“Wanderer, kommst du nach Spa ..., schrieb Heinrich Böll in seiner
berühmten Erzählung im Jahre 1950.
52 Jahre später, im Herbst 2002, stellte sich für die Läufer
des Team Oberhavel eine ähnliche Frage: “Läufer, kommst du nach
Duisburg .... Im nächsten Atemzug eine weitere Frage, warum wohl sollten
wir von Stadt- und Landschaftsmarathons verwöhnten Ausdauersportlern
eigentlich eine Reise an den Rand des Kohlenpotts wagen? In einer
Industriestadt, 535.000 Einwohner, eingebettet zwischen Rhein und Ruhr am
westlichen Rand des Ruhrgebietes, soll eine Veranstaltung stattfinden, die
neben Attraktivität auch noch Stimmung verheißt? Vorweg: Duisburg
ist grüner als sein Ruf, vorbei die Zeiten der schwarz rauchenden und
stinkenden Schlote sowie der Zechen mit ihren Kohlenbergen. Dies alle
gehört der Vergangenheit an, der Kohlenpott auf dem Weg zum
Naherholungsgebiet.
Die Antwort auf unsere Fragen fanden wir in der Ausschreibung: Deutsche
Meisterschaften sollten der 20. Auflage dieses Marathon – Urgesteins
einen würdigen Rahmen geben. Außerdem wurde den Teilnehmern ein
Samba Marathon versprochen, für Stimmung war demnach auch gesorgt. Ein
zusätzliches Highlight sollte der Zieleinlauf in das Wedau Stadion
sein.
Diese Gründe führten schließlich zur Entscheidung für
Duisburg. Mit 35 Euro im Vorverkauf für eine solche Veranstaltung sehr
preiswert – auch wenn hier einige Läufer widersprechen werden; doch
rechnet man die Kosten für eine derartige Veranstaltung mal zusammen, sind
selbst Startgelder bis 70 Euro akzeptabel, letztendlich wird auch niemand
gezwungen dort anzutreten – rechnet man auch noch ein Funktions-Shirt
hinzu, meldeten sich vier Teilenehmer des Team Oberhavel für die Deutschen
Meisterschaften. Heimlich schielte man auf eine Platzierung unter den ersten
Drei in der M45 der Mannschaften.
Jede Veranstaltung, die etwas auf sich hält, richtet neben dem
Hauptevent noch weitere Rahmenwettbewerbe aus. In Duisburg ein Halbmarathon und
– in diesem Jahr – die Inline-Europameisterschaft der Senioren im
Marathon. Die Vorbereitungen auf diesen ersten Saisonhöhepunkt verliefen
für alle Beteiligten überaus zufrieden stellend; lange Läufe und
konsequentes Bahntraining schafften die Grundlage, dieses Ereignis gut zu
bewältigen. Die Wettervorhersage für das bevorstehende
Marathonwochenende dämpften jedoch sämtlichen Optimismus:
Temperaturen von über 30°C ließen die Hoffnung auf gute Zeiten
schwinden.
Der Start vor dem Stadion – obwohl um 8:45 Uhr früher als bei
jeder anderen Veranstaltung – verlief bei etwa 23°C noch relativ
optimistisch, doch bot die Strecke auf weiten Teilen keinen Schatten. Jedes
Bäumchen und jede Hauswand wurde als Schattenspender von den Läufern
gerne angenommen. Erschwerend kam hinzu, dass die Verpflegungspunkte bei km 5
und 12 bei weitem nicht ausreichten und viel zu weit auseinander lagen.
Angesichts der Temperaturen hätte der Veranstalter hier sofort reagieren
müssen. Im weiteren Verlauf besserte sich die Situation, muss
schließlich sogar als vorbildlich bezeichnet werden. Rechnet man die
Unterstützung der anwohnenden Bevölkerung mit Wannen und
Schläuchen hinzu, war die Versorgung ideal. Die Zuschauer am
Straßenrand waren nur spärlich auszumachen, Angaben des
Veranstalters zufolge sollen es 100.000 gewesen sein, was ich jedoch stark
anzweifeln möchte. Einzig beim Einlauf in das Stadion hatte man das
Gefühl breiter Unterstützung.
Die Streckenführung entpuppte sich als zunehmend unattraktiv: durch
Hafen, kleinere Stadtteile mit geringem Zuschauerzuspruch, zwei Ruhr- und zwei
Rheinbrücken sowie viele Wohngebiete zog sich der Kurs bis zum Wedau
Stadion. Einzig der Abschnitt entlang des Rheins ist recht sehenswert, hier
erschließt sich ein schöner Blick auf die Industriemetropole.
Die kurze Strecke mitten durch eine Chemiefabrik wird wahrscheinlich jedem
Läufer in Erinnerung bleiben, der schwere aromatische Geruch
hinterließ nicht den Eindruck wohlriechender Düfte.
Durchsetzt von einigen kleinen Anstiegen im Bereich von Brücken und
Unterführungen ist der Duisburger Kurs sehr flach und gut zu
bewältigen. Nach allen Strapazen entschädigt der Einlauf in das
Stadion, jeder Läufer wird namentlich an der Anzeigentafel willkommen
geheißen. Der angekündigte Samba-Marathon konnte von keinem unserer
Läufer entdeckt werden. Vielleicht sind viele Musiker angesichts 31°C
im Wedau Sportpark schwimmen gewesen. Mit Ausnahme der Sinalco Samba Band bei
km 41 und im Stadion war es entlang der Strecke ziemlich ruhig und trostlos. Um
die Eingangsfrage wieder aufzunehmen: “Läufer, kommst du nach
Duisburg ...“ muss ich klar resümieren: nicht noch einmal. Ich denke
eher, Hamburg oder der Rennsteig – als Vertreter eines Stadt- bzw.
Landschaftsmarathons zu dieser Jahreszeit – sind die besseren
Alternativen, selbst bei schlechtem Wetter.
Trotz aller Kritik sollte man doch die liebevolle Organisation nicht
unerwähnt lassen. Abgesehen vom Versorgungsengpass bis km 12 gab es kaum
etwas zu beanstanden. Ein anderer Termin und ein schönerer Kurs
würden vielleicht für mehr Resonanz sorgen. Ach übrigens: alle
Läufer vom Team Oberhavel sind trotz tropischer Temperaturen gesund ins
Ziel gekommen. Zu einem Platz auf dem Treppchen in der Mannschaftswertung hat
es wegen des Infekts eines Teilnehmers leider nicht gereicht. Trotzdem waren
alle zufrieden.
Karsten Rybka