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DM-Halbmarathon in Herten-Bertlich: Aggressiver Carsten Eich wehrt Tandoi ab – Luminita Zaituc verliert im kurzen Spurt gegen Viola Bor – Viel Kritik an Standort Herten-Bertlich

In seinem Grußwort hatte DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop noch von einem Familienfest gesprochen. Sicherlich kann es bei Festivitäten im Familienkreis auch einmal zu Unmut und Verärgerung kommen, doch was sich an einem warmen und sonnigen Frühlingstag bei den deutschen Halbmarathonmeisterschaften in Herten-Bertlich an der Peripherie des Ruhrgebietes ereignete, darauf hätten alle Seiten gerne verzichten können.

Neben dem Verdruss über allseits zutage tretende Mängel im direkten Umfeld der Veranstaltung gab es bei den wenigen Spitzenkräften wegen der Zulassung von zwei kenianischen Läufern im Meisterschaftswettbewerb erheblichen Zündstoff. Wenn Carsten Eich wenige Minuten vor dem Start noch von „Krieg“ sprach, sich Luminita Zaituc und ihr Umfeld für künftige Startverzichts bei deutschen Meisterschaften aussprachen, dann wird es seitens des DLV höchste Zeit, sich der grummelnden Basis zuzuwenden, denn dieser ist, wie dies auch der DLV-Präsident zu recht erkannte, ein „wichtiger Disziplinblock“.  

"Dicker Hals"


„Ich bin von Anfang an sehr aggressiv gelaufen“, bekannte Carsten Eich noch Minuten nach seinem achten Titelgewinn über die Halbmarathon-Distanz mit einem „dicken Hals“. Und wollte sich einfach nicht beruhigen. Obgleich das Rennen für den inzwischen für rhein-marathon Düsseldorf startenden Fürther glücklich ausgegangen war. Die Kritik richtete sich weniger an seinem durch die geänderte Ausländerstartregelung kenianischen Konkurrenten Abraham Tandoi, den er von vielen internationalen Rennen auf deutschem Boden her zur Genüge kennt.

„Ich weiß nicht, was sich der Verband dabei gedacht hat. Wenn dies ein Zeichen für die Zukunft sein sollte, dann sind die deutschen Meisterschaften für Deutsche künftig erledigt!“

Mit einem Raketenstart hatte sich Eich an die Spitze des Feldes gesetzt, mit einem Kilometerschnitt im Bereich von 3:00 Minuten auch genug Abstand zur Konkurrenz um Titelverteidiger Stefan Koch und Embaye Hedrit (der übrigens 1986 aus Eritrea nach Deutschland kam) herausgelaufen. Alleine der in Heidelberg zeitweise lebende Kenianer konnte zwischenzeitlich aufschließen, musste aber nach 10 km erneut abreißen lassen. „Ich wollte mein Rennen in einem Bereich laufen, den ich mir auch zutraue. Und das wäre mir auch gelungen, aber die Strecke ließ dies einfach nicht zu!

Das hat mit Leistungssport nichts mehr zu tun. Warum müssen wir in Herten die WM-Norm von 1:03:00 laufen, wenn nächste Woche in Berlin ein attraktiver Halbmarathon stattfindet?“


Zaitucs letzter Start bei Deutschen Meisterschaften 

„Mit solchen Beschlüssen vergrault man die Spitzenathleten“, zürnte auch Hans-Günter Stieglitz, der Manager von Luminita Zaituc. „Das ist Luminitas letzter Start bei deutschen Meisterschaften!“ Und die Braunschweigerin ergänzte: „Ich habe noch wichtige Rennen in dieser Saison und mich verlassen, dass keine starken Athleten hier am Start sein werden. Schließlich möchte ich kommende Woche in Berlin schneller laufen“.

Und blickte mit großer Wut auf die große Blutblase an ihrem Fußballen. „Warum kriegt man bei Meisterschaften keine guten Strecken hin, zugleich möchte man aber beim DLV schnelle Zeiten haben!“ Ihr Start stand zudem auf der Kippe, da sie sich bei den Militär-Cross-WM in Tunis eine Fußverletzung zugezogen hatte. Im dramatischen Finale musste Luminita Zaituc dann nach einem verhaltenen Rennen auf der aufgeweichten Aschenbahn gegen eine wie entfesselt spurtende Viola Bor in 1:14:37 um eine Sekunde verloren.


Viola Bor vor Aberkennung des Titels?

Walter Abmayr, der Manager der beiden kenianischen Läufer in Dress der LG USC Heidelberg, hatte noch am Sonntagabend in einer eMail an die Adresse des DLV eine Steilvorlage geschickt, die alle Argumente für die Aberkennung des Meistertitels von Viola Bor beinhaltete. Als klaren Regelverstoß wertete sogar Abmayr den Start seines Schützlings bei den kenianischen Crossmeisterschaften, den diese als 16. beendete. Ein Tatbestand, den selbst der stellvertretende USC-Abteilungschef nicht kannte. „Damit werde ihr wahrscheinlich der Titel aberkannt“, so seine Schlussfolgerung. Im gleichen Atemzug erklärte Abmayr allerdings, dass Abraham Tandoi bei dieser Veranstaltung nicht gestartet sei.


Wilfried Raatz


In Kürze

Herten-Bertlich 26.3.2006 – Deutsche Halbmarathonmeisterschaften


Tops

> Mit Stefan Koch und Julia Viellehner wussten sich die besten deutschen Junioren im Feld der Aktiven bestens zu behaupten, beide kamen im „internationalen“ Feld als Dritte ein.  


> Mit Prof. Michael Böhnke hat der DLV einen sportiven Vizepräsident, der im Dress des DLC Aachen als 43. der Mastersklasse M 50 in 1:31:07 Stunden ins Ziel einlief.  


Flops

> Der Verbandsratsbeschluss vom 24.2.2006 betreffend der Startberechtigung von Ausländern bei deutschen Meisterschaften (LAO § 5.2.4) erwies sich schon bei der ersten Nagelprobe als Problemfall. Was im eigentlichen Sinne als Chance zur Integrierung von in Deutschland lebenden Ausländern verabschiedet wurde, könnte künftig zum Tummelplatz der afrikanischen Langstreckler werden. Hier ist dringender Handlungsbedarf mit einer Modifizierung erforderlich.  


> Feld- und Wirtschaftswege, brüchiger Asphalt mit großen Löchern, zwei unsinnige Laufrunden fernab jeglicher Zivilisation sorgten für erheblichen Unmut. Wie übrigens auch die mangelhafte Gegenleistung für 21 Euro Startgebühren.


> Nur geringen Informationswert besaß das Programmheft, denn alle Teilnehmer waren (mit Zusatz der Startnummer) alphabetisch (!) aufgelistet.   


> Als meisterschaftsunwürdig erwies sich manches: die leistungsschwache Laufsprecheranlage, ein Startareal auf einer schmalen Dorfstraße mit einem Werbespanntuch („Zechengasthaus“ als Startankündigung), die manuelle Zeitmessung, mangelhafte Wegbeschilderung usw.   


> Mit Prof. Michael Böhnke hat der DLV zwar einen sportiven Vizepräsident, doch dieser sollte dieser bei hochkarätigen Anlässen eher seiner ehrenamtliche Funktion gerecht werden und sich als ranghoher Repräsentant dem geharnischten Unmut der Basis stellen.   


> Einmal mehr war die Kennung der Wertungsklassen auf den Startnummern unzureichend. Eine farbliche Unterscheidung, wie dies im November bei den deutschen Crossmeisterschaften in Darmstadt beispielhaft gelöst wurde, ist bei gemeinsamen Starts einfach unerlässlich.  


> Mit lediglich 750 Finishern gab es einen Schwund von 30 Prozent.


Wilfried Raatz