Der Endbericht der DSB-SPRINT-Studie zur Situation des Schulsports in Deutschland bestätigte die im Dezember vorgestellten Zwischenergebnisse. An Deutschlands Schulen werden viel weniger Stunden Schulsport erteilt als in den Lehrplänen vorgesehen.
Prof. Wolf-Dietrich Brettschneider übergab die Ergebnisse der SPRINT-Studie bei einer Pressekonferenz in Berlin am 5. Juli 2005.
"Jede vierte Stunde fällt aus", sagte der federführende Sportpädagoge Prof. Wolf-Dietrich Brettschneider (Paderborn) bei der Pressekonferenz am 5. Juli in Berlin. Allerdings sind die Schultypen unterschiedlich betroffen. In Gymnasien sieht es am besten aus, in Haupt- und Real- Schulen am schlechtesten. Das zweite Manko: Zu viele fachfremde Lehrerinnen und Lehrer - bis zu 50 Prozent - erteilen den Sportunterricht, vor allem die Grundschulen sind betroffen.
DSB-SPRINT-Studie: Wissenschaftler fordern konstruktives Vorgehen
In Berlin wurde jetzt die knapp 300 Seiten umfassende Endfassung an den Präsidenten des Deutschen Sportbundes, Manfred von Richthofen, und die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, die Brandenburger Wissenschaftsministerin Prof. Johanna Wanka, übergeben. Die DSB-SPRINT-Studie wurde finanziert aus Mitteln des DSB und der fünf ehemaligen deutschen Bewerberstädte für die Olympischen Sommerspiele 2012.
Die Schwachstellen und Problemzonen sind nun bekannt
Neben Brettschneider waren noch Prof. Christoph Breuer/Prof. Volker Rittner (Köln), Prof. Rüdiger Heim (Magdeburg/Heidelberg), Prof. Robert Prohl (Frankfurt), Prof. Werner Schmidt (Duisburg-Essen) und Prof. Helmut Altenberger (Augsburg) an der repräsentativen Untersuchung beteiligt. Insgesamt wurden in den sieben ausgewählten Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, NRW, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein in den Jahrgangsstufen vier, sieben und neun aller Schultypen (219 Schulen) 8863 Schüler, 4352 Eltern, 1158 Sportlehrer und 191 Schulleiter befragt. "Wir wissen jetzt, wo sich die Schwachstellen und Problemzonen im Schulsport befinden", sagte DSB-Präsident Manfred von Richthofen in Berlin.
Auch bei den Sportstätten bleibt als Voraussetzung für einen guten Schulsport-Unterricht noch viel zu verbessern, wie Prof. Breuer von der Sporthochschule Köln herausfand. Sieben Prozent aller Sporthallen und zehn Prozent aller Leichtathletik-Anlagen befinden sich nach der Analyse in einem mangelhaften oder gar ungenügenden Zustand. Noch schlechter ist es um ein Angebot für einen Schwimmunterricht bestellt. Über 20 Prozent aller Schulen steht keine Schwimmhalle zur Verfügung oder sie wird nicht genutzt.
Besorgniserregender Anstieg an Nicht-Schwimmern
Die drastische Folge: Die Zahl der Nicht-Schwimmer oder der ungeübten Schwimmer nimmt immer mehr zu, was langfristig die Zahl der tödlichen Badeunfälle erhöht, wie es sich jetzt schon passiert. "Es muss etwas in Richtung Bäderpolitik passieren", forderte Brettschneider vor den Medien.
Eine Umkehr in der Ausrichtung des Unterrichts wird vor allem von den Schülern gewünscht. Zum einen fühlen sich die meisten leitungsmäßig nicht annährend so gefordert, wie sie es sich wünschen würden. Und darüber hinaus wollen sie entsprechend ihrer Leistungsbereitschaft auch belohnt sehen. Sie monieren, dass das Notenspektrum nicht annähernd ausgeschöpft wird. "Die Schüler nehmen die Sportnoten hin, aber nicht ernst", hieß es in Berlin. Darüber hinaus sollten die Inhalte veränderten Entwicklungen angepasst und neuere Sportarten von den Sportlehrern aufgegriffen werden. Aus der Sicht der Schüler halten viel zu viele Pädagogen an den traditionellen Inhalten fest Unter den Wünschen tauchen Sportaktivitäten wie Inline-Skating und Klettern, aber auch Kampfsport sowie Spiele wie Baseball und Football auf. Gelehrt würden aber Turnen, Hockey und Leichtathletik. Als Folge meinen die Wissenschaftler: "Der Sportunterricht läuft Gefahr, zu einem Museum für den traditionellen Sport zu werden."
Häufig Kooperationen zwischen Schulen und Sportvereinen
Für den organisierten Sport interessant sind der Stand der Zusammenarbeit mit den Sportvereinen und die Einschätzung der Bedeutung der Kooperationen. An 78 Prozent aller untersuchten Schulen existieren Zusammenarbeiten mit Vereinen. An 80 Prozent der Schulen werden sogar Sport- und Spielfeste oder Sportnachmittage veranstaltet, alles gute Möglichkeiten für die Sportvereine, sich und ihre Arbeit darzustellen. Die Chance für einen Leistungsvergleich mit anderen Schulen nehmen 69 Prozent wahr. Für den Talentwettbewerb "Jugend trainiert für Olympia" melden 59 Prozent.
Von dieser Häufigkeit der Kooperation abweichend ist die Bewertung ihrer Wichtigkeit. Zwar halten 50 Prozent der befragten 191 Schulleiter die Bedeutung der Kooperationen für hoch (13 Prozent) oder eher hoch (37 Prozent), aber 44 Prozent schätzen den Wert auch auf eher gering und sechs Prozent sogar auf unbedeutend. Laut der Studie ist das Potenzial für das Angebot von außerschulischem Sport bei weitem noch nicht ausgeschöpft.
Brettschneider sieht jetzt als Resultat der aufgezeigten Schwachstellen im Schulsport ebenso wie der DSB-Präsident von Richthofen die Kultusminister der Bundesländer gefordert. Der Wissenschaftler erhofft sich statt Beschwichtigungsformel ein konstruktives Vorgehen. Zudem solle das föderale Wirrwarr beseitigt werden.
In ähnliche Richtung denkt auch von Richthofen. "Wann endlich gibt es den notwendigen Ruck im Schulsport", fragte der DSB-Präsident bei der Vorstellung. Die Kultusminister der Bundesländer sollten endlich eine mittelfristige Antwort auf die Fragen finden. Aber auch die Bundespolitik sieht von Richthofen gefragt. In Berlin müssten die vielen Initiativen, die zum Thema Bewegungsmangel und Ernährung bei Kindern entstanden sind, endlich vernünftig gebündelt werden. "Nur wenn alle an einem Strang ziehen, werden wir auch Erfolge auf diesem Gebiet vorweisen können", meinte von Richthofen.
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