Das Wort Comeback gefiel Dieter Baumann nicht. "Davon will ich nicht
sprechen." Trotzdem war es natürlich eine perfekte Rückkehr bei
einem großen Titelkampf. Nach einem atemberaubenden Schlussspurt hatte
Dieter Baumann im 10.000-m-Finale der Europameisterschaften von München am
Mittwochabend die Silbermedaille gewonnen. Nur der Spanier Jose Manuel Martinez
war am Ende in 27:47,65 Minuten noch um 22 Hundertstelsekunden schneller als
der 37-jährige Tübinger. Dritter wurde dann mit Jose Rios ein
weiterer Spanier. Doch Baumanns Lauf durch den Regen des Münchener
Olympiastadion war mehr als nur eine sportliche Rückkehr – es war
das Comeback in den Herzen der Fans. "Emotional war es natürlich
toll", sagt Dieter Baumann, der das ganze Stadion hinter sich hatte, als
es drauf ankam.
Fast nüchtern erklärte der beste deutsche Langstreckenläufer
später: „Wenn ich alles in allem betrachte, war dies sicherlich ein
besonderes Rennen – aber es gab in meiner Karriere viele besondere
Rennen.“ Sein größter Triumph, der 5000-m-Olympiasieg 1992,
war gerade gestern auf den Tag genau zehn Jahre her. "Wir leben in einer
schnelllebigen Zeit. Manchmal möchte ich gerne auf die Bremse treten, aber
das geht leider nicht", erklärte Dieter Baumann am Dienstagabend
über den Stadionlautsprecher seinen Fans. Auf diesen Augenblick hatte
Dieter Baumann lange warten müssen, und er könnte noch ein paar davon
gebrauchen. Seine Dopingaffäre hatte Fans, Medien und Funktionäre
zweigeteilt – die einen glaubten Baumann, die anderen glaubten ihm nicht.
Im Herbst 1999 positiv getestet, fand man bei Untersuchungen heraus, dass seine
Zahnpasta manipuliert worden war. Auf nationaler Ebene freigesprochen, war der
Läufer vom internationalen Leichtathletik-Verband IAAF jedoch für
zwei Jahre gesperrt worden. Ende Februar dieses Jahres war seine Sperre
abgelaufen.
Am Mittwochabend hat Dieter Baumann viele, vielleicht alle Fans
zurückgewonnen, weil er toll gelaufen ist. "Die Zuschauer waren
super. Ich habe auf den letzten 600 Metern nur noch ein Grollen gehört.
Die Fans sind eine Verführung, auch noch über 5000 Meter an den Start
zu gehen. Andererseits möchte ich ihnen mit einer tollen Leistung in
Erinnerung bleiben. Und wenn ich dann über 5000 Meter wie vor vier Jahren
nur Achter werde, dann wird das schnell wieder als schlecht bezeichnet."
Es ist also nicht wahrscheinlich, dass Dieter Baumann am Sonntag ein zweites
EM-Finale läuft.
Das eine zweideutige Plakat würde dann wohl nicht mehr im
Olympiastadion hängen. "Drück auf die Tube, Dieter", stand
dort geschrieben. "Das ist sehr kreativ", kommentierte Baumann
ironisch.
Eine Genugtuung verspüre er nach diesem Erfolg von München nicht.
"Ich brauche niemandem mehr etwas zu beweisen. Den Medien nicht und den
Zuschauern auch nicht – sie wollten heute ein Fest feiern, und zum
Glück war ich dabei." Die Silbermedaille sei ein tolles Resultat
für ihn, "bedenkt man, was passiert ist". Und dann ziegt Dieter
Baumann trotz des sensiblen Themas sogar Humor: "Der eine oder andere wird
die letzten zwei Jahre miterlebt haben", erklärt er in der
Pressekonferenz den Journalisten und fügt hinzu: "Es darf auch mal
gelacht werden." Dieter Baumann schloss in München in jeglicher
Hinsicht an seine besten Zeiten an.