Eliud Kiptanui ist der Aufsteiger der internationalen Marathonszene in diesem Jahr. Der 21-jährige Kenianer geht beim morgigen real,- BERLIN-MARATHON als einer der Topfavoriten ins Rennen, obwohl er noch vor fünf Monaten ein Nobody im Laufsport war. In sensationeller Manier hatte er am 9. Mai in Prag den Marathon gewonnen. Dabei stellte er mit 2:05:39 Stunden eine Weltklassezeit auf, obwohl der Kurs nicht als besonders schnell gilt und sogar Kopfsteinpflasterpassagen aufweist. Es war Eliud Kiptanuis erstes Rennen außerhalb Kenias und er steigerte seine persönliche Bestzeit dabei um fast sieben Minuten.
„Eliud ist in besserer Form als in Prag. Allerdings mag er lieber wärmeres Wetter. Wenn es morgen nass und kalt sein sollte, dann könnte das seine Leistung etwas beeinträchtigen. Aber er wird auf jeden Fall das avisierte Weltrekordtempo mitlaufen“, erklärte der Manager des Athleten, der Detmolder Volker Wagner. Er habe, erzählt Volker Wagner, ihn gefragt, welchen der beiden anderen kenianischen Favoriten er mehr fürchten würde – Patrick Makau oder Geoffrey Mutai. „Er hat geantwortet, er fürchtet überhaupt keinen“, erzählt Volker Wagner, der Eliud Kiptanui als „einen bescheidenen, ruhigen und intelligenten Läufer“ bezeichnet, der bis vor zwei Jahren noch zur Schule ging.
Aufgrund des Kursrekordes und der Weltklassezeit verdiente Eliud Kiptanui in Prag eine Prämie von 75.000 Euro. „Dieses Geld hat er bisher so gut wie nicht angerührt. Das zeigt auch, dass er nicht zu jenen Athleten gehört, die durch viel Geld abgelenkt werden und dann ihre Leistung nicht mehr bringen können. Eliud plant, mit dem Geld seiner Familie zu helfen und will seinen Eltern ein Haus bauen“, erzählt Volker Wagner. Außerdem möchte der Läufer seinen jüngeren Geschwistern die Schulausbildung in Kenia finanzieren.
Durch einen anderen Läufer – Isaac Boit, der am Sonntag beim real,- BERLIN-MARATHON als Tempomacher laufen wird – ist Volker Wagner auf Eliud Kiptanui aufmerksam geworden. Es war Mitte Dezember 2009, als der deutsche Manager in Eldoret war, dem kenianischen Läufer-Mekka. „Da kam Isaac und erzählte mir von Eliud, der eine Woche zuvor den Kisumu-Marathon in 2:12:17 Stunden gewonnen hatte. Als ich von den Bedingungen bei diesem Rennen hörte, war mir klar, dass Eliud sicherlich das Potenzial hat, bei einem gut organisierten Rennen 2:08 Stunden zu laufen“, erzählt Volker Wagner. Bei dem Rennen in Kisumu – die Stadt liegt in der Nähe der ugandischen Grenze und ist mit 320.000 Einwohnern die drittgrößte in Kenia – gab es nicht einmal Wasser für die Athleten auf der Strecke.
Ursprünglich sollte Eliud Kiptanui dann beim Vienna City-Marathon im April sein erstes Rennen außerhalb Kenias laufen. Doch durch die Vulkanwolke, die in Europa tagelang den Flugverkehr lahm gelegt hatte, gelangte Eliud Kiptanui nie nach Wien. „Das Problem war dann, dass die anderen, etwas späteren Marathonrennen kein Budget mehr für Topathleten hatten, da sie ihre Läufer bereits verpflichtet hatten“, erzählt Volker Wagner. Der Prag-Marathon bot ihm wenigstens an, die Hotelkosten zu übernehmen. Das Flugticket bezahlte Volker Wagner aus eigener Tasche. Doch das Risiko zahlte sich aus.
Eliud Kiptanui lebt in Eldoret und trainiert im nahe gelegenen Kaptagat in gut 2.000 Metern Höhe. Dorthin fährt er mit dem Auto zum Training. Früher, als er noch ein Nobody war, war das kein Problem. Ein paar andere Läufer nahmen ihn mit. „Doch nachdem er plötzlich so stark war und klar war, dass er den real,- BERLIN-MARATHON rennen würde, wollte ihn einer nicht mehr mitnehmen, da er auch in Berlin läuft“, erzählt Volker Wagner, der seinem Läufer daraufhin ein Auto mietete. Seitdem fährt Eliud Kiptanui selbst nach Kaptagat und trainiert dort mit anderen Athleten zusammen. Ob Eliud Kiptanui allerdings überhaupt einen Führerschein hat, das vermag Volker Wagner nicht zu sagen.
„Ich bin mit meinem Prager Rennen in der Weltspitze angekommen und bin bereit für die Herausforderung beim real,- BERLIN-MARATHON“, erklärte Eliud Kiptanui und fügte auf die Frage nach einem möglichen Weltrekord hinzu: „Wenn wir schnell rennen und kooperieren, dann ist das am Sonntag die Chance für uns. Ich wäre froh, wenn der Weltrekord fallen würde – egal wer von uns ihn läuft.“ Irgendwann allerdings wird die Kooperation aufhören. „Es ist schließlich ein Rennen und deswegen muss es auch einen Sieger geben.“