Der Countdown hat begonnen, die Ausschreibung ist gedruckt, der nächste
Frauenlauf kommt bestimmt, und jetzt warten wir nur noch auf die Anmeldungen.
Ein Lauf nur für Frauen - ist das denn noch zeitgemäß?
Können sich Mädchen und Frauen nicht an allen Läufen beteiligen?
Warum wird ein Laufevent nur für Frauen organisiert?
Ausdauersportarten, vor allem Langstreckenläufe waren bis nach dem
zweiten Weltkrieg für Frauen tabu - sie schienen für das
"schwache Geschlecht" zu anstrengend zu sein. Daher mußten sich
Frauen als Männer verkleiden, wenn sie in den 60er Jahren am
Boston-Marathon teilnehmen wollten und daher können sie erst seit 1984 um
Olympische Medaillen im Marathon-Lauf kämpfen.
Seitdem sind die Strecken immer länger und die Zeiten der
Läuferinnen immer besser geworden, und wir wissen, daß Frauen
für Ausdauerdisziplinen geradezu prädestiniert sind. Trotzdem haben
sich Frauen in Deutschland noch nicht richtig für das Laufen begeistern
lassen. Frauen scheinen gegenüber dem Laufvirus weitgehend immun zu sein.
So waren Frauen beim Berlin-Marathon 1999 eine kleine Minderheit, sie stellten
ca. 14 % der über 20 000 Teilnehmer, und auch beim City-Night-Lauf
über 10 km dominierten 1999 mit 76 % der Teilnehmer die Männer.
Obwohl Frauen in den letzten Jahren laufend an Boden gewinnen konnten, sind sie
in der Laufbewegung immer noch Außenseiterinnen.
Die vorliegenden Untersuchungen können die Frage nach den Ursachen des
Desinteresses der Frauen am Laufen nur unzulänglich erklären. Ich
befragte daher - völlig unwissenschaftlich - meine Freundinnen und
Bekannten: "Warum läufst Du nicht?" Für die meisten war das
eine relativ seltsame Frage, ihnen war es einfach noch nie in den Sinn
gekommen, zu laufen, und daß ihnen schon der Gedanke, 5 oder 10 km zu
rennen, war ihnen völlig fremd. Und manche stellten auch die Gegenfrage:
Wozu soll Laufen denn gut sein? Warum soll ich denn eigentlich laufen?
Laufen - Warum? Die "Benefits"
Auf dem Weltforum des Sports, das UNESCO, das IOC und die WHO 1995 in Quebec
durchführten, wurden die gesundheitlichen Wirkungen des Sports intensiv
diskutiert. Die versammelten Experten verabschiedeten ein
"Konsenspapier", das auf abgesicherten Ergebnissen basiert und das
inzwischen veröffentlicht und weltweit verbreitet wurde. Ich bin keine
Medizinerin, daher kann ich die wichtigsten Vorteile des Ausdauersports nur
kurz nennen: Ausdauersport kann beitragen zur Gewichtskontrolle; zur
Normalisierung zu hohen Blutdrucks; zur Senkung des Cholesterin-Spiegels; zur
Vorbeugung gegen Diabetes; zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Und für Frauen ist besonders wichtig, daß Laufen (in Maßen)
präventiv gegen Osteoporose wirken kann. Neuere Studien ergaben auch,
daß Ausdauersport die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken,
verringert.
Laufen kann zudem zur psychischen Gesundheit beitragen. Gut gesichert sind
Abbau von Angst und Streß sowie positive Wirkungen bei Depressionen.
Inzwischen werden Kurse "Laufen gegen Depressionen" angeboten und die
Begleituntersuchungen ergaben, daß Laufen wirklich als
"Stimmungsaufheller" wirken kann. Zudem gibt es Hinweise, daß
Sport Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl stärkt und insgesamt das
psychische Wohlbefinden verbessert.
Inzwischen wird Laufen sogar als Jungbrunnen oder als
"Wunderpille" propagiert. So fordert einer der derzeit bekanntesten
Fitnesspäpste auf: "Laufen Sie sich jung!" "Die
Füße federn über Morgentau. Muskeln werden warm, streifen die
Schwere der Nacht ab. Sauerstoff durchflutet 70 Billionen Körperzellen.
Jeder Schritt lockert den Geist, räumt im Kopf auf, bis die Gedanken
fliegen. Ein Kokain-Kästchen öffnet sich im Bauch, übersprudelt
den Körper mit Fröhlichkeit. So schön kann Laufen sein."
Wers glaubt ...?
Aber man muß ja nicht immer alles messen, untersuchen und nachweisen.
Ich glaube alle, die sich mit dem Laufen angefreundet haben, fühlen am
eigenen Leibe, daß Laufen gut tut, sie wissen, wie Ärger und
Streß beim Laufen abfallen, wie glücklich man ist, wenn man am Ziel
angekommen ist, und daß man sich wie neu geboren fühlt, wenn man
dann unter der Dusche steht.
Laufen entspricht außerdem in vieler Hinsicht den Bedürfnissen,
die Frauen in Umfragen über ihr Sportengagement immer wieder nennen.
Zahlreiche Untersuchungen ergaben, daß Frauen aufgrund ihrer
Lebensbedingungen - ich erwähne hier nur die Doppel- oder sogar
Dreifachbelastung - häufig auf Sportangebote angewiesen sind, die sie
flexibel in ihren Alltag integrieren können. Weite Wege, teuere
Ausrüstung und feste Trainingszeit erschweren es vielen Frauen, Sport zu
treiben. Und Joggen ist - fast - überall und ohne großen Aufwand zu
betreiben, und die Belastung und Leistung sind individuell dosierbar. Die Angst
vor zu hohen Anforderungen ist nämlich ein weiterer Grund, der Frauen vom
sportlicher Aktivität abhalten kann. Laufen kann jedermann oder besser
jede Frau, da sind weder Vorkenntnisse und spezifische Fertigkeiten und
große motorische Kompetenzen notwendig.
Auch wenn man den Versprechungen der Fitnesspäpste, daß Laufen
eine "Wunderpille" sei und ewige Jugend schenken könne, nicht
glauben mag, gesund ist Laufen allemal und Spaß macht es auch!
Der Frauenlauf als Werbung für den Frauensport
Eine Möglichkeit, Frauen für das Laufen zu begeistern, ist Lauf, an
dem sich ausschließlich Frauen beteiligen und bei dem keine Teilnehmerin
Angst haben muß, zu alt, zu langsam oder zu ungeübt zu sein. In
Norwegen macht der Grete-Waitz-Lauf Oslo jedes Jahr Schlagzeilen. Oslo wird -
zumindest für einen Tag - zur Stadt der Frauen: Zwischen 30 000 und 40
0000 Frauen laufen mit, und das, obwohl Oslo nur 500 000, Norwegen nur 4,4
Millionen Einwohner/innen hat. Ein relativ geringer Prozentsatz der
Teilnehmerinnen läuft in der "Eliteklasse" oder der
"Wettkampfklasse" um Meter und Sekunden. Der überwiegenden
Mehrheit reicht es, am Ziel anzukommen. Die meisten joggen langsam, viele
walken, manche haben einen Kinderwagen dabei, andere singen oder führen
zwischendurch kleine Tanzeinlagen vor.
Typisch ist, daß die Frauen in Gruppen laufen, mit Freundinnen,
Kolleginnen oder Familienmitgliedern, oft Mütter mit ihren Töchtern.
Typisch ist auch, daß der Lauf Partyatmosphäre hat. Manche Grupen
treffen sich schon vorher, um gemeinsam im Park zu picknicken, und daß
hinterher ein großes Fest steigt, ist klar. Und es ist üblich, sich
zu kostümieren. Dabei wenden die Frauen viel Phantasie auf, sie verkleiden
sich als Krankenschwestern, Kellnerinnen oder Polizistinnen, als Hexen oder
Clowns, als Prinzessinnen oder Indianerinnen.
Auf die Frage, was denn so attraktiv ist an diesem Lauf, an dem Männer
nur in Verkleidung teilnehmen können, nannten die Norwegerinnen die
Atmosphäre, die Lockerheit, die geringe Konkurrenzorientierung. Der Lauf
sei einfach ein Happening. Auch das Gefühl, keine großen Leistungen
zeigen zu müssen und sich nicht zu blamieren, scheint wichtig zu sein.
Für die Wettkampfläuferinnen ist es zudem ein großes Erlebnis,
nicht im Pulk der Männer, sondern wirklich als Erste oder Fünfte
durchs Ziel zu laufen und im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Und es
macht Spaß - das ist das Allerwichtigste.
Der nächste Frauenlauf in Berlin kommt bestimmt: Er findet am 26.5.2001
statt. Die Teilnehmerinnen können zwischen einem 10 km Lauf und einem 5 km
Fun Run (Walking) wählen. Und alle sind eingeladen, vorher gemeinsam zu
trainieren, und zwar ab 31. März 2001 jeden Sonnabend um 17.00 im
Tiergarten. Treffpunkt: John-Foster-Dulles-Allee, Nähe Haus der Kulturen
der Welt.
Anmeldung und Information: SCC-Running. Waldschulallee 34, 14055 Berlin, Fax
030 3025370, Tel. 030 3062203, email: info@berlin-marathon.com
Und zum Schluß ...
Uta Pippig hat angeblich gesagt: Beim Laufen ist der schwerste Schritt der
über die eigene Türschwelle. Ich hoffe, daß möglichst
viele Frauen diesen ersten Schritt schaffen. Und daß wir uns am 31.
März zum ersten Training und dann auch beim Frauenlauf treffen.
Gertrud Pfister