes im
Endspurt der Polin Wioletta Janowska (4:03,09 Minuten) geschlagen geben.
Ebenfalls rechtzeitig vor Olympia scheint Edith Masai in Form zu kommen. Die
Kenianerin, die im März Cross-Weltmeisterin über die Kurzstrecke
geworden war, gewann das 3000-m-Rennen in 8:36,43 Minuten. Deutlich war ihr
Vorsprung vor Tola Kotu Zenebech (Äthiopien/8:40,32) und Sonia
O’Sullivan (Irland/8:41,42). In Athen allerdings wird die Konkurrenz
über 5000 Meter stärker sein.