Helmut Schiessl in souveräner Manier zum Titel am Hochgrat Auch Stefanie
Buss erfolgreiche Titelverteidigerin – Deutsche Berglauf-Meisterschaften
in Oberstaufen – Kritik an DM-Terminierung eine Woche vor der
World-Trophy
Die Vorjahresmeister sind auch die aktuellen Titelträger, so
lassen sich in Kurzform die deutschen Berglaufmeisterschaften in Oberstaufen
umschreiben. Mit eindrucksvollen Leistungen behaupteten nämlich
auf der ungewohnt kurzen Distanz von 6,040 m Helmut Schiessl und Stefanie Buss
am 1708 m hohen Hochgrat ihre Vormachtstellung im Deutschen
Leichtathletik-Verband.
Während der Buchenberger keine Probleme hatte, den nur noch sporadisch
startenden Thomas Greger, immerhin Meister der Jahre 2000 bis 2002, klar auf
Distanz zu halten, hatte die für den ASC Rosellen/ Neuss startende
Stefanie Buss doch zu kämpfen, um die nach einer Babypause in nahezu
„alter Stärke“ wiederkehrende Romy Lindner und die dichtauf
folgende Alexandra Bott in die Schranken zu verweisen.
Das Erfolgsrezept von Helmut Schiessl: „Im Steilen richtig Gas
geben!“
„Ich konnte im Steilen richtig Gas geben, das ist eben auch meine
Stärke“, freute sich Helmut Schiessl über seinen erneute Sieg,
der mit über einer Minute Vorsprung auch reichlich komfortabel ausfiel.
Dies ist etwas verwunderlich, weil der Buchenberger vor zwei Wochen erst bei
der Berglauf-Long Distance-WM, integriert in den über 33 km führenden
Klassiker Sierre-Zinal im Schweizer Wallis, hinter dem Mexikaner Ricardo Mejia
überraschend Silber gewonnen hatte. „Ich hatte vielleicht zwei Tage
schwere Füße, dann aber lief es schon wieder normal“.
Während Schiessl sein Rennen nach Belieben gestalten konnte, musste sich
der inzwischen als Grund- und Hauptschullehrer in Ludwigshafen tätige
Thomas Greger dem Newcomer Andre Green erwehren, der als Flachländer aus
Hamburg immer mehr Gefallen am Berglauf findet und sich als knapp geschlagener
Dritter auf direktem Wege für die Berglauf-Nationalmannschaft
qualifizieren konnte. „Für mich war es schon ein optimales
Ergebnis“, bekannte Thomas Greger, der als junger Familienvater nur noch
sporadisch zum Laufen kommt und erstmals bei einer Meisterschaft ohne
Berglauftraining ins Rennen gegangen war. „Mich freut es, dass ich Andre
Green noch in Schach halten konnte, und dies, obwohl meine Lungen heftig
gepfiffen hatten!“
„Ich glaube, Berglaufen könnte für mich eine neue
Herausforderung sein
Während Greger sich mit dem Schulbeginn in Rheinland-Pfalz
beschäftigt, darf der deutsche Crossmeister und frühere
Hindernisspezialist Green die Koffer für die Berglauf-World-Trophy in
Italien packen. „Wenn die Strecke etwas länger gewesen wäre,
hätte ich sogar noch Thomas eingeholt. Es lief wirklich gut. Mir kam vor
allem der gleichmäßige Anstieg entgegen!“ Und blickt bereits
weiter in die nächste Saison: „Ich glaube, Berglaufen könnte
für mich eine neue Herausforderung sein. Wenn ich im Winter
kräftemäßig noch etwas zulegen kann, dann sehe ich im
Berglaufen noch Perspektiven“.
Interessante Anmerkungen für einen Langstreckler, der zu Saisonbeginn im
Begriff war, vom Leistungssport zum Funläufer zu mutieren, nicht zuletzt,
weil er nach seinem Studium mit der Planung und Durchführung von
Promotionaktivitäten von Reebok ein interessantes Betätigungsfeld
gefunden hat, das natürlich mehr als nur ein Nebenjob ist.
DLV-Berglauf-Chef Münzel: „Erwarte gutes Abschneiden bei
der World-Trophy!“
Defizite sieht derzeit auch Romy Lindner, die in der nationalen Szene vor
ihrer Babypause schon den Ton angegeben hatte und sich nun wieder anschickt,
zur Spitze aufzuschließen. „Ich trainiere seit März.
Dafür läuft es schon recht ordentlich. Unser Sohn Paul fordert schon
die ganze Aufmerksamkeit. Ich muss mir die Zeit einfach stehlen, deshalb muss
ich auf das zeitintensive Mountainbike-Fahren verzichten“, erklärte
Romy Lindner. Sie musste sich bis zum Ziel der stark auftrumpfenden Alexandra
Bott erwehren, die sich ebenso für die WM qualifizieren konnte wie auch
die einheimische Kerstin Harbich, die auf ihrer Hausstrecke nicht über
Rang vier hinaus kam.
Gegen die Routiniers wie Schiessl, Greger und Co. hatten es die jungen
Läufer um Timo Zeiler, der allerdings wegen einer langwierigen Verletzung
noch Trainingsrückstand hat, schwer, sich zu behaupten. Als Sechster
rückt der Trochtelfinger ins WM-Team. „Für uns ist es wichtig,
gerade junge Läufer in die Nationalmannschaft zu integrieren. Deshalb wird
Timo Zeiler auch den Vorzug vor Dirk Debertin oder Eckhard Wagner bekommen,
obwohl diese im direkten Vergleich vor ihm einkamen“, rechtfertigt
DLV-Berglauf-Chef Wolfgang Münzel seine Nominierung. Mit einem starken
Team hofft Münzel auf ein ähnlich gutes Abschneiden wie bei dem
allerdings bergauf-bergab-führenden Welt-Championat in Alaska.
„Sowohl die Männer als auch die Frauen sollten unter die besten
sechs Teams kommen können. Bei den Junioren ist eine Prognose sehr schwer,
während ich bei den Juniorinnen schon mit einer Medaille
rechne!“
Termingestaltung in der Kritik
Kein glückliches Händchen hatten die Verantwortlichen mit der
Terminierung der deutschen Berglauf-Meisterschaften am Hochgrat in
Oberstaufen-Steibis. Für viele der weit angereisten Läufer war der
TV-Anschaungsunterricht der olympischen Marathonentscheidung der Männer am
späten Nachmittag schon alleine wegen der verstopften Autobahnen nicht
möglich. Das ließe sich vielleicht noch verschmerzen, dafür
wogen andere Aspekte weitaus schwerer.
Die Verbands-Verantwortlichen müssen sich nämlich fragen lassen, wie
sich die zwingend erforderliche Regeneration darstellen lässt, wenn eine
Woche nach der letzten Qualifikation die World Trophy im italienischen Sauze
d’Oulx bereits ansteht, bei der alle in Oberstaufen am Start stehenden
Athleten in Bestform sein sollten. Die für Meisterschaften
ungewöhnlich kurze Distanz von gerade einmal sechs Kilometern lässt
sich allenfalls mit dem steilen Parcours von 850 m Höhendifferenz
rechtfertigen. Nach einem herrlichen Sonnentag sorgten am Wettkampfmittag
widrige Witterungsverhältnisse an der Bergstation der Hochgratbahn
für ein Schnellverfahren bei der Siegerehrung, so dass die umfangreichen
Anstrengungen des TSV Oberstaufen um eine würdige Meisterfeier im
böigen Wind und Regenschauern regelrecht untergingen.
Wilfried Raatz
Hochgrat-Berglauf/ Deutsche Berglaufmeisterschaften
Oberstaufen/Steibis (6,040 m/ HD 850 m):
Männer:
1. Helmut Schiessl (TSV Buchenberg) 31:56, 2. Thomas Greger (TV
Hatzenbühl) 33:04, 3. Andre Green (LG Wedel-Pinneberg) 33:11, 4. Dirk
Debertin (SG Walldorf Astoria) 33:38, 5. Eckhard Wagner (SpVgg. Mössingen)
33:46, 6. Timo Zeiler (TSV Trochtelfingen) 34:03, 7. Matthias Hecktor (1. FRC
Kaiserslautern) 34:07, 8. Andreas Biberger (LC Mittenwald) 34:18, 9. Ulrich
(USC Freiburg) 34:19, 10. Jenne (USC Freiburg) 34:33, 11. Syme (LC Mittenwald)
34:36, 12. Fuhrbach (TV Hatzenbühl) 34:40, 13. Frei (USC Freiburg) 34:45,
14. Diehr (VfL Wolfsburg) 34:48, 15. Benz (LG Brandenkopf) 34:54, 16. Lindner
(LAC Erdgas Chemnitz) 35:08, 17. Englert (TV Hatzenbühl) 35:12, 18. Enders
(SV Frankenheim) 35:35, 19. Beha (FC Unterkirnach) 35:45, 20. Echtler (SVO
Germaringen) 35:54.
Junioren: 1. Benjamin Lindner (LAC Erdgas Chemnitz) 35:08, 2. Marcus Enders
(SV Frankenheim) 35:35, 3. Thomas Dold (SV Steinach) 36:20, 4. Fritz (LC
Chiemgau-Steigenberger) 36:40, 5. Seiler (LC ThüringenGas Erfurt) 37:08,
6. Matth. Jahn (LG Baunatal/ Fuldabrück) 37:24.
Mannschaften: 1. TV Hatzenbühl (Greger, Fuhrbach, Englert) 1:42:56, 2.
USC Freiburg (Ulrich, Jenne, Frei) 1:43:37, 3. TSV Buchenberg (Schiessl, Brack,
Winkler) 1:46:42, 4. SVO Germaringen 1:51:15, 5. LG Brandenkopf 1:52:04, 6. LG
Sieg/ Kreis Altenkirchen 1:52:53, 7. VfL Wolfsburg 1:55:30, 8. TSV Mindelheim
1:56:05, 9. FC Unterkirnach 1:57:26, 10. 1. FC Kaiserslautern
1:57:30.
Frauen:
1. Stefanie Buss (ASC Rosellen/ Neuss) 40:08, 2. Romy Lindner (LG Vogtland)
40:23, 3. Alexandra Bott (SSC Hanau-Rodenbach) 40:32, 4. Kerstin Harbich (TSV
Oberstaufen) 41:02, 5. Barbara Imgraben (TV Britzingen) 41:28, 6. Melanie
Hohenester 42:23, 7. Andrea Scharrer (beide LG Domspitzmilch Regensburg) 43:26,
8. Sylke Schmitz (TSV Kiebingen) 43:38, 9. Stengel (LG Domspitzmilch
Regensburg) 43:45, 10. Klein-Arndt (ASC Rosellen/ Neuss) 44:14, 11.
Mangold-Wolf (LC Chiemgau-Steigenberger) 44:22, 12. Reuter 44:47, 13. Reisinger
44:57, 14. Ke. Straub (alle SSC Hanau-Rodenbach) 45:11, 15. Karg (LG
Domspitzmilch Regensburg) 45:37.
Juniorinnen: 1. Lisa Reisinger 44:57, 2. Kerstin Straub (beide SSC
Hanau-Rodenbach) 45:11, 3. Eva-Maria Ferstl (LG Domspitzmilch Regensburg)
49:35, 4. Ka. Straub 50:03, 5. Annalena Steckelberg (beide SSC Hanau-Rodenbach)
50:50.
Mannschaften: 1. LG Domspitzmilch Regensburg (Hohenester, Scharrer, Stengel)
2:09:34, 2. SSC Hanau-Rodenbach (Bott, Reuter, Reisinger) 2:10:16, 3. ASC
Rosellen/ Neuss (Buss, Klein-Arndt, Jenke) 2:12:19, 4. SSC Hanau-Rodenbach II
2:25:00, 5. ASC Rosellen/Neuss II 2:30:10, 6. LG Domspitzmilch Regensburg II
2:33:07.