Die Welt des Langstreckenlaufens schreibt viele begeisternde Geschichten, aber
der Lebenslauf von Fauja Singh ist einmalig. Als Bauernkind in Indien geboren,
ist er vor elf Jahren nach England gekommen, und im Alter von 89 hat er mit dem
Laufsport angefangen! Beim Flora London-Marathon im April ist das Sondertalent
bei nassem, kaltem Frühlingswetter 6:07:13 gelaufen. Hut ab! Aber es gibt
noch mehr zu bewundern.
Singh war schon 2002 Weltrekordler seiner Altersklasse, mit 5:40:14 in
Toronto. Diese Leistungen haben die Sportartikelfirma adidas beeindruckt. Auf
diese Weise ist der 93-Jährige ,Mitläufer’ von David Beckham
und Zinedine Zidane geworden. Aber trotz seines Sponsorenvertrages leistet sich
Singh kein Luxusleben. Er sammelt durch sein Laufen für wohltätige
Zwecke, insbesondere für zwei Organisationen: Die britische Herzstiftung
und BLISS. BLISS kümmert sich um Frühgeburten. Als Schüler in
Punjab in Nord-Indien lief er einst Crossläufe. Jetzt, nach einem halben
Jahrhundert Unterbrechung, hat er sein Talent wiederentdeckt.
„Von Gottes Gnaden laufe ich noch," erklärt er. „Und
wegen meines Glaubens laufe ich, um den Schutzlosen zu helfen." Dabei ist
sein Körper ein Meisterwerk. Im Vergleich mit einem Durchschnittsmenschen
im Alter von 93, ist Fauja Singh ein physiologisches Wunder. Seine allgemeine
Kondition ist 180 Prozent höher als bei anderen in seinem Jahrgang. Aber
es kommt noch besser: Es gibt einen Unterschied zwischen seinem linken und
seinem rechten Bein. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen gleicht sein linkes
Bein mehr dem eines 20-Jährigen. Sein rechtes besitzt immerhin die Kraft
eines 50-Jährigen. Immerhin schafft er ein bewundernswertes
Trainingspensum: zirka 7 bis 10 Meilen (12 bis 16 Kilometer) pro Tag, wobei er
eine Mischung aus Laufen und Gehen betreibt. Einmal in der Woche trifft er
seinen Trainer, der auch ein Singh oder Sikh ist, aber mit Vornamen Hamander
heißt. Der Langläufer Fauja Singh sagt: „Wenn ich müde
bin, dann nehme ich meine Busfahrkarte."
Mit den Jahren sind die Zähne nicht mehr so gut wie früher.
Deswegen kann er nur noch weiche Kost essen, und die Augen sind auch nicht mehr
so stark. Lesen und schreiben kann er nicht. Aber Kondition und Ehrgeiz sind
stark. Zurzeit macht er eine längere Marathon-Pause. Er hat vor, in
fünf Jahren zurückzukommen, um im Alter von 98 den Alters-Weltrekord
zu unterbieten, der jetzt von einem Griechen gehalten wird. Als Vegetarier
weicht Fauja Singh schwerer Kost aus, er trinkt eher Joghurt, Wasser und viel
Tee mit Pfeffernuss. Und sein Rat, wie man die letzten 6 Meilen (10 Kilometer)
eines Marathons durchkommt? „20 Meilen zu laufen ist leicht, danach
spreche ich mit meinem ,Rabba’ (Gott)."