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Heinig: Eich muss nach München!

Carsten Eich rückt mit seinem Sieg beim 26. Stadtwerke-Leipzig-Marathon in

2:13:47 Stunden die Verhältnisse in der deutschen Marathonszene, Abteilung

Männlich, zwar zurecht, doch am Ende des letzten Marathonlaufes im

Qualifikationszeitraum für die Europameisterschaften in München

stehen mehr Fragezeichen als Klarheit in dieser Disziplin. Fakt ist

nämlich, dass der gebürtige Leipziger in seiner Heimatstadt bei

böigem Wind praktisch im Alleingang keinen Zweifel daran liess, dass er

gut ein dreiviertel Jahr nach einer Fersenoperation ein gelungenes Comeback

feiern durfte, das allerdings deutlich über der vom DLV geforderten

EM-Norm von 2:12:30 Stunden liegt. Dazu Bundestrainer Wolfgang Heinig:

„Ich werde dem DLV nach den vorliegenden Ergebnissen nur Carsten Eich

vorschlagen können. Er hat bewiesen, dass er unter diesen schwierigen

Bedingungen durchaus eine 2:12:30 laufen kann. Ich denke, der DLV sollte bei

Europameisterschaften im eigenen Land zumindest einen Athleten pro Disziplin

nominieren. Und unser bester Marathonläufer ist nach dieser Vorstellung

uneingeschränkt Carsten Eich!“

Voraussetzung ist natürlich, dass der Neu-Braunschweiger überhaupt

in München starten möchte. Mit dieser Zielstellung ist sich Carsten

Eich unmittelbar nach dem Zieleinlauf auf dem schmucken Marktplatz seiner

Heimatstadt noch nicht schlüssig. „Ich möchte nur dann in

München starten, wenn ich in einem internationalen Feld

konkurrenzfähig sein kann. Natürlich muss mich der DLV auch erst

einmal nominieren. Die Situation werde ich mit meinem Trainer Axel Krippschock

mit dem nötigen Abstand analysieren und dann meine Position

festlegen!“ Trotz nur kurzer Vorbereitungszeit („Da lief vieles

nicht nach Wunsch!“) legte Eich nach 1:07:02 zur Halbzeit noch einen

etwas schnelleren zweiten Streckenabschnitt hin. Bundestrainer Wolfgang Heinig,

übrigens auch ein Leipziger, zog vor der Leistung Carsten Eichs zumindest

symbolisch den Hut, denn aus dem Begleitfahrzeug wurde der DLV-Mann Zeuge,

unter welch schwierigen Bedingungen diese Endzeit zu Stande gekommen war.

Nachdem bereits nach sieben Kilometern Stephan Freigang wegen

Magen-Darm-Problemen aus der Spitze herausgefallen war und mit mehr als sechs

Minuten Rückstand Zweiter wurde, konnten alleine die beiden verpflichteten

kenianischen Tempomacher Gabriel Mutai und Abraham Tandoi Wegbahner zur EM-Norm

sein. Und dieses war nötig, denn neben dem böigen Wind musste sich

der Spitzenmann im Zickzackkurs durch die überrundeten Läufer bzw.

die langsamen Halbmarathonstarter schlängeln. „Das alles zusammen

hat Carsten glatt eine Minute gekostet!“ rechnete der Bundestrainer

später hoch.

Zwar hatte der Nachfolger des traditionsreichen KMU-Marathons mit dem seit

26 Jahren amtierenden Marathon-Chef Heinrich Hagenloch und Organisationsleiter

Hermann Härtwig mit 2 416 Anmeldungen einen gewissen Aufwärtstrend zu

verzeichnen, aber die Streckenwahl mit der großen Schleife im Süden

Leipzigs und zwei 10 km-Abschnitten mit einigen Kultur-Highlights erwies sich

einmal mehr für höhere Aufgaben und größerer Beteiligung

als sehr problematisch. „Im Prinzip unterstütze ich als Leipziger

die Marathon-Bestebungen“, bekannte Bundestrainer Heinig, „aber auf

dieser Strecke ist eine Marathon-DM unmöglich!“

Wilfried Raatz

Leipzig (28.4.): 26. Stadtwerke Leipzig-Marathon: Männer: 1. Eich (LG

Braunschweig) 2:13:47, 2. Freigang (LC Cottbus) 2:20:12, 3. Friedrich

(Chemnitzer PSV) 2:32:27, 4. Emmerling (PSV Halle) 2:36:18, 5. Homagk (SV

Neptun Finsterwalde) 2:40:22, 6. Müller (SC DHfK Leipzig) 2:40:59. Frauen:

1. Semjonowa (SC DHfK Leipzig) 2:57:02, 2. Hille (ESV Lok Potsdam) 3:13:16 (W

45).

Wo stehen die deutschen Marathonläufer? Bundestrainer Heinig zieht

Bilanz nach dem Marathon-Frühling

Bis auf Kathrin Weßel und Michael Fietz, die aus

Verletzungsgründen sich mit einer Sondererlaubnis noch in Regensburg am

12. Mai für die Europameisterschaften im Marathonlauf empfehlen

können, liegen die Leistungen unserer EM-Kandidaten vor. Welches Fazit

ziehen Sie?

Marathon-Bundestrainer Wolfgang Heinig: „Strenggenommen müssen

wir bei den Männern das Thema EM abhaken. Arndt, Bürklein, Beckmann

und Wolf brauchen scheinbar länger als sie selbst gedacht haben. Anders

als über 10 000 m lässt sich die Situation bei den Männern wohl

kurzfristig nicht verbessern. Angesichts der Umstände hat Eich heute eine

Klasseleistung vollbracht. Schade, dass er sich für Leipzig entschieden

und nicht in Hamburg seine Chance gesucht hatte. Ich werde ihn auf jeden Fall

für München vorschlagen. Losgelöst von Team-Verpflichtungen

sollte er als Einzelstarter gute Aussichten haben!“

Klammern wir einmal Dieter Baumann und nach der heutigen undiskutablen

Leistung auch Stephan Freigang für die Marathonstrecke aus. Es sieht in

dieser Disziplin bei den Männern fürwahr nicht rosig aus. Wie soll es

weitergehen?

Heinig: „Wir müssen Geduld haben. Die Ansätze mit den

gemeinsamen Trainingslagern in Portugal und Spanien müssen konsequent

fortgesetzt werden. Wenn ich keine Hoffnung hätte, dann wäre ich hier

nicht an der richtigen Stelle!“

Etwas mehr Freude bereitet Ihnen gewiss der Frauenbereich. Doch auch hier

dürften Sie Sorgenfalten haben?

Heinig: Ich bleibe auch nach Hamburg dabei: Sonja Oberem und Luminita Zaituc

werden in München gute Chancen haben. Kathrin Weßel muss jetzt in

Regensburg nachziehen. Ob Melanie Kraus noch rechtzeitig zurückkommen

wird, das ist fraglich. Bei Claudia Dreher verschleppt sich nach der Operation

der Heilungsprozess, sodass Ulrike Maisch derzeit unsere vierte Frau für

den Team-Wettbewerb in München sein wird. Da wir mit der Mannschaft

auf’s Podest wollen, ist eine zuverlässige, vierte Läuferin

sehr wichtig. Bis August sollte Uli noch auf einem besseren Niveau sein, als

dies in Bonn der Fall war.

Wie sehen Sie die deutsche Position nach den internationalen

Frühjahrsmarathonläufen in London, Boston, Rotterdam, Paris und

Hamburg?

Heinig: „Wenn wir bei den Frauen Paula Radcliffe und die

Afrikanerinnen ausklammern, dann muss ich sagen: Mit den besten

Europäerinnen können Oberem und Zaituc mithalten. Radcliffe’s

Leistung sollte aber einer Irina Mikitenko Mut machen, einen ähnlichen Weg

zu gehen. Halbheiten führen nicht weiter. Während wir bei den Frauen

am Ende des internationalen Zuges noch agekoppelt sind, haben wir bei den

Männern längst den Anschluss verpasst. Da hilft kein Wenn und

Aber!“

Das Interview führte Wilfried Raatz