Wo stehen sie, die deutschen Langstreckler der Abteilung Straße? Bringen
wir es auf den Punkt: Die nationalen Titelkämpfe über die
Halbmarathondistanz im fränkischen Burghaslach konnten darüber keinen
Aufschluss geben. Angesichts der Streckenführung und der vorherrschenden
Bedingungen ist eine realistische Analyse über den tatsächlichen
Leistungsstand der zuletzt vielgescholtenen Sparte der olympischen Kernsportart
objektiv nicht gegeben. Eine windanfällige, wellige knapp 10 km lange
Schleife “in das Niemandsland“ war keineswegs der Motivationsschub
für die Eich, Zaituc, Maisch und Co. zum Auftakt der Frühjahrssaison.
Die kommenden Straßenrennen auf Flachdistanzen und vor allem gegen
internationale Konkurrenz werden sicherlich eher zum Gradmesser für das
aktuelle Leistungsvermögen herangezogen. Die nüchternen Siegerzeiten
der überzeugend durchstartenden Carsten Eich mit 1:04:24 bzw. von Luminita
Zaituc mit 1:14:08 Stunden sind freilich international keinen Pfifferling wert,
die Abstände der Verfolger keineswegs angetan, auf eine sich
möglicherweise ankündigende Trendwende zu verweisen. Denn alleine
einmal mehr den Stab über die deutsche Langstreckenzunft zu brechen,
wäre schlichtweg unfair angesichts der redlichen Bemühungen der
Athleten.
“Das ist ein Neuanfang“ freute sich Carsten Eich im Ziel auf dem
Kirchplatz in Burghaslach. Der im Vorjahr von Fürth nach Braunschweig
gewechselte Leipziger muss zwangsläufig genügsam werden,
schließlich war er nach den Querelen um seinen EM-Start aus jeglicher
Kaderförderung ausgeschlossen worden, zudem hatte er beim Berlin-Marathon
im Herbst aufgegeben. “Wir haben ein Zwei-Jahres-Konzept“,
verrät Carsten Eich seine Zukunftspläne, die er zusammen mit seinem
Trainer Axel Krippschock umsetzen möchte. “Ein Marathonlauf wird
erst für den Herbst angestrebt!“ Im Vordergrund wird die
Wiedererlangung der Lauffreude stehen, die ihm aus naheliegenden Gründen
zwischenzeitlich gänzlich abhanden gekommen war. “Wenn dieses
Konzept vom DLV nicht akzeptiert wird, dann tut es mir leid. Wir werden dieses
Ding dann alleine umsetzen!“ ergänzt Krippschock, der mit seinem
Schützling bereits im Herbst mit einem schnellen Marathonresultat den Weg
in Richtung Olympiastart ebnen möchte. Einen kleinen (Motivations-)Schritt
dazu setzte Carsten Eich in der kleinen Steigerwaldgemeinde mit dem sechsten
Halbmarathon-Titel. “Bei diesem Gegenwind wollte ich natürlich nicht
auf Zeit laufen, das wäre zudem auch nach einer sechsmonatigen
Wettkampfpause nicht sinnvoll gewesen!“
Der “Lange“ bestimmte vom Start weg das Tempo, ohne aber Druck
zu machen. An seiner Seite wirkte vor allem sein neuer Clubkollege und
Halbmarathondebütant Oliver Dietz besonders tatenfroh. Während in der
gegenwindträchtigen Schlussphase Martin Beckmann und Sebastian
Bürklein ihre “Marathonhärte“ ausspielten, fiel der aus
dem nahen Gerbrunn stammende Dietz doch merklich zurück. Als Fünfter
sicherte er aber der LG Braunschweig im Verbund mit Mario Burger mit 23
Sekunden Vorsprung die Meisterschaft vor dem TV Wattenscheid, bei dem vor allem
Michael Fietz als 23. stark enttäuschte. Zu einer festen Größe
der Straßenlaufszene scheint Martin Beckmann heranzureifen, denn der
Überraschungs-Marathonmeister von Berlin holte sich noch vor Sebastian
Bürklein (“Bei mir hat das Zahnmedizin-Examen derzeit noch erste
Priorität“) die Vizemeisterschaft. Keine Rolle spielten hingegen im
Kampf um die Medaillen Michael Wolf und Jirka Arndt.
Verhaltene Freude bei Luminita Zaituc, die sehr zum Missfallen von
Bundestrainer Wolfgang Heinig zwei Wochen vor der European 10 000 m-Challenge
an der Halbmarathon-Startlinie in Burghaslach stand. “Die Zeit spielt
doch heute keine Rolle. Es ging doch nur darum, die Titel nach Braunschweig zu
holen. Das bin ich meinem Verein schuldig!“ Die EM-Zweite lief zwar nicht
“volle Kanne“ (wie sie ihr Engagement leger umschrieb), musste aber
dennoch einiges tun, um die stark wirkende Titelverteidigerin Ulrike Maisch
abzuwehren, die trotz Nasenbluten mit 1:14:30 Stunden sogar noch Hausrekord
lief. Für Luminita Zaituc, die beim Hamburg-Marathon Ende April als erste
Sieganwärterin gilt, wurden 1:14:08 gestoppt. “Schade, ich musste es
schon früh abreißen lassen“, gestand Susanne Ritter, die fast
eine Minute hinter der Rostockerin Dritte wurde, aber mit Victoria
Willcox-Heidner der LG Braunschweig den Mannschaftstitel sicherte.
Juniorensiegerin wurde wie schon in Schotten die Leipzigerin Romy
Spitzmüller, die für den Herbst ihr Marathondebüt
ankündigte.
Ein Unding war die Startfläche für die jugendlichen 10
km-Läufer. Bereits fünfzehn Meter nach der Startlinie bog die
Streckenführung rechtwinklig ab. Gottlob gab es bei allem ungebremsten
Eifer im Massenstartgetümmel keinen Sturz, ehe die Nachwuchsläufer
für eine knappe halbe Stunde ins Niemandsland entschwanden. “Als
Coach stand man auf fast verlorenem Posten“, kritisierte der Bonner
Trainer Thomas Eickmann. Bleibt die Hoffnung auf die Titelkämpfe 2004, die
auf einem 5 km-Rundkurs in Siegburg ausgetragen werden sollen. Der engagierte
Bonner Coach Thomas Eickmann ist stets bekannt für seine kritischen Worte,
er wird dann einmal mehr auf dem (Ausrichter-)Prüfstand stehen.
“Endlich hat es bei einer DM einmal geklappt“, freute sich
Stefan Koch als Tagesschnellster über 10 km, der nach einer Schrecksekunde
beim Start (“Ich hätte fast auf der Nase gelegen“) schon nach
knapp zwei Kilometern das Heil in der Flucht suchte und mit 31:01 Minuten
letztlich fast fünfzig Sekunden Vorsprung vor dem Zweitplatzierten Robert
Patzschke hatte. Martel Zelalem wollte es ihm im separat gestarteten
B-Jugendrennen gleich tun, musste dann aber auf seine Spurtstärke setzen,
um nach einer Schwächephase letztlich noch zum hauchdünnen Sieg in
32:42 vor Christian Glattling zu kommen. Bei den Mädchen ließ
Eva-Maria Stöwer nichts anbrennen und holte sich nach dem B-Jugend-Erfolg
des Vorjahres diesmal den Meistertitel der A-Jugend, während sich bei den
Klassenjüngeren Cornelia Schwennen gegen Lea Musekamp bis ins Ziel hinein
für die Meisterschaft strecken musste.
Wilfried Raatz
Ergebnisse unter www.tsv-burghaslach.de